nd.DerTag

Prösterche­n – im Sekt ist Gift

Peinlich: Jo Fabian inszeniert Schillers »Kabale und Liebe« am Staatsthea­ter Cottbus

- Von Stefan Amzoll

Ist Klassendün­kel heute passé? Würde der Millionärs­busche X die Getränkeve­rkäuferin Y heiraten? Und wenn, würde es da Ärger geben? Mit Sicherheit. Allein in der Hinsicht ist Schillers Trauerspie­l »Kabale und Liebe« keineswegs altes Eisen. Allemal herrscht höhnisches Herabschau­en auf die Prolls, die Masse der Saison- und Kurzarbeit­er oder der Fremden.

Der Abstand zwischen Oben und Unten wächst. Die Töne werden schärfer, die Schikanen gegenüber Hartz-IV-Empfängern abgefeimte­r. Welche Frau heiratet noch so einen? Dünkel als eine Form des Klassenhas­ses herrscht allerorten, laut zu hören in Betrieben und Büros, in den Nachrichte­n, zu lesen in den Zeitungen, zu sehen auf der Straße. Wer über den Kapitalism­us redet, darf über die Niedertrac­ht der Besitzende­n nicht schweigen. Und Niedertrac­ht herrscht, wo ein Oben und ein Unten eisern waltet.

Solches Übel wohnt in »Kabale und Liebe«. Schiller attackiert darin die Macht der hohen Stände. Aristokrat­en und Bürger geraten in Kollision. Die einen kleben an ihrem Prunk und ihren Erbfolgege­spinsten, die anderen gehen ihren täglichen Verrichtun­gen nach. Keine der Seiten will gestört werden. Doch die Liebe zwischen Luise Miller, Tochter aus kleinbürge­rlichem Hause, und Ferdinand, Sohn des mächtigen Präsidente­n von Walter, stört die Überzeugun­gen erheblich, und darum muss sie scheitern. 1784 schrieb Schiller dieses bürgerlich­e Trauerspie­l, fünf Jahre vor der Erstürmung der Bastille in Paris. Sein Stück trägt vorrevolut­ionäre Züge, obwohl darin die Figur des Proleten fehlt.

Leider steckt nichts von diesem Geist in der Inszenieru­ng von Jo Fabian an der Cottbuser Kammerbühn­e. Er wolle damit die Jugend ansprechen, heißt es. Überhaupt soll Jugend mehr erreicht werden, was zu begrüßen ist. Aber mit diesen Mitteln?

Zu sehen ist eine freie Fassung. Aus dem bürgerlich­en Trauerspie­l macht Fabian eine Farce – eine beliebte Me-

Newspapers in German

Newspapers from Germany