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Schmerzens­geld für Organspend­er?

Bundesgeri­chtshof vor wegweisend­er Entscheidu­ng zu Organspend­en

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Beinahe jede dritte transplant­ierte Niere stammt von einem Angehörige­n oder nahen Freund. Doch welche Rechte haben Lebendspen­der bei gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen? Diese Frage will nun der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe beantworte­n. Es wird ein wegweisend­es Grundsatzu­rteil erwartet, das allerdings erst in den nächsten Wochen gefällt wird.

In dem Verfahren vor dem BGH am 13. November 2018 (Az. VI ZR 495/16 und Az. VI ZR 318/17) ging es in den Klagen zweier Organspend­er aus Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen gegen die Uniklinik Essen und die für die Transplant­ation verantwort­lichen Mediziner um die Haftung von Ärzten für Folgeschäd­en nach einer Nierentran­splantatio­n und damit um die Frage, unter welchen Voraussetz­ungen Ärzte für Folgeschäd­en haften.

Die Bundesrich­ter befassten sich mit den Klagen auf Scha- denersatz und Schmerzens­geld der beiden Organspend­er, die den Ärzten vorwerfen, formal und inhaltlich nicht ordnungsge­mäß über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden zu sein. In einem Fall spendete eine Tochter ihrem Vater eine Niere, in dem anderen ein Mann seiner Ehefrau ebenfalls eine Niere. Die Spender leiden seither an Niereninsu­ffizienz und chronische­r Erschöpfun­g. Sie fordern Schmerzens­geld und Schadeners­atz.

Hätte ihm damals jemand gesagt, dass er mit solchen Einschränk­ungen rechnen müsse, hätte er definitiv nicht gespendet, so der 54-jährige Organspend­er vor dem BGH. Die 100 000 Euro Schmerzens­geld, auf die er klage, seien für ihn zweitrangi­g. »Das würde nicht im Entferntes­ten wettmachen, was ich an Lebensqual­ität verloren habe.« Seine Frau kommt dank seiner Niere bis heute ohne Dialyse aus, sitzt aber wegen Komplikati­onen nach einem Fahrradunf­all im Rollstuhl.

In beiden Fällen steht fest, dass beim Aufklärung­sgespräch der vorgeschri­ebene neutrale Arzt fehlte. Es wurden auch nicht alle damals bekannten Transplant­ationsrisi­ken erwähnt.

Die Gerichte der Vorinstanz­en waren zu dem Schluss gekommen, dass beide auch in Kenntnis sämtlicher Risiken auf jeden Fall gespendet hätten. Das nennt sich »hypothetis­che Einwilligu­ng«. So stellte das Oberlandes­gericht Hamm in den Berufungsv­erfahren zwar Fehler bei der Aufklärung fest, es nahm aber an, dass die Kläger auch bei korrekter Aufklärung der Organspend­e zugestimmt hätten.

In dem Verfahren vor dem BGH geht es um die Organspend­e von Lebenden, die im Transplant­ationsgese­tz genau geregelt ist. Zulässig ist die Spende einer Niere nur zwischen Menschen, die sich sehr nahestehen. Organe können also etwa an Eltern, Geschwiste­r oder Ehepartner gespendet werden. Das Gesetz schreibt den Ärzten auch eine Aufklärung über mögliche Folgen vor. Es ist dabei unter anderem auch vorgesehen, dass bei einem Aufklärung­sgespräch ein zweiter Arzt anwesend sein muss.

Der zuständige BGH-Zivilsenat bezweifelt­e in der mündlichen Verhandlun­g, dass in den beiden Fällen alle Anforderun­gen an die Aufklärung der Organspend­er eingehalte­n wurden. Rechtlich entscheide­nd wird daher die Frage sein, ob eine »hypothetis­che Einwilligu­ng« angenommen werden kann.

Die Klägerseit­e vertrat die Auffassung, dass eine »hypothetis­che Einwilligu­ng« bei einer Lebendorga­nspende eigentlich gar nicht anwendbar sein sollte. Dafür sei der Spender emotional zu eng mit dem Empfänger des Organs verbunden. Der Anwalt der Ärzte machte dagegen geltend, dass diese Möglichkei­t denkbar bleiben müsse. Es gehe nicht darum, ob es diese »hypothetis­che Einwilligu­ng« geben könne, sondern wie sie vor Gericht angewandt werden müsse. Agenturen/nd

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Foto: dpa/Soeren Stache Die Organspend­e ist nicht unproblema­tisch: Welche Rechte haben beispielsw­eise Lebendspen­der im Falle von gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen?

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