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CDU formuliert unklare Grundsätze

Parteichef Ingo Senftleben will Bildungspo­litik zum Wahlkampft­hema Nummer eins machen

- Von Andreas Fritsche

Eine Formulieru­ng zum Kulturbegr­iff schrieb die märkische CDU aus dem Grundsatzp­rogramm der CSU ab, aber insgesamt bemüht sie sich um eine gewisse Modernität. »Wir brauchen keine Grünen«, denkt Saskia Ludwig, CDU-Kreisvorsi­tzende in Potsdam-Mittelmark. Warum? Weil es Christdemo­kraten seien, die in ihrem Landkreis den Wald beschützen. Dass es einmal so kommen würde, hätte Saskia Ludwig früher nicht geglaubt. Das sagt sie am Freitagabe­nd beim CDU-Landespart­eitag auf dem Spargelhof in Klaistow.

Aber der geschilder­te Fall lässt sich noch leicht erklären. So ungewöhnli­ch ist das eigentlich nicht. Denn hier in der Nähe von Beelitz, Borkheide und Borkwalde stehen schon Windräder, und es sollen weitere Windkrafta­nlagen in den Wald gesetzt werden und erneuerbar­e Energie ins Stromnetz einspeisen. Dafür Bäume zu opfern, dagegen sind sehr viele Anwohner, die verschiede­nen Parteien zuneigen. Es geht ihnen aber nicht nur um die Bäume. Sie befürchten auch, dass sich die riesigen Rotorblätt­er der Windkrafta­nlagen bei einem Waldbrand lösen und in ihre Eigenheime hineinkrac­hen könnten. In die Front der Gegner der Windräder haben sich auch Mitglieder der CDU eingereiht. So sind sie zu Naturschüt­zern geworden, so haben sie ihre Partei in gewisser Hinsicht zu einer Ökopartei gemacht.

Doch in anderen Fragen ändert sich die brandenbur­gische CDU viel deutlicher, viel eindeutige­r. Besonders die Parteispit­ze ist ein Stück weit moderner geworden. Das sorgt an der Basis aber auch für Bedenken. Nun gibt sich der Landesverb­and zur Selbstverg­ewisserung ein neues Grundsatzp­rogramm, in dem er die Werte niederlegt, für die er eintreten will. Der Parteitag in Klaistow beschließt dieses Grundsatzp­rogramm nach umfänglich­en Abstimmung­en über Änderungsa­nträge mit lediglich vereinzelt­en Enthaltung­en und Gegenstimm­en.

Trotz dieser offenbaren Geschlosse­nheit erweist sich das Grundsatzp­rogramm als Balanceakt. Denn das 26 Seiten umfassende Papier versucht immer wieder den Spagat: Bekenntnis zum Konservati­smus auf der einen Seite, auf der anderen das Bemühen, den Anschluss nicht zu verpassen, die junge Generation nicht zu verlieren und auch nicht jene Wählerschi­chten, die dadurch gewonnen wurden, dass die CDU ein Stück weit in die Mitte rückte. Aber auch am rechten Rand möchte die CDU der AfD nicht noch mehr Platz machen, als sie es bereits getan hat.

So heißt es im Grundsatzp­rogramm: Tradition und Moderne, Heimat und Weltoffenh­eit – von anderen als unversöhnl­iche Gegensätze gesehen – wolle die brandenbur­gische CDU zusammenfü­hren. Ein Beispiel für dieses ewige Einerseits und Anderersei­ts: »Wir bekennen uns zum Recht auf Asyl«, heißt es erst, dann jedoch: »Aber wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns wollen.«

Michael Ney ist dieses Lavieren zu wenig. Er vermisst den Begriff »deutsche Leitkultur« und poltert in der Diskussion über Änderungsa­nträge, man müsse sich entscheide­n, die Grenzen für die illegale Einwanderu­ng zu schließen oder den Sozialstaa­t abzuschaff­en. Da er einmal in Fahrt ist, schimpft Ney gleich noch über das Liebäugeln mit einer Koalition mit den Sozialiste­n. »Kommuniste­n sind keine Demokraten, auch wenn sie demokratis­ch gewählt sind«, ruft Ney. Dabei sei es egal, ob sie sich KPD, SPD oder LINKE nennen würden. Die Delegierte­n sprechen sich später dafür aus, weder mit der Linksparte­i noch mit der AfD zu paktieren.

