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Neue Chefin bei IG Metall

Der Berliner Teil der Gewerkscha­ft hat eine Erste Bevollmäch­tigte gewählt, nun sind zwei Frauen an der Spitze

- Von Marion Bergermann

Seit fast 30 Jahren ist Birgit Dietze Gewerkscha­ftsmitglie­d und hat sich hochgearbe­itet. Bald wird sie der Berliner IG Metall vorstehen. Die Delegierte­nversammlu­ng der IG Metall Berlin hat am Dienstag abgestimmt, Birgit Dietze wird neue Erste Bevollmäch­tigte. Andere Bewerber*innen hatte es gar nicht gegeben. Zum 1. Januar 2019 wird sie den bisherigen Vorsitzend­en Klaus Abel ablösen, der nach Frankfurt in die IG Metall-Zentrale geht. Dann hat die Gewerkscha­ft in Berlin eine weibliche Doppelspit­ze, mit Regina Katerndahl weiterhin als Zweite Bevollmäch­tigte.

Momentan arbeitet die neue Chefin im Referat Grundsatzf­ragen und sitzt im Aufsichtsr­at bei VW sowie der Volkswagen­bank. Außerdem ist sie Unternehme­nsbeauftra­gte für VW und Audi bundesweit. Seit 1989 ist Dietze in der IG Metall, seitdem sie ihre Ausbildung als Industriek­auffrau in Ost-Berlin begann. An ein Studium der Volkswirts­chaftslehr­e schloss sie ein Jurastudiu­m an und vertrat als Rechtsanwä­ltin Arbeitnehm­er*innenrecht­e.

Zu ihrer Amtszeit als Erste Bevollmäch­tigte werden Umbrüche in der Arbeitswel­t durch die Digitalisi­erung gehören, besonders für Angestellt­e. Die 45-Jährige weiß, wie wichtig das Thema daher für die Gewerkscha­ften ist. Bei einem Presseterm­in sagte sie: »Es werden bestimmte Beschäftig­tenarten ersatzlos wegfallen und andere Arbeit wird sich wandeln. Unser Job ist es, diesen Wandel zu begreifen und mit Anpassungs­maßnahmen wie Qualifizie­rung und Bildung den Beschäftig­ten die Möglichkei­t zu geben, unter anderen, digitalisi­erten Bedingunge­n zu arbeiten.«

Was genau die Digitalisi­erung, deren Ausmaße und Folgen vielen Arbeitnehm­er*innen bisher noch abstrakt erscheinen, bedeuten kann, illustrier­t Dietze an einem Beispiel: »Wir brauchen Menschen, die heute Motoren zusammenba­uen können und morgen in der Lage sind, Batte-

Birgit Dietze, IG Metall

rien in Autos mit der Bordelektr­onik neu zu vernetzen.« Einfach alle Angestellt­en umzubilden, das ist jedoch nicht so einfach. Denn »wie schaffen wir es, dass jemand, der froh ist, seit 30 Jahren aus der Schule heraus zu sein und der eigentlich anfangen müsste sich umzuschule­n, nicht vor Überforder­ung in der Krankheit landet?«, fragt Dietze. Und weist darauf hin, dass die Gewerkscha­ft alle miteinbezi­ehen will.

Damit dieser Wandel für alle Beteiligte­n angenehm verläuft, sieht die Gewerkscha­fterin die Unternehme­n in der Pflicht. Diese müssten genau ana- lysieren, was die Digitalisi­erung für ihren Betrieb bedeute. »Wir haben die große Sorge, dass Arbeitsplä­tze verloren gehen, wenn Firmen mit den Entwicklun­gen zu lange warten.«

Berlin als Standort gefällt Dietze gut, die alte Industrie neben den Start Ups. Sie weist darauf hin, dass die verschiede­nen Arbeitsfel­der voneinande­r lernen können. Denn Industrieu­nternehmen stehe manchmal ihr eigenes Großgeword­ensein im Wege, wohingegen Start Ups es schafften, Ideen schneller Raum greifen zu lassen. Das könne auch für große Unternehme­n interessan­t sein, findet sie.

Neben der Digitalisi­erung will die Juristin außerdem dagegen kämpfen, dass Unternehme­n zu viel von Leiharbeit Gebrauch machen. »Unbefriste­t einzustell­en statt ewiger Leiharbeit ist eine Frage des sozialen Anstands und trägt zum sozialen Zusammenha­lt bei«, sagt Dietze. Außerdem, »wenn Befristung­en und Leiharbeit in Kette die Erwerbsbio­grafie bestimmen, schwimmt man wie auf einer Eisscholle im Klimawande­l«, findet sie.

Dass sie als Frau an der Spitze einer Gewerkscha­ft eher männerlast­iger Branchen ist, hat für sie keine große Bedeutung. Es sei nicht der erste Job, in dem sie sich beweisen müsse, sagt Dietze. Man lerne als Frau im Berufslebe­n schnell, ernstgenom­men zu werden.

IG Metall Berlin scheint es gut zu gehen. Die Mitglieder­entwicklun­g sei stabil und in etwa auf dem Vorjahresn­iveau, sagt Katerndahl. Auch unter den jüngeren Leuten gibt es wohl keine Nachwuchsp­robleme, mit dem Zuwachs unter den Auszubilde­nden ist man zufrieden. Laut Eigenangab­en sind elf Prozent der 35 000 Mitglieder Jugendlich­e oder Auszubilde­nde. Insgesamt sind 21 Prozent Frauen.

»Unbefriste­t einzustell­en statt ewiger Leiharbeit ist eine Frage des sozialen Anstands.«

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