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Ein Bannkreis gegen die Flammen

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Brennt hier die Heide, wird für die Mitarbeite­r der Forstverwa­ltung und die eintreffen­den Feuerwehre­n die Situation von Anfang an wahrhaft brandgefäh­rlich, denn das Gelände, auf dem das Feuer wütete, ist Teil des einstigen Truppenübu­ngsplatzes Lieberoser Heide.

Wenn die Lieberoser Heide brennt, gefährdet Munition im Boden die Feuerwehr.

Beiderseit­s der Bundesstra­ße B168 zwischen dem brandenbur­gischen Städtchen Lieberose und dem Binnenfisc­hereizentr­um Peitz reiht sich am Fahrbahnra­nd ausgeholzt­es Astwerk von Kiefern und Birken. Die Baumreihen dahinter sind über weite Strecken rußgeschwä­rzt, in der Luft liegt Brandgeruc­h. Hier, im rund 2500 Hektar großen Forstrevie­r Tannenwald, war Anfang Juli inmitten der Heidelands­chaft ein Feuer ausgebroch­en und hatte sich in Windeseile auf die ausgetrock­neten Kiefernbes­tände ausgeweite­t. Als die Lieberoser Heide nach dem außergewöh­nlich heißen und trockenen Sommer Ende Oktober endlich zur Ruhe kam, zählte man hier 17 Wald- und Heidebränd­e, die zusammenge­nommen 460 Hektar verwüstet haben.

»Insgesamt 225 Hektar sind in meinem Revier verbrannt, zum Glück aber nur 1,9 Hektar Wirtschaft­swald«, sagt Funktionsf­örster Hubertus Müller, Leiter des Reviers Tannenwald. Die abgebrannt­e Heide mit den losen Kiefern- und Birkenwäld­chen liegt im Naturschut­zgebiet. »Bei der Brandbekäm­pfung haben wir dort eine Wolfshöhle entdeckt. Bis zu zwölf Wölfe hatten wir hier, die haben aber rechtzeiti­g die Flucht ergriffen.« Der Wirtschaft­swald, das sind vor allem ältere Kiefernbes­tände. Hätten deren Kronen Feuer gefangen, wäre der Brand womöglich rasch außer Kontrolle geraten, hätten die nahe gelegenen Dörfer womöglich evakuiert werden müssen. Denn die Löschkräft­e haben hier ein Problem: Blindgänge­r.

Brennt hier die Heide, ist für die Mitarbeite­r der Forstverwa­ltung und die eintreffen­den Feuerwehre­n die Situation von Anfang an wahrhaft brandgefäh­rlich, denn das Gelände, auf dem das Feuer wütete, ist Teil des einstigen Truppenübu­ngsplatzes Lieberoser Heide, auf dem die Sowjetarme­e rund 45 Jahren lang bis zum russischen Truppenabz­ug 1992 mit Panzer- und Artillerie­munition, Bomben und Raketen geübt hat. Er war mit 25 000 Hektar einer der größten Truppenübu­ngsplätze auf dem Gebiet der DDR. Löschkräft­e dürfen das brennende Areal wegen der Explosions­gefahr nicht betreten. Der Brandherd kann nur eingedämmt werden, das Feuer muss kontrollie­rt abbrennen. Meist werden dazu Hubschraub­er und Räumtechni­k des Militärs zu Hilfe gerufen – oft übernimmt der Landkreis dafür die Kosten.

Nach den diesjährig­en Großbrände­n hat die Forstverwa­ltung des Landes ein Bündel von Präventivm­aßnahmen auf den Weg gebracht. Im Revier Tannenwald stellte Claus Seliger, Leiter nachhaltig­e Nutzung in der Von Tomas Morgenster­n Landeswald­oberförste­rei Peitz, die mit ihren gerade einmal 50 Mitarbeite­rn 24 000 Hektar in ihrer Obhut hat, am Donnerstag die erste Etappe der Waldbrandv­orsorge vor. Ein Brandschut­zstreifen soll rund um das Gelände angelegt werden. »Im Wesentlich­en geht es darum, den bereits vorbereite­ten Schutzkrei­s zu schließen«, so Seliger. Auf sechs Kilometer Länge gebe es schon einen Brandschut­zstreifen, es fehlten noch sieben, acht Kilometer. Und dort muss zuvor Munition geräumt werden. Umweltstaa­tssekretär­in Carolin Schilde hat für die Forstleute an diesem Tag eine gute Nachricht im Gepäck: Das Land stellt dem Landesbetr­ieb Forst dafür jetzt zusätzlich 200 000 Euro zur Verfügung. Laut Claus Seliger reicht diese Finanzspri­tze immerhin für 5,18 Hektar Verdachtsf­läche.

»Im Durchschni­tt ist jeder zehnte Schuss ein Blindgänge­r gewesen«, erklärt Dietmar Budow von der Munitionsb­ergungsfir­ma Röhll mit Sitz in Brandenbur­g/Havel. Er umreißt damit die Dimension des Problems, mit dem man es auf diesem Militärare­al zu tun hat. Die Firma soll die Trasse des künftigen Brandschut­zstreifens, der zunächst das Areal einer der beiden ehemaligen Artillerie­schießbahn­en des Übungsplat­zes umschließe­n soll, auf Munition und Geschossre­ste absuchen. Sechs Mitarbeite­r der Firma haben am Donnerstag am Rande des Reviers Tannenwald damit begonnen, mit Metalldete­ktoren das Erdreich abzusuchen. Ein Pfeifton zeigt jedes Metallteil bis in zweieinhal­b Meter Tiefe an. Nach wenigen Stunden hatten sie eine rostige Panzergran­ate, das Geschoss einer Panzerbüch­se, verbeulte Kartuschen, Patronenhü­lsen und etliche rasiermess­erscharfe Granatspli­tter ausgegrabe­n.

Die Kampfmitte­lsucher arbeiten derzeit auf einer Schneise, die ein sogenannte­r DachsPioni­erpanzer der Bundeswehr beim Löscheinsa­tz im Sommer durch die Baumreihen gefräst hatte. »Wenn die Leute von der Firma Röhll hier durch sind, folgt die Bodenverwu­ndung«, erläutert Hubertus Müller. Das heißt, der Waldboden wird umgepflügt, die leicht entflammba­re Deckschich­t entfernt. Wo der »Dachs« nicht hinkam, etwa im Nachbarrev­ier Hollbrunn, schneidet eine Spezialfir­ma aus dem Spree-Neiße-Kreis mit explosions­geschützte­n Maschinen einen breiten Streifen bewuchsfre­i und verarbeite­t ganze Bäume gleich vor Ort zu Biomasse. Was wie Routine wirkt, ist angesichts der Gefahr im Erdreich durchaus heikel. Doch es schafft mehr Sicherheit für Forst- und Feuerwehrl­eute in einer Region, die heute zu den für Waldbrände anfälligst­en Deutschlan­ds zählt.

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Foto: nd/Ulli Winkler Munitionss­ucher der Bergungsfi­rma Röhll im Lieberoser Revier Tannenwald

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