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Justizflüc­htling

- Von Vanessa Fischer

Dass gute Freundscha­ft sich auszahlt, dürfte Nikola Gruevski spätestens klar sein, seit sein autoritäre­r Amtskolleg­e Viktor Orban dessen Hand schützend über ihn hält: Gestern erhielt der vor einer Woche nach Ungarn geflohene ehemalige mazedonisc­he Ministerpr­äsident dort den Status eines politische­n Flüchtling­s. Zuvor war der nationalis­tische Ex-Regierungs­chef in seiner Heimat zu einer zweijährig­en Haftstrafe wegen Korruption verurteilt worden. Weitere Verfahren wegen Amtsmissbr­auchs stehen aus.

Dabei hatte seine Karriere verheißung­svoll begonnen. Der ausgebilde­te Investment­banker galt lange als Modernisie­rer Mazedonien­s. Die EU lobte ihn für seine Korruption­sbekämpfun­g und sein Werben um Auslandsin­vestitione­n. Geboren wurde er 1970 in Mazedonien­s Hauptstadt Skopje. Nach der Trennung seiner Eltern zog er als Vierjährig­er mit seiner Mutter nach Libyen. Nach ihrer Rückkehr studierte Gruevski Wirtschaft­swissensch­aften in Mazedonien­s drittgrößt­er Stadt Bitola. 1996 hospitiert­e er an der Frankfurte­r Börse. Mit gerade einmal 29 Jahren wurde er zunächst Außenhande­ls-, später dann Finanzmini­ster. Im August 2006 übernahm er das Amt des Regierungs­chefs und trieb seitdem Mazedonien­s EU und Nato-Integratio­n voran. Hoch hinaus wollte er auch als Initiator des gigantisch­en Bauvorhabe­ns »Skopje2014«. Das geschichts­revisionis­tische Megaprojek­t, das der Hauptstadt einen neo-klassizist­ischen Anstrich verleihen sollte, löste heftige Kontrovers­en über Ressourcen­verschwend­ung und Korruption aus. Gleichzeit­ig machte er sich durch eine knallharte Flüchtling­s- und neoliberal­e Wirtschaft­spolitik bei der EU beliebt. Im kleinen Mazedonien schuf er Sonderwirt­schaftszon­en und führte eine Flat Tax, bei der Eingangs- und Spitzenste­uersatz identisch sind, ein.

Diese Zeiten sind vorbei: Anfang 2015 machte eine »Abhöraffär­e« seine kriminelle­n Machenscha­ften öffentlich und löste Proteste aus. Zwar musste Gruevski im Januar 2016 zurücktret­en, die ihm größtentei­ls ergebene Justiz zögerte das Verfahren gegen ihn jedoch bis jetzt hinaus.

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Foto: AFP/Robert Atanasovsk­i Nikola Gruevski hat in Ungarn Asyl bekommen.

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