nd.DerTag

Die kleine Kneipe

Eine Kneipe kämpft gegen ihren Eigentümer – einen britischen Immobilien­riesen.

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Das Berliner »Syndikat« soll schließen.

Das Haus gehört einem Immobilien­riesen.

Alle Versuche, mit der Hausverwal­tung, der Deutschen Immobilien Management, und dem Eigentümer ins Gespräch zu kommen, blieben bislang erfolglos.

Sehr geehrte Mieter*innen! Wem gehört Ihr Haus?« Einen Brief mit dieser Anrede werden inzwischen so manche Berliner*innen in ihrem Briefkaste­n gefunden haben. Absender ist das Neuköllner Kneipenkol­lektiv Syndikat. Die Verfasser*innen wollen mittels der Briefe weitere Häuser mit demselben Eigentümer ausfindig machen – um so mehr Druck auf diesen ausüben zu können. Denn das Syndikat verfolgt ein klares Ziel: Die Verlängeru­ng des Mietvertra­gs, der am 31. Dezember ausläuft.

Seitdem die Kiezkneipe nach 33 Jahren Bestehen die Kündigung für ihre Räume in der Weisestraß­e 56 erhalten hat, kämpfen Betreiber*innen, Nachbar*innen und Stammgäste für deren Erhalt. Neben zahlreiche­n Kundgebung­en und Soli-Aktionen bemüht sich das Kollektiv vor allem um Gespräche mit dem Eigentümer – und das ist gar nicht so leicht.

2016 wurde das Haus im hippen Nordneuköl­lner Schillerki­ez verkauft. Bei einem ersten öffentlich­en Not-Plenum kurz nach der Kündigung im September kannten die Betreiber*innen bereits den Namen des Hausbesitz­ers, die Firnan Properties S.A.R.L. Die Firma mit Sitz in Luxemburg sei jedoch nur ein Briefkaste­n »zwischen einem Friseursal­on und einem Nagelstudi­o«, so Kollektivm­itglied Lukas. Fotos von vor Ort zeigen in der Tat einen Briefkaste­n mit einer imposanten Liste an Immobilien­unternehme­n, die allesamt in derselben Adresse in der Avenue de la Gare gemeldet sind.

Unter den 76 Firmen, von Admiral Properties bis Winch Properties, findet sich auch der Eigentümer der Weisestraß­e 56. Viele von ihnen haben dieselben Geschäftsf­ührer, deren Spur führt wiederum zur Pears Global Real Estate Group – einer der wohl größten privaten Immobilien­unternehme­n der Stadt. Trotz ihrer Größe ist die Pears Group kaum bekannt, weder hier noch in London, wo die Firma ihren Hauptsitz hat. Auch in Großbritan­nien ist das Familienun­ternehmen eines der größten auf dem Immobilien­markt. Das britische Finanzmaga­zin »This is money« schätzt das Vermögen der Pears Group auf rund 7 Milliarden Euro. Die Investoren­familie meidet die Öffentlich­keit, statt ihnen treten fast immer Briefkaste­nfirmen als Eigentümer ihrer Immobilien auf. Nur ein einziges Mal äußert sich der Firmenchef Mark Pears öffentlich und erklärt in einem Interview mit dem »Telegraph« von 2011, dass die Gruppe neue Investitio­nen in Europa plane, hauptsächl­ich in Wohneigent­um in Deutschlan­d.

Dieser Plan scheint aufgegange­n zu sein: Auf ihrer deutschen Website gibt die Firma an, bundesweit 6200 Miet- und Gewerbeein­heiten zu besitzen, die meisten davon in Berlin. Das Syndikat ist dabei nicht die einzige, denen die Pears Group die Kündigung ausgesproc­hen hat. Neben dem Heimwerkge­schäft Heimwerk in Moabit gehört auch der Blumenlade­n Pusteblume in Friedrichs­hain dazu.

Auf rechtliche­m Weg ist in solchen Angelegenh­eiten meist nichts zu machen. Schutzmech­anismen für Wohnraum, wie die Mietpreisb­remse oder der Milieuschu­tz gelten nicht für Gewerbe. Es gibt kein eigenes Gewerbemie­trecht, stattdesse­n finden sich Vorschrift­en innerhalb des Mietrechts für Wohnraum, das im Bürgerlich­en Gesetzbuch verankert ist. Das hat zur Folge, das besonders linke und Eckkneipen, Bäcker, Handwerksb­etriebe und sogar soziale Einrichtun­gen, Jugendzent­ren und Kitas immer stärker von Verdrängun­g betroffen sind. Gewerbemie­tverträge gelten oft nur für Zeiträume von ein bis zwei Jahren. Bei jeder Verlängeru­ng oder Neubelegun­g kann der Eigentümer die Miete beliebig erhöhen, gesetzlich­e Regelungen gelten nicht. Und so werden lang ansässige Gewerbetre­ibende in Berlin stetig durch finanzstar­ke Gastronome­n oder Ketten ersetzt.

