CDU formuliert unklare Grundsätze
Parteichef Ingo Senftleben will Bildungspolitik zum Wahlkampfthema Nummer eins machen
Eine Formulierung zum Kulturbegriff schrieb die märkische CDU aus dem Grundsatzprogramm der CSU ab, aber insgesamt bemüht sie sich um eine gewisse Modernität. »Wir brauchen keine Grünen«, denkt Saskia Ludwig, CDU-Kreisvorsitzende in Potsdam-Mittelmark. Warum? Weil es Christdemokraten seien, die in ihrem Landkreis den Wald beschützen. Dass es einmal so kommen würde, hätte Saskia Ludwig früher nicht geglaubt. Das sagt sie am Freitagabend beim CDU-Landesparteitag auf dem Spargelhof in Klaistow.
Aber der geschilderte Fall lässt sich noch leicht erklären. So ungewöhnlich ist das eigentlich nicht. Denn hier in der Nähe von Beelitz, Borkheide und Borkwalde stehen schon Windräder, und es sollen weitere Windkraftanlagen in den Wald gesetzt werden und erneuerbare Energie ins Stromnetz einspeisen. Dafür Bäume zu opfern, dagegen sind sehr viele Anwohner, die verschiedenen Parteien zuneigen. Es geht ihnen aber nicht nur um die Bäume. Sie befürchten auch, dass sich die riesigen Rotorblätter der Windkraftanlagen bei einem Waldbrand lösen und in ihre Eigenheime hineinkrachen könnten. In die Front der Gegner der Windräder haben sich auch Mitglieder der CDU eingereiht. So sind sie zu Naturschützern geworden, so haben sie ihre Partei in gewisser Hinsicht zu einer Ökopartei gemacht.
Doch in anderen Fragen ändert sich die brandenburgische CDU viel deutlicher, viel eindeutiger. Besonders die Parteispitze ist ein Stück weit moderner geworden. Das sorgt an der Basis aber auch für Bedenken. Nun gibt sich der Landesverband zur Selbstvergewisserung ein neues Grundsatzprogramm, in dem er die Werte niederlegt, für die er eintreten will. Der Parteitag in Klaistow beschließt dieses Grundsatzprogramm nach umfänglichen Abstimmungen über Änderungsanträge mit lediglich vereinzelten Enthaltungen und Gegenstimmen.
Trotz dieser offenbaren Geschlossenheit erweist sich das Grundsatzprogramm als Balanceakt. Denn das 26 Seiten umfassende Papier versucht immer wieder den Spagat: Bekenntnis zum Konservatismus auf der einen Seite, auf der anderen das Bemühen, den Anschluss nicht zu verpassen, die junge Generation nicht zu verlieren und auch nicht jene Wählerschichten, die dadurch gewonnen wurden, dass die CDU ein Stück weit in die Mitte rückte. Aber auch am rechten Rand möchte die CDU der AfD nicht noch mehr Platz machen, als sie es bereits getan hat.
So heißt es im Grundsatzprogramm: Tradition und Moderne, Heimat und Weltoffenheit – von anderen als unversöhnliche Gegensätze gesehen – wolle die brandenburgische CDU zusammenführen. Ein Beispiel für dieses ewige Einerseits und Andererseits: »Wir bekennen uns zum Recht auf Asyl«, heißt es erst, dann jedoch: »Aber wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns wollen.«
Michael Ney ist dieses Lavieren zu wenig. Er vermisst den Begriff »deutsche Leitkultur« und poltert in der Diskussion über Änderungsanträge, man müsse sich entscheiden, die Grenzen für die illegale Einwanderung zu schließen oder den Sozialstaat abzuschaffen. Da er einmal in Fahrt ist, schimpft Ney gleich noch über das Liebäugeln mit einer Koalition mit den Sozialisten. »Kommunisten sind keine Demokraten, auch wenn sie demokratisch gewählt sind«, ruft Ney. Dabei sei es egal, ob sie sich KPD, SPD oder LINKE nennen würden. Die Delegierten sprechen sich später dafür aus, weder mit der Linkspartei noch mit der AfD zu paktieren.
Michael Ney ist bekannt für Hardliner-Positionen. Typisch für die brandenburgische CDU ist er nicht. Denn selbst beim »C« im Parteinamen ist die CDU nicht allzu streng. Brandenburg sei ein »vom Christentum geprägtes Land«, hält das Grundsatzprogramm zwar fest, wenngleich nur etwa 18,5 Prozent der Bevölkerung Christen sind. Dennoch, so ver- sichern die Christdemokraten versöhnlerisch, »haben bei uns selbstverständlich andere Religionen Platz«.
Mal ist die CDU im Grundsatzprogramm vorbehaltlos modern und erkennt: »Eine zeitgemäße Familienpolitik muss verschiedenen Lebensmodellen gerecht werden, der traditionellen Familie aus Mutter, Vater und Kindern ebenso wie Alleinerziehenden, gleichgeschlechtlichen Paaren oder Patchwork-Familien.« Dann heißt es aber auch sicherheitshalber ganz generell: »Wir werfen Bewähr- Ingo Senftleben, CDU-Landesvorsitzender tes und Etabliertes nicht vorschnell über Bord.« Nicht von ungefähr wurde auch ein – allerdings vergeblicher – Antrag eingereicht, das Grundsatzprogramm auf Eis zu legen, da sich das Papier durch eine gewisse Beliebigkeit auszeichne.
So blickt die CDU nach vorn, ins Jahr 2019, auf den 1. September, den Termin der Landtagswahl. »Es muss gelingen, die rückwärtsgewandte und ideologische Politik von Rot-Rot zu beenden«, formulierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem schriftlich ausgeteilten Grußwort an den Parteitag. Merkels Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ist zum Spargelhof gekommen, zieht zu einem Rocksong in den Tagungssaal ein, von rhythmisch klatschenden Delegierten begeistert begrüßt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sei zwar »nett«, gibt sie zu. Aber Brandenburg müsse einen Regierungschef bekommen, der »nett ist und etwas von Politik versteht«, sagt Kramp-Karrenbauer.
Damit meint sie CDU-Landeschef Ingo Senftleben. Der möchte als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf ziehen. »Wir können und werden die SPD im nächsten Jahr ablösen«, macht er sich und seinen Parteifreunden Mut. Er verrät auch schon, wie er seine Kampagne gestalten will. Mit Bildungspolitik könne man Wahlen nicht gewinnen, höchstens verlieren, heiße es zwar. Doch er wolle beweisen, dass dies nicht stimme und die Bildung zum Thema Nummer eins machen, kündigt Senftleben in Klaistow an.
Was für eine Bildungspolitik der CDU vorschwebt, ist im Grundsatzprogramm nun auch nachzulesen. »Eine ideologisch motivierte Gleichmacherei auf Kosten der Kinder und Jugendlichen lehnen wir ab«, heißt es da. Noten soll es geben und Beurteilungen.
Abgesehen vom Grundsatzprogramm behandelte der Parteitag auch Anträge, die Straßenausbaubeiträge in Brandenburg komplett abzuschaffen oder nur zu reduzieren. Die Variante Abschaffung setzte sich durch.
»Wir können und werden die SPD im nächsten Jahr ablösen.«