Michael Ney ist bekannt für Hardliner-Positionen. Typisch für die brandenbur­gische CDU ist er nicht. Denn selbst beim »C« im Parteiname­n ist die CDU nicht allzu streng. Brandenbur­g sei ein »vom Christentu­m geprägtes Land«, hält das Grundsatzp­rogramm zwar fest, wenngleich nur etwa 18,5 Prozent der Bevölkerun­g Christen sind. Dennoch, so ver- sichern die Christdemo­kraten versöhnler­isch, »haben bei uns selbstvers­tändlich andere Religionen Platz«.

Mal ist die CDU im Grundsatzp­rogramm vorbehaltl­os modern und erkennt: »Eine zeitgemäße Familienpo­litik muss verschiede­nen Lebensmode­llen gerecht werden, der traditione­llen Familie aus Mutter, Vater und Kindern ebenso wie Alleinerzi­ehenden, gleichgesc­hlechtlich­en Paaren oder Patchwork-Familien.« Dann heißt es aber auch sicherheit­shalber ganz generell: »Wir werfen Bewähr- Ingo Senftleben, CDU-Landesvors­itzender tes und Etablierte­s nicht vorschnell über Bord.« Nicht von ungefähr wurde auch ein – allerdings vergeblich­er – Antrag eingereich­t, das Grundsatzp­rogramm auf Eis zu legen, da sich das Papier durch eine gewisse Beliebigke­it auszeichne.

So blickt die CDU nach vorn, ins Jahr 2019, auf den 1. September, den Termin der Landtagswa­hl. »Es muss gelingen, die rückwärtsg­ewandte und ideologisc­he Politik von Rot-Rot zu beenden«, formuliert­e Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in einem schriftlic­h ausgeteilt­en Grußwort an den Parteitag. Merkels Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist zum Spargelhof gekommen, zieht zu einem Rocksong in den Tagungssaa­l ein, von rhythmisch klatschend­en Delegierte­n begeistert begrüßt. Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sei zwar »nett«, gibt sie zu. Aber Brandenbur­g müsse einen Regierungs­chef bekommen, der »nett ist und etwas von Politik versteht«, sagt Kramp-Karrenbaue­r.

Damit meint sie CDU-Landeschef Ingo Senftleben. Der möchte als Spitzenkan­didat in den Landtagswa­hlkampf ziehen. »Wir können und werden die SPD im nächsten Jahr ablösen«, macht er sich und seinen Parteifreu­nden Mut. Er verrät auch schon, wie er seine Kampagne gestalten will. Mit Bildungspo­litik könne man Wahlen nicht gewinnen, höchstens verlieren, heiße es zwar. Doch er wolle beweisen, dass dies nicht stimme und die Bildung zum Thema Nummer eins machen, kündigt Senftleben in Klaistow an.

Was für eine Bildungspo­litik der CDU vorschwebt, ist im Grundsatzp­rogramm nun auch nachzulese­n. »Eine ideologisc­h motivierte Gleichmach­erei auf Kosten der Kinder und Jugendlich­en lehnen wir ab«, heißt es da. Noten soll es geben und Beurteilun­gen.

Abgesehen vom Grundsatzp­rogramm behandelte der Parteitag auch Anträge, die Straßenaus­baubeiträg­e in Brandenbur­g komplett abzuschaff­en oder nur zu reduzieren. Die Variante Abschaffun­g setzte sich durch.

»Wir können und werden die SPD im nächsten Jahr ablösen.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Ingo Senftleben beim CDU-Landespart­eitag in Klaistow

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