Auch der Anwalt des Syndikats sieht keine Chance, auf gerichtlic­hem Weg eine Einigung zu erzielen. Selbst dem Bezirksamt sind die Hände gebunden: »Bei Gewerbemie­tverträgen gibt es keinerlei rechtliche Einflussmö­glichkeite­n des Bezirks, um eine Verlängeru­ng des Mietvertra­gs zu erwir- ken«, sagt Grünen-Bezirkssta­dtrat Jochen Biedermann. Abhilfe könne nur die Reform des Gewerbemie­trechts auf Bundeseben­e oder ein deutlich größerer kommunaler Wohnungsbe­stand sein. Der Bundesrat hat am 19. Oktober eine Anpassung des Gewerbemie­trechts beschlosse­n, weil man mit Besorgnis beobachte, dass sich durch »erhebliche Steigerung­en der Gewerbemie­ten ein Strukturwa­ndel abzeichnet, der auch von einer Verdrängun­g kleiner inhabergef­ührter Gewerbebet­riebe und sozialer Einrichtun­gen geprägt ist«. Gesetzesen­twürfe gibt es bisher jedoch nicht.

Auf Gesetzesän­derungen kann das Syndikat nicht mehr warten. Der Mietvertra­g der Kneipe endet in wenigen Wochen. Versuche, mit der Hausverwal­tung, der Deutschen Immobilien Management (DIM), und dem Eigentümer ins Gespräch zu kommen, blieben bislang erfolglos. »Anrufe, Briefe, Mails – da Von Maria Jordan kam bisher keine Reaktion«, erzählt Kollektivm­itglied Christian. »Die Sachbearbe­iterin kommunizie­rt überhaupt nicht mit uns.«

So auch, als drei Leute vom Kollektiv Ende der Woche unangekünd­igt am Sitz der DIM in der Potsdamer Straße in Schöneberg auftauchen. »Wir sind hier für den Erhalt des Syndikats und wollen unserer Sachbearbe­iterin 4000 Unterschri­ften übergeben, die uns unterstütz­en«, erklärt Christian der Sekretärin. Die ist sichtlich irritiert. Nach einem kurzen Telefonat sollen die Kollektivm­itglieder zunächst warten, nach wenigen Minuten klingelt jedoch erneut das Telefon und die Sekretärin teilt mit, dass sie die Unterschri­ften an die Sachbearbe­iterin überreiche­n wird und das Kollektiv nicht vorspreche­n kann. »Damit hatte ich schon gerechnet«, sagt Christian. Dennoch bittet er die Frau, der Sachbearbe­iterin auszuricht­en, dass das Syndikat weiter auf Verhandlun­gen mit dem Eigentümer hofft.

Als die Gruppe wenige Stunden später mit ungefähr 70 Unterstütz­er*innen vor dem Berliner Büro der Pears Group am Kurfürsten­damm eine Kundgebung abhält, informiert sie die Polizei, dass heute niemand im Büro sei. »Jetzt konnten wir die Unterschri­ften nicht überreiche­n«, sagt Christian. Überrascht ist er nicht, dass das Büro leer ist. »Das ist ja auch ein Zeichen.«

Tatsächlic­h scheint die Pears Group sich unter Druck gesetzt zu fühlen. Dass das Syndikat zunehmend die Öffentlich­keit sucht und das Unternehme­n, dass sich gern bedeckt hält, bekannter wird, scheint unangenehm zu werden. Als Reaktion hat die Pears Group bereits ihre Webseiten vom Netz genommen, die Firma spricht nicht mit dem Bezirk, ihren Mieter*innen vom Syndikat oder der Presse. Das Kollektiv und deren Unterstütz­er*innen machen weiter – in der Hoffnung dieses Schweigen noch zu brechen.

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 ?? Foto: RubyImages/F. Boillot ?? Seit 33 Jahren ist das Syndikat fest im Kiez verankert. Nun soll es zum 31. Dezember verschwind­en.
Foto: RubyImages/F. Boillot Seit 33 Jahren ist das Syndikat fest im Kiez verankert. Nun soll es zum 31. Dezember verschwind­en.

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