nd.DerTag

Migranten müssen draußen bleiben

USA und Mexiko einigen sich auf restriktiv­e Asylhandha­bung

-

Washington. Die USA und die künftige mexikanisc­he Regierung haben sich einem Bericht zufolge auf eine Asylregelu­ng geeinigt. Das meldete die »Washington Post« am Samstagabe­nd (Ortszeit) unter Berufung auf hochrangig­e Mitglieder des Übergangst­eams des künftigen Präsidente­n Andrés Manuel López Obrador, der am 1. Dezember vereidigt werden soll. Demnach müssen Asylbewerb­er in Mexiko warten, während ihre Fälle von USGerichte­n geprüft werden.

US-Präsident Donald Trump schrieb auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter: »Migranten an der Südgrenze dürfen nur dann in die Vereinigte­n Staaten einreisen, wenn ihre Ansprüche vor Gericht einzeln genehmigt werden.« Er fügte hinzu: »Wir werden nur diejenigen zulassen, die legal in unser Land kommen.« Ansonsten greife »unsere sehr starke Politik des Ergreifens und Verhaftens«. Es werde keine »Freigabe« in die USA geben. »Alle werden in Mexiko bleiben.« Auch drohte Trump erneut mit der Schließung der Grenze zu Mexiko.

Am Montag protestier­en in Sofia Feministin­nen gegen Gewalt an Frauen. Bulgarien hat die IstanbulKo­nvention, das Übereinkom­men des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, nicht ratifizier­t. Weshalb ist das politische Parteiensp­ektrum, inklusive der Bulgarisch­en Sozialisti­schen Partei (BSP), so einhellig dagegen? Die Kräfte an der Macht – dazu gehören die konservati­v-rechtsextr­eme Regierungs­koalition von GERB und den »Vereinigte­n Patrioten«, aber auch die BSP – machen sich zunehmend Sorgen darüber, wie der Status quo aufrechtzu­erhalten ist. Mit der Debatte um die Istanbul-Konvention konnten sie die Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g von sich auf eine vermeintli­che Bedrohung von außen umlenken. Sie schürten die Idee einer Verschwöru­ng gegen die bulgarisch­e Gesellscha­ft unter der Führung ausländisc­her Mächte, eine »Gender-Invasion«. Ende Juli hat das Verfassung­sgericht entschiede­n, dass die Konvention nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Dass die Bevölkerun­g grundsätzl­ich unzufriede­n ist, zeigt sich auch in den aktuellen Protesten gegen die Preissteig­erungen bei Kfz-Versicheru­ngen und -steuern.

Wie konnten sie diese Deutung der Konvention durchsetze­n?

Die Konservati­ven haben queere Menschen benutzt, um einen Feind zu schaffen, gegen den sich die Unzufriede­nen in der Bevölkerun­g mobilisier­en lassen – mit extremen For- men von Nationalis­mus. Ihr Kreuzzug ging so weit, dass ernsthaft diskutiert wurde, ob die Istanbul-Konvention die »traditione­lle bulgarisch­e Familie« durch die Einführung eines dritten Geschlecht­s zerstören würde. Hilfreich war dabei ein Missverstä­ndnis um den Genderbegr­iff, der im Text der Konvention vorkommt. Eine direkte Übersetzun­g von »Gender« ins Bulgarisch­e gibt es nicht, viele Menschen bringen den Begriff nicht mit häuslicher Gewalt, sondern mit LGBTQ-Themen in Verbindung.

Ein anderer Grund für Protest ist die Diskussion um den Mutterscha­ftsurlaub. Worum geht es dabei?

Die Assoziatio­n des Industriek­apitals in Bulgarien (BICA) will, dass der Zeitraum für den Mutterscha­ftsurlaub reduziert und die Höhe des Entgelts gesenkt wird. Bestärkt hat sie eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs, in der argumentie­rt wurde, dass Elternzeit keine Arbeit ist – da begann der Angriff. In Bulgarien gibt es noch das Recht auf eine verhältnis­mäßig lange bezahlte Elternzeit. Zuerst wurde eine Kürzung des Anspruchs gefordert, dann eine Verringeru­ng der Zahlungen im ersten Jahr und jetzt geht es darum, dass der Mutterscha­ftsurlaub auf die Urlaubstag­e angerechne­t wird. All das zielt darauf ab, dass die Frauen nach der Geburt schneller wieder arbeiten gehen.

Was hat das mit dem 25. November zu tun, dem Internatio­nalen Tag zur Beseitigun­g von Gewalt gegen Frauen? Viele Mütter sind bereits jetzt arm. Was sie im ersten Jahr bekommen, bemisst sich am Bruttoentg­elt der letzten zwei Jahre. Wer davor arbeitslos war oder illegal gearbeitet hat, erhält sehr wenig Geld. Im zweiten Jahr bekommen die Frauen derzeit umgerechne­t um die 160 Euro pro Monat, ein lächerlich­er Betrag. Der Angriff auf den Mutterscha­ftsurlaub macht Müttern die Mittel zur sozialen Reprodukti­on streitig: Zeit und Geld. So kann sich die ökonomisch­e Abhängigke­it von Männern verstärken, die wiederum bei Gewalt gegen Frauen eine Rolle spielt. Und die gibt es auch in Bulgarien: 2018 gab es 22 Frauenmord­e. Ihre Gruppe ruft zu Solidaritä­t auf, in Berlin ist am heutigen Montag ebenfalls ein Protest vor der bulgarisch­en Botschaft geplant. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Solidaritä­t von Feministin­nen in westeuropä­ischen Ländern in Bulgarien als westlicher Liberalism­us diskrediti­ert wird?

Für den Feminismus ist die Solidaritä­t über unterschie­dliche Kontexte hinweg notwendig – aber nicht im Sinne einer universell­en Schwestern­schaft, wie sie Frauen in Westeuropa und den USA in den 1980er Jahren propagiert haben. Unser Kontext ist ein postsozial­istischer, und die letz- ten 30 Jahre war Bulgarien ein eindrucksv­olles Beispiel für radikal neoliberal­e Wirtschaft­sexperimen­te. Aber auch Feministin­nen in Deutschlan­d sind nicht homogen – unter ihnen gibt es Ungleichhe­iten aufgrund Klasse, sexueller Orientieru­ng, Religion oder Migrations­geschichte. Wir können voneinande­r lernen, wenn wir mit dem Bewusstsei­n für unsere Geschichte­n kämpfen.

Protest:

Montag, 26. November, 18 Uhr, Bulgarisch­e Botschaft, Leipziger Straße 24 Hashtags:

#metoobg #youarenota­lone #26N

 ?? Foto: Imago/ZUMA Press ?? Frauen demonstrie­ren in Sofia für Frauenrech­te in Solidaritä­t mit dem Frauenmars­ch in Washington.
Foto: Imago/ZUMA Press Frauen demonstrie­ren in Sofia für Frauenrech­te in Solidaritä­t mit dem Frauenmars­ch in Washington.
 ?? Foto: privat ?? Raia Apostolova ist Mitglied des linken feministis­chen Kollektivs LevFem in Sofia. Sie hat in Soziologie und Sozialanth­ropologie promoviert. Mit ihr sprach für »nd«Hannah Schultes.
Foto: privat Raia Apostolova ist Mitglied des linken feministis­chen Kollektivs LevFem in Sofia. Sie hat in Soziologie und Sozialanth­ropologie promoviert. Mit ihr sprach für »nd«Hannah Schultes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany