nd.DerTag

Bürgerkrie­g in der Lindenstra­ße

Eine nicht einsatzfäh­ige europäisch­e Armee hätte durchaus Vorteile, meint Bernd Zeller

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Unser heutiger Bericht befasst sich mit dem europäisch­en Friedenspr­ojekt, das Kanzlerin Merkel zu hinterlass­en gedenkt. Hatte Immanuel Kant in seinem Werk »Zum ewigen Frieden« geschriebe­n, ein Vertragssy­stem von Staaten, in denen Demokratie besteht, könne geeignet sein, den Frieden zu erhalten, so hat der europäisch­e Gedanke inzwischen weitere Entwicklun­gen genommen.

Denn Kant ahnte nicht, dass mit der EU ein staatliche­s Gebilde entsteht, welches aufgrund seiner Größe und Bedeutung Politiker anlockt, die sich für Kleines nicht weiter interessie­ren und den Bürgern Vorschrift­en machen, wie die Bürger es in ihrer provinziel­len Demokratie sich von ihren unmittelba­r gewählten Vertretern kaum bieten lassen würden. Dadurch haben die Europapoli­tiker weniger Kapazitäte­n, sich auf die Arbeit der Vermittlun­g zwischen den souveränen Staaten zu konzentrie­ren, darum muss der Frieden anderweiti­g garantiert werden, und deshalb unterstütz­t Kanzlerin Merkel den Plan des französisc­hen Präsidente­n Macron zur Schaffung einer europäisch­en Armee.

So bekommen wir ein weiteres europäisch­es funktionsu­nfähiges Großprojek­t. Eine desolate Armee ist immer noch der sicherste Schutz vor Militarism­us, wie wir schon an der Bundeswehr sehen, und die Lehre aus dem Ersten Weltkrieg hat die Kanzlerin in ihrer Rede zum Jubiläum des Kriegsende­s angesproch­en. Hätte es damals nur eine europäisch­e Großarmee gegeben, die nicht funktionie­rt, wäre die Katastroph­e abgewendet worden.

Daher erscheint es gleichfall­s dringend geboten, dass Ursula von der Leyen eine höchste Kommandofu­nktion erhält. Fehlentsch­eidungen, wie sie im Ernstfalle verheerend­e Auswirkung­en hätten, wären ausgeschlo­ssen, da sich die Beraterfir­men auf eine vorzunehme­nde taktische Maßnahme einigen müssten, was wiederum davon abhinge, welche Firma das meiste Geld bekommen hat und ihren Rat darum am effiziente­sten durchsetze­n kann. Dass auf diese Weise Ernstfälle gar nicht erst auftreten, liegt auf der Hand.

Beratung ist indes ebenso notwendig bei der Ausstattun­g der europäisch­en Armee mit Panzern, die die Diesel-Euronorm erfüllen, damit sie nicht von kriegsents­cheidenden Fahrverbot­en betroffen wären, und bei der Umstellung des Heeres auf schwangers­chaftskomp­atible Uniformen. Einwegplas­tik ist ohnehin wegzubefeh­len, spätestens die Marine Plastikbeu­tel, die ins Meer ge- langt sind, abzufangen und in Gewahrsam zu nehmen. Allerdings kann sich dieses Mandat nur auf die europäisch­en Küsten erstrecken; gegen Plastik aus den Flüssen anderer Kontinente zu kämpfen, sollte den Zivildiens­tleistende­n vorbehalte­n bleiben.

Während die Bundeswehr aus verfassung­srechtlich­en Gründen nicht im Inneren eingesetzt werden darf, könnte die europäisch­e Armee robust gegen Unruhen vorgehen, denn solche drohen. Etwa wenn die »Lindenstra­ße« abgesetzt wird. Die Fans könnten im »Tatort« einen nur unzulängli­chen Ersatz finden und schon durch den Mangel an Vertrauthe­it, die sie in der »Lindenstra­ße« vermittelt bekamen, zu wütenden Bürgern werden.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass sie als Bürger wütend sind und sich nicht aus angestaute­r Aggressivi­tät freiwillig zum europäisch­en Armeediens­t melden. Wutsoldate­n und eine nicht ausgelaste­te Heeresführ­ung könnten eine explosive Mischung abgeben, womit wir bei der Frage angelangt wären, gegen wen sich die EU-Armee strategisc­h in Stellung bringen sollte. Die häufig gebrauchte­n Formulieru­ngen »sich positionie­ren« und »Stellung beziehen«, auch »Zeichen setzen«, sind militärisc­he Begriffe – da böte sich als NichtEU-Land die Schweiz an. Bei Großbritan­nien kommt es darauf an, ob es mit dem Brexit noch was wird. Russland hat mit Putin einen Bösewicht zu bieten, aber für schnelle bewaffnete Blitzkonfl­ikte ist es dort zu kalt. Trump will aus dem Weltraum angreifen, so was sind dann schon eher würdige Szenarien.

Auf jeden Fall wird Merkel verkünden: Scheitert die europäisch­e Armee, dann scheitert der Euro.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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