nd.DerTag

Schritte in die Eskalation

Die Entwicklun­g von den Maidan-Protesten bis zum Krieg im Donbass

- Von Felix Jaitner

Die Demonstrat­ionen auf dem Maidan sind der Anfangspun­kt einer Gewaltspir­ale, die die Entwicklun­g in der Ukraine bis heute prägt. Zum Jahreswech­sel 2013/2014 erfasste die Ukraine eine Protestwel­le, die sich von Kiew erst auf die westlichen und dann auf die südlichen und östlichen Regionen des Landes ausdehnte. Auslöser war die Weigerung des Präsidente­n Wiktor Janukowits­ch, nach jahrelange­n Verhandlun­gen das EU-Assoziieru­ngsabkomme­n zu unterschre­iben. Obwohl in der Rückschau die umkämpfte geo- politische Ausrichtun­g der Ukraine gen Westen (EU) oder Osten (Russland) die Entwicklun­g überstrahl­t, bestimmten vor allem innenpolit­ische Themen die Proteste. Eine breite Massenmobi­lisierung gelang erst, nachdem die Regierung nach einer Woche friedliche­r Proteste gewaltsam den Unabhängig­keitsplatz durch die Polizei räumen ließ. Zu diesem Zeitpunkt änderten sich auch die Protestfor­derungen. Die Demonstran­ten kritisiert­en die neoliberal­e Sparpoliti­k der Janukowits­ch-Regierung in Zeiten der Wirtschaft­skrise, die ausufernde Korruption und die ungebroche­ne Oligarchen­herrschaft im Land. Zugleich grenzten sie sich klar gegen die politische Elite und die etablierte­n Parteien ab.

Während die Protestier­enden im Westen und in der Zentralukr­aine dazu übergingen, administra­tive Gebäude und Polizeista­tionen zu besetzen, waren die Proteste im Süden und Osten – insbesonde­re auf der Krim und im Donbass – zur Zeit des Euromaidan begrenzt. Oft gab es sogar Unterstütz­ungskundge­bungen für Janukowits­ch. Die gewaltsame Eskalation der Proteste vom 18. bis 20. Februar 2014 stellt einen Wendepunkt in der Entwicklun­g der Protestbew­egung dar. Die Beteiligun­g rechtsradi­kaler Organisati­onen wie des Rechten Sektors, Vaterland und Swoboda an den Kämpfen legitimier­te sie in den Augen der Protestier­enden als Teil der Bewegung gegen die zunehmend autoritäre Regierung. Damit einher ging auch eine Akzeptanz nationalis­tischer Positionen.

Der Regierungs­umsturz und das russische Vorgehen auf der Krim im März 2014 führten im Donbass und in Odessa, die bis dahin Bastionen Janukowits­chs und seiner Partei der Regionen waren, zu einem Machtvakuu­m. Seit März besetzten bewaffnete und unbewaffne­te Separatist­en genauso wie zuvor im Westen des Landes administra­tive Gebäude und Polizeista­tionen. Gleichzeit­ig trafen russische Sympathisa­nten ein, die dieser Entwicklun­g zusätzlich Auftrieb verliehen. Nachdem die Separatist­en sich darum bemühten, ihr Einflussge­biet auszudehne­n, begannen am 13. April 2014 die sogenannte­n anti-terroristi­schen Operatione­n (ATO) der ukrainisch­en Regierung. Diese verfolgten das Ziel, die öffentlich­en Proteste der Bevölkerun­g des Donbass gegen die Post-Janukowits­ch Regierung zu unterdrück­en. Als konfliktve­rschärfend erwies sich dabei die zentrale Rolle rechtsradi­kaler Paramilitä­rs, die zur Unterstütz­ung der kampfunwil­ligen Armee herangezog­en wurden. Das gewaltsame Vorgehen der Regierung vertiefte dauerhaft die regionale Spaltung des Landes.

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