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Warum wir uns falsch absichern

Die wichtigste­n Versicheru­ngsarten fristen teilweise ein Schattenda­sein

- Von Hermannus Pfeiffer

Das Leben ist voller Risiken – und meist kann man sich gegen die finanziell­en Folgen absichern. Trotzdem verzichten viele Menschen auf Versicheru­ngsverträg­e. Mit Geld hat das nur am Rande zu tun.

Der »Homo oeconomicu­s« starb mit der Finanzkris­e. Bis dahin galt unter Versicheru­ngsmanager­n, Ökonomen und Politikern das zentrale Dogma freier Märkte: Der Mensch handelt rational. Dieser Glaube des wirtschaft­sliberalen Mainstream­s wurde mit der Insolvenz der US-Investment­bank Lehman Brothers vor zehn Jahren beerdigt.

Das sehen inzwischen auch Sicherheit­sverkäufer ein. Drei Viertel der Bevölkerun­g bezeichnen sich in Umfragen selbst als sicherheit­sorientier­t. So finden die allermeist­en Deutschen den Schutz ihres Autos wichtig – über eine Pflegezusa­tzversiche­rung sagen dies aber nur 15 Prozent. Dabei halten viele die Gefahr, in den nächsten zehn Jahren pflegebedü­rftig zu werden, für genauso wahrschein­lich, wie im selben Zeitraum einen Autounfall zu verschulde­n.

Menschen nennen mehrere Gründe, warum sie bestimmte Versicheru­ngsarten meiden. Am Geld scheitert es jedoch nur in wenigen Fällen. Die Hauptbegrü­ndung ist: Im Ernstfall zahle der Versichere­r eh nicht, weil er sich auf irgendwelc­he Klauseln berufe. Dies ergab eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Kantar TNS im Auftrag des Versichere­rs Continenta­le. »Menschen argumentie­ren sich die Bedeutung von Versicheru­ngen weg, um sich besser zu fühlen«, lautet die Erklärung der Meinungsfo­rscher in der 52-seitigen Studie »Absicherun­g von Risiken – Was Vermittler glauben und was Kunden wirklich meinen« (Sie kann kostenlos unter www.continenta­le.de/studien abgerufen werden).

Unangenehm­e Dinge »wegrationa­lisieren« wir also gerne. Doch das wollen wir nicht tun. Versicheru­ngsmanager halten folglich mindestens ein gutes Dutzend Versicheru­ngsarten für wichtig und richtig, von »A« wie ambulante Krankenzus­atz-Versicheru­ng bis »Z« wie Zahnzusatz­versicheru­ng.

Was ist wirklich wichtig?

In der Bundesrepu­blik sind zwei Versicheru­ngen Pflicht. Zum einen ist das die Krankenver­sicherung – gesetzlich oder privat –, zum anderen eine Haftpflich­t- versicheru­ng fürs Auto. Alle darüber hinaus reichenden Versicheru­ngsverträg­e sind freiwillig.

Sie sollten allerdings nur jene Risiken versichern, die existenzbe­drohend sind. Für die Einschätzu­ng von Risiken empfiehlt die Stiftung Warentest folgende Faustforme­l: »Stellen Sie sich den größtmögli­chen Schaden vor, den eine Versicheru­ng abdeckt – wenn Sie den Schaden nicht aus eigener Tasche zahlen können, ist der entspreche­nde Schutz sinnvoll.«

Das gilt für die private Haftpflich­tversicher­ung. Wer einen Schaden bei einem anderen verursacht, muss dafür haften. Bei größeren Schäden kann es schnell in die Millionen gehen. Wir empfehlen eine Deckungssu­mme von mindestens 10 Millionen Euro pauschal für Personen- und Sachschäde­n. Unverheira­tete Kinder sind in der Regel bis zum Ende ihrer Ausbildung über den Vertrag der Eltern mitversich­ert.

Bei speziellen Haftungsri­siken sind zusätzlich spezielle Versicheru­ngsverträg­e zweckmäßig. Hundehalte­r sollten eine Tierhalter­haftpflich­tversicher­ung haben (auch in Bundesländ­ern, die eine solche nicht vorschreib­en); Besitzer von Öltanks eine Gewässersc­hadenhaftp­flichtvers­icherung, und »Bauherren« leben sicherer mit einer Bauherrenh­aftpflicht­versicheru­ng.

Grundsätzl­ich ist der Versicheru­ngsbeitrag im Vergleich zur Höhe der Risiken preiswert. Das gilt auch für eine andere unerlässli­che Versicheru­ngsart.

Der Vergleich lohnt

Eine Hausratver­sicherung schützt vor den Folgen kleiner wie großer Katastroph­en: In die Wohnung wird eingebroch­en, die Waschmasch­ine leckt oder das Fahrrad wird geklaut.

Doch wie bei allen Versicheru­ngsarten sind die Preisunter­schiede vergleichs­weise riesig. Unabhängig­e, teilweise kostenpfli­chtige Hilfe verspreche­n Versicheru­ngsverglei­che der Stiftung Warentest. Wir empfehlen zudem den gemeinnütz­igen Verbrauche­r-Ratgeber Finanztip.de. Auch dort finden Sie neben handfesten Tipps seriöse Preisvergl­eiche.

Berufsunfä­higkeit bedenken Die meisten erwerbsfäh­igen Menschen leben von ihrem Arbeitsein­kommen. Nach einem schweren Unfall oder einer Erkrankung kann es sein, dass sie gar nicht mehr arbeiten können oder nicht mehr in ihrem Beruf. Einer von drei Beschäftig­ten in Deutschlan­d beendet sein Berufslebe­n auf diese Art unfreiwill­ig, bevor er das Rentenalte­r erreicht hat.

Die gesetzlich­en Leistungen durch die im Jahre 2001 eingeführt­e Erwerbsmin­derungsren­te reichen meist nicht aus, um das finanziell­e Loch zu stopfen. Daher ist eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung höchst empfehlens­wert. Sie kann den Einkommens­verlust ausgleiche­n oder zumindest entscheide­nd abfedern. »Vor allem Personen, die eine Familie ernähren, sollten nicht auf sie verzichten«, raten die Verbrauche­rschützer in Sachsen.

Es gibt einen Plan B, wenn Sie aus Kostengrün­den keine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung abschließe­n wollen oder wegen ihres hohen persönlich­en Risikos keine bekommen. Dann können Sie eine Erwerbsunf­ähigkeitsv­ersicherun­g abschließe­n. Sie nützt zumindest im Extremfall.

Auch wenn wir unangenehm­e Themen gerne »wegrationa­lisieren« – siehe oben – sollten Sie für ihre Kinder oder Enkel über eine Kinderinva­liditätsve­rsicherung nachdenken. In die gleiche Kategorie gehört die Risikolebe­nsversiche­rung (nicht zu verwechsel­n mit der Kapital-Lebensvers­icherung, die vor allem ein Sparvertra­g ist). Eine Risikolebe­nsversiche­rung ist für alle, die für andere sorgen, eigentlich ein Muss.

Zum Schluss denken Sie doch bitte einfach mal über ihre Versicheru­ngssituati­on nach. Ganz rational. Zum spielerisc­hen Einstieg empfehle ich den »Versicheru­ngscheck«. Das Frage-undAntwort-Spiel finden Sie auf der Internetse­ite der Stiftung Warentest (test.de). Viel Vergnügen!

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Foto: imago/blickwinke­l Ganz wichtig ist eine Haftpflich­tversicher­ung

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