Bis 2021 in der Weltspitze
Peter Schlickenrieder geht mit ziemlich großen Zielen in seine erste Saison als Bundestrainer der Skilangläufer
Fernsehexperte, Verbandsvizepräsident – und nun Cheftrainer: Der nimmermüde Peter Schlickenrieder soll den kriselnden deutschen Skilanglauf wieder flottmachen. Immer nach vorn, stets aufwärts: Peter Schlickenrieder lebt seinen neuen Schützlingen seine Philosophie konsequent vor. Ob mittendrin beim Sprinttraining inklusive Bauchlandungen oder bei einer Zugspitztour mit Biathletin Laura Dahlmeier für seinen alten Arbeitgeber ARD: Der neue starke Mann des deutschen Skilanglaufs gibt seit seinem Amtsantritt mächtig Gas. Schließlich ist der Mann vom Tegernsee mit keinem geringerem Ziel als Chefbundestrainer angetreten, als das deutsche Team wieder zu alter Stärke zu führen.
»Wenn wir die Schlagzahl beibehalten, sind wir spätestens bis 2021 wieder absolut weltspitzentauglich«, sagt der 48-Jährige vor dem Weltcupstart an diesem Wochenende am finnischen Polarkreis. Was nach zuletzt vier schwachen Jahren und drei Großereignissen ohne Medaille einerseits sehr mutig, andererseits aber auch nach dem dringend benötigten Umbruch klingt.
Auf die goldene Generation der »Nullerjahre«, zu der auch Schlickenrieder selbst mit Olympiasilber im Sprint 2002 gehörte, war eine ble- cherne gefolgt. Schleppend zog sich die Amtszeit des einstigen BiathlonErfolgstrainers Frank Ullrich bis zum Rücktritt 2015, auch die Doppelspitze aus Janko Neuber und Torstein Drivenes brachte nicht den erhofften Aufschwung. Für den soll nun der ultimative Hansdampf in allen Gassen sorgen. »Für mich ist der Job eine große Umstellung«, sagt Schlickenrieder, der nach seiner Karriere dem Langlauf als TV-Fachmann, Vizepräsident des Deutschen Skiverbands und Gründer einer Marketingagentur verbunden geblieben war: »Es macht aber Spaß, dass ich alles, was ich in den verschiedenen Tätigkeiten gelernt habe, jetzt einsetzen kann. Ich bin wieder da, wo der richtige Sport passiert.«
Nach der Saisonvorbereitung mit dem neuen Team ist die Euphorie riesig. »Die Testergebnisse haben gezeigt, dass alle vor Energie strotzen«, sagt Schlickenrieder: »Wir müssen eher schauen, dass wir die Spannung ein bisschen rausnehmen. Die Zielsetzung der Athleten ist extrem hoch, die neigen dazu, sich permanent zu überfordern, weil sie spüren, das etwas passiert.« So lief Thomas Bing bei einem Testrennen in Finnland jüngst auf Rang drei im Sprint. »Eine neue Personalie bringt neuen Schwung, und der Peter noch mal extra«, lässt sich auch Lucas Bögl gern mitreißen. »Das ist einfach sein Naturell, er ist sehr engagiert und dabei doch sehr jung geblieben. Er bringt frischen Wind.«
Allerdings weiß auch Schlickenrieder, dass er kein Wunderheiler ist und der DSV nicht schon bei der WM in Seefeld im kommenden Februar uneingeschränkt konkurrenzfähig sein wird. »Es wäre vermessen zu sagen, man dreht in einem Dreivierteljahr das Blatt komplett herum und läuft wieder um Medaillen mit. Das wäre auch nicht fair den Athleten gegenüber«, sagt der neue Trainer: »Wichtig ist, dass die Athleten sich auf einem guten Weg sehen. Das gibt Selbstvertrauen im Hinblick auf die WM 2021 in Oberstdorf.«
Beim Umbruch setzt Schlickenrieder zwangsläufig zunächst auf bereits bekannte Athleten. Die 37-jährige Stefanie Böhler hängt noch mal ein Jahr dran, Sandra Ringwald (28) im Sprint ist die einzige mit Podestchancen. Ein generelles Fragezeichen steht hingegen hinter der dauerangeschlagenen Nicole Fessel (35). Miriam Neureuther (28), unter ihrem Mädchennamen Gössner 2010 Staffelolympiazweite, ist nach der Rückkehr von Biathlon und Babypause noch keine Soforthilfe. »Sie ist mit Feuereifer dabei, aber schon noch ein Stück weg«, sagt Schlickenrieder: »Miri tritt dann an, wenn sie wieder Weltspitzenleistungen bringen kann. Die WM in Seefeld kommt zu früh – aber eine Weltmeisterschaft in Oberstdorf ist eine tolle Chance.«