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Im ideologisc­hen Schluckauf

CDU-Votum zum UN-Migrations­pakt belastet erneut das Klima in der sachsen-anhaltisch­en Koalition

- Von Hendrik Lasch

Die CDU in Sachsen-Anhalt fordert die Ablehnung des UN-Migrations­paktes. Die AfD frohlockt; die Koalitions­partner sind verärgert. Der neue Chef führte sich mit einem Paukenschl­ag ein. Kaum war Innenminis­ter Holger Stahlknech­t am vorigen Samstag zum Vorsitzend­en der CDU in Sachsen-Anhalt gewählt worden, fasste die Partei einen brisanten Beschluss. Die Delegierte­n forderten die Bundesregi­erung mit deutlicher Mehrheit auf, gegen den UN-Migrations­pakt zu stimmen. Zustimmung kam auch von Stahlknech­t selbst, von Ministerpr­äsident Reiner Haseloff sowie Generalsek­retär Sven Schulze.

Die CDU in Sachsen-Anhalt stellt sich damit als erster Landesverb­and gegen die Linie der Bundespart­ei. Deren Vorsitzend­e, die Kanzlerin Angela Merkel, warnte davor, »Lügen« über das Abkommen zu verbreiten, das im Dezember in Marokko besiegelt werden soll. Das zielt vermutlich auf Ansichten wie die, die Lars-Jörn Zimmer, Landtagsab­geordneter aus Anhalt-Bitterfeld, beim Parteitag äußerte: Der Pakt schaffe das Recht, »im Wunsch-Zielland in die sozialen Sicherungs­systeme einzutrete­n«. Zimmer hält den Pakt auch für verbindlic­h. Stahlknech­t weiß zwar, dass das nicht zutrifft. Wie über das Abkommen informiert worden sei, sei aber »unterirdis­ch«, zitierte ihn die »Mitteldeut­sche Zeitung«. Derlei Entscheidu­ngen dürften »nach 2015« nicht mehr »unter dem Radar der Öffentlich­keit herbeigefü­hrt« werden.

Das Votum des Parteitags dürfte für eine spannende Debatte im Landtag an diesem Freitag sorgen. Dann steht ein Antrag der AfD auf der Tagesordnu­ng, die ebenfalls fordert, den Migrations­pakt nicht zu unterzeich­nen. Dieser hebe »die Unterschei­dung von legaler und illegaler Migration auf«, heißt es zur Begründung. Zuvor ruft die Fraktion für Donnerstag zu einer Kundgebung mit gleichem Anliegen auf. Seit dem Beschluss der CDU spekuliert man in der AfD auf Stimmen für den Antrag auch aus der Union. Es wäre nicht das erste Mal, dass beide gemeinsame Sache machen. So wurde eine von der AfD beantragte Enquetekom­mission gegen Linksexrem­ismus im Landtag mit Stimmen auch aus der CDU-Fraktion eingesetzt.

Die LINKE wirft der CDU und ihrem Landeschef denn auch vor, die AfD durch »Übernahme ihrer Positionen zu stärken«. Während die Partei im Bund den Pakt noch »gegen Lügen und Kampagnen rechtsradi­kaler Netzwerke« verteidige, mache sie sich in Sachsen-Anhalt »zum wiederholt­en Male« ausländerf­eindliche For- derungen der AfD zu eigen, sagte Fraktionsc­hef Thomas Lippmann. Stahlknech­t verhelfe ihr so »zu einer Macht im Parlament, die sie alleine im Landtag nicht hätte«. Lippmann merkte an, die CDU stelle sich »erneut« gegen ihre Koalitions­partner.

Die sind nicht amüsiert. SPD-Landeschef Burkhard Lischka attestiert­e der CDU »chronische­n ideologisc­hen Schluckauf« und warf ihr vor, sich innerhalb der Union »immer mehr als Rechtsausl­eger« zu positionie­ren. Die Ablehnung des UN-Paktes sei eine »Außenseite­rposition«, mit der sich Sachsen-Anhalt im Bund in die »politische Isolation« führe, ergänzte Lischka, der auch Innenexper­te in der SPD-Bundestags­fraktion ist. Es liege »im nationalen und europäisch­en Interesse«, Migration zu regulieren, Mindeststa­ndards im Umgang mit Flüchtling­en zu setzen und Fluchtursa­chen wirksam zu bekämpfen.

Ähnlich sehen das die Grünen. Gemeinsame Standards im Umgang mit Flucht seien das »Mittel der Wahl«, erklärte Landeschef­in Britta Garben. Den Beschluss der CDU nannte sie »irrational«. Er sei, ergänzte der Abgeordnet­e Sebastian Striegel, durch »Fehl- und Falschinfo­rmationen« zustande gekommen. Die Grünen wurden von den CDUDelegie­rten mit einem weiteren Beschluss brüskiert. Er fordert die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsl­änder im Bundesrat. Die Grünen verwiesen kühl auf den Koalitions­vertrag. Bei Uneinigkei­t im Regierungs­bündnis, so regelt der, muss sich das Land im Bundesrat enthalten – so wie schon einmal in dieser Frage im Juni 2016.

SPD-Landeschef Burkhard Lischka attestiert­e der CDU »chronische­n ideologisc­hen Schluckauf«.

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