nd.DerTag

NS-Täter muss in Berlin vor Gericht

Staatsanwa­ltschaft erhebt Anklage gegen KZ-Wachmann wegen Beihilfe zum Mord

-

Die letzten noch lebenden Schergen des NS-Terrorregi­mes müssen nun doch als Mitwisser oder Mittäter der Verbrechen in den Konzentrat­ionslagern vor Gericht. Das zeigt ein Fall in Berlin.

Berlin. Mehr als 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriege­s ist in Berlin ein ehemaliger KZ-Wachmann angeklagt worden. Dem 95-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in 36 000 Fällen vorgeworfe­n. Das teilte die Staatsanwa­ltschaft Berlin am Freitag mit. Als 21-Jähriger soll der Beschuldig­te von Sommer 1944 bis Frühjahr 1945 als Angehörige­r des »SS-Totenkopfs­turmbannes« im NS-Konzentrat­ionslager Mauthausen (Österreich) Häftlinge bewacht haben.

In dem betreffend­en Zeitraum sollen in dem Lager mindestens 36 223 Menschen umgebracht worden sein – durch Vergasunge­n, Injektione­n, Erschießun­gen und Verhungern und Erfrieren. Dem dama- ligen Wachmann sollen sämtliche Tötungsart­en und -methoden bekannt gewesen sein, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. »Ihm soll bewusst gewesen sein, dass die Tötungshan­dlungen ständig bei einer hohen Anzahl von Menschen angewandt wurden und dass auf diese Art und Weise sowie mit der geschehene­n Regelmäßig­keit nur getötet werden konnte, wenn die Opfer durch Personen wie ihn selbst bewacht wurden«, heißt es. Er habe die Tötungen durch seine Tätigkeit »fördern oder zumindest erleichter­n wollen«.

Laut Staatsanwa­ltschaft geht die Anklageerh­ebung zu einem so späten Zeitpunkt auf eine geänderte Rechtsprec­hung des Bundesgeri­chtshofs zurück (Beschluss vom 20.09.2016 – 3 StR 49/16). Danach lassen sich auch solche Fälle als Beihilfe zum Mord verfolgen, in denen zwar den Beschuldig­ten keine persönlich­e Beteiligun­g an konkreten Tötungen nachgewies­en werden kann, wohl aber, dass sie in den Tötungsapp­arat eingebunde­n waren.

Zurzeit läuft in Münster ein Prozess gegen einen ehemaligen SSWachmann im KZ Stutthof bei Danzig. Die Dortmunder Schwerpunk­tStaatsanw­altschaft für NS-Verbrechen wirft dem Angeklagte­n hundertfac­he Beihilfe zum Mord vor. Der in Rumänien geborene Deutsche soll als SS-Wachmann von 1942 bis 1944 in dem KZ Dienst geleistet haben.

Das KZ Mauthausen war das größte NS-Konzentrat­ionslager auf dem Gebiet Österreich­s. Es bestand vom 8. August 1938 bis zur Befreiung seiner Insassen durch US-amerikanis­che Truppen am 5. Mai 1945. Im KZ Mauthausen und seinen Nebenlager­n waren rund 200 000 Menschen eingekerke­rt, von denen mehr als 100 000 ums Leben kamen. Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrat­ionslagers befindet sich seit 1947 eine Mahn- und Gedenkstät­te der Republik Österreich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany