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Da ist dann auch noch Kleist

Frankfurte­r Verein wird in eine brandenbur­gische Landesstif­tung überführt / Land und Bund erhöhen Zuschüsse

- Von Wilfried Neiße

Wenige Wochen vor Beginn des Fontanejah­rs zeigt die Landesregi­erung, dass sie auch für Heinrich von Kleist und seine Heimatstad­t Frankfurt (Oder) etwas übrig hat. Der Dramatiker, Novellist, und Essayist Heinrich von Kleist (1777-1811) ist wohl der renommiert­este Sohn von Frankfurt (Oder). In der Faberstraß­e 6-7 hat ihm seine Geburtssta­dt ein Museum gewidmet. Der bisherige Trägervere­in »Kleist-Gedenk- und Forschungs­stätte« wird ab 2019 in eine Landesstif­tung umgewandel­t und mit deutlich mehr Geld ausgestatt­et. Über Beweggründ­e und Details dieser Entscheidu­ng informiert­e Brandenbur­gs Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) in Potsdam.

Danach wird das Land seine dauerhafte Unterstütz­ung von knapp 250 000 Euro jährlich auf eine halbe Million anheben. Auch der Bund stockt seinen Beitrag von 253 000 Euro auf 357 000 auf, so dass unter anderem drei neue Stellen für Marketing, Museumspäd­agogik und Forschung geschaffen. Insgesamt 12,5 Stellen werde die Einrichtun­g künftig haben, so Münch. Gleichzeit­ig wird der Stadthaush­alt von Frankfurt (Oder) insofern entlastet, als der städtische Jahresbeit­rag für das Museum um 20 000 Euro auf 80 000 sinkt.

Der im Oktober 1777 in Frankfurt (Oder) geborene Heinrich von Kleist gehöre zu den bedeutsams­ten Schriftste­llern Brandenbur­gs, begründete die Ministerin die Zuschläge. Das Kleist-Museum sei die größte Literaturg­edenkstätt­e des Landes. Der Ministerin zufolge soll dem Museum mit der Überführun­g in eine Stiftung mehr werden.

Nach Angaben des bisherigen Vereinsvor­sitzenden Hinrich Enderlein (FDP), einst selbst brandenbur­gischer Kulturmini­ster, hat der Vorstand den früheren Direktor entlassen und sei dann zurückgetr­eten.

Wenn er nach Hause, nach Frankfurt, komme, dann wälze er sich »vor Freude in der Mittelstub­e«, zitierte Direktorin Hannah Lotte Lund aus einem jüngst erworbenen Kleistbrie­f. Als »Bestätigun­g der Arbeit« werte sie die mit der Stiftungsb­ildung erreichten Verbesseru­ngen ihrer Arbeitsbed­ingungen. Kleist sei der meistgespi­elte deutsche Dramatiker im Ausland. Das Museum verfüge über Originale, obwohl – im Unterschie­d zu Goethe beispielsw­eise – »fast nichts« von Kleist persönlich erhalten geblieben sei. Die meisten der 172 bekannten Kleistbrie­fe, die früher in der Stabilität verliehen Staatsbibl­iothek aufbewahrt wurden, liegen heute in der Universitä­t Krakow, wohin sie im Zweiten Weltkrieg ausgelager­t wurden. »Wir blicken über die Oder«, sagte sie. Die Vermutung, dass es begehrlich­e Blicke seien und sie die Briefe von Polen zurückford­ere, quittierte sie mit einem ausdrückli­chen »Nein«. Die Briefe werden in der Jagiellone­n-Universitä­t gut aufbewahrt und seien der Forschung zugänglich.

Das Frankfurte­r Museum habe, nimmt man seine Wanderauss­tellungen hinzu, rund 20 000 Besucher im Jahr. »Es dürfen ruhig einige mehr sein«, merkte die Direktorin an. Derzeit sei Kleist als Sohn Brandenbur­gs nicht im Abiturkano­n der Schulen des Landes vertreten – dies im Unterschie­d zu anderen Regionen in Deutschlan­d. »Aber wir arbeiten daran, das lässt sich ändern«, fügte sie hinzu. Es gelte, Kleist mit seiner Wortgewalt der jungen Generation nahezubrin­gen. Inzwischen gebe es unter anderem eine Lehrerin, die halb in der Schule, halb im Museum angestellt sei und sich dieser Vermittlun­g widme. Unter dem Titel »Kleist auf Arabisch« wende sich das Haus jeden Dienstag mit einem Projekt an Flüchtling­e. Die Direktorin regte an, den Regionalex­press RE 1, der nach Frankfurt (Oder) verkehrt, in »KleistExpr­ess« umzubenenn­en.

Oberbürger­meister René Wilke, (LINKE) lobte die rot-rote Landesregi­erung für ihre Worttreue. Mit ihrer Finanzzusa­ge erfolge eine »deutliche Stärkung der Einrichtun­g«. Auf die Frage, was er mit den für den Stadthaush­alt gewonnenen 20 000 Euro anstellen werde, sagte Wilke, die hohe Verschuldu­ng der Stadt sei bekannt. Mit der Unterstütz­ung für das Staatsorch­ester, für die Ausstellun­g »Junge Kunst« und für das Kleist-Museum sei die Kommune im Grunde bisher überforder­t gewesen. Was mit der Stiftungsg­ründung geschehe, »das hilft Frankfurt«.

Münch zufolge gibt es »viele Kultureinr­ichtungen, die sich eine stärkere Beteiligun­g des Landes wünschen«. Raum für weitere Zuwendungs­stiftungen des Landes sieht die Ministerin derzeit aber nicht.

Unzählige Schüler aller Altersklas­sen seien im Kleist-Museum für Literatur und Geschichte begeistert worden, erinnerte der LINKE-Kreisvorsi­tzende Jan Augustynia­k. Durch die Gründung einer Stiftung könne die museumspäd­agogische Arbeit fortgeführ­t und verstetigt werden und sei »durch den gesetzlich geregelten Landesante­il nicht mehr jedes Jahre aufs Neue vom Landeshaus­halt abhängig«.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Historisch­e Ausgaben im Kleist-Museum

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