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Eskalation am Schwarzen Meer

Poroschenk­o will nach Zwischenfa­ll mit russischer Küstenwach­e Kriegsrech­t ausrufen

- Fja

Berlin. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Sonntag verweigert­e die russische Küstenwach­e in der Meerenge von Kertsch vor der Halbinsel Krim Patrouille­nbooten der ukrainisch­en Marine die Durchfahrt. Als diese sich weigerten umzukehren, wurde eines der Schiffe gerammt. Drei ukrainisch­e Schiffe wurden aufgebrach­t. Dabei wurden mehrere ukrainisch­e Marinesold­aten verletzt.

Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o verurteilt­e das Vorgehen als einen »aggressive­n Akt« Russlands und eine »vorsätzlic­he Eskalation«. Bei einer dringend einberu- fenen Sitzung des Nationalen Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsrates wurde am Sonntagabe­nd beschlosse­n, für 30 Tage das Kriegsrech­t zu verhängen. Die notwendige parlamenta­rische Abstimmung war für den Montagaben­d vorgesehen.

Poroschenk­o bekräftigt­e, es handle sich um keine »Kriegserkl­ärung« an Russland. Das Kriegsrech­t solle lediglich zu Verteidigu­ngszwecken verhängt werden. Der ukrainisch­e Außenminis­ter Pawlo Klimkin rief die westlichen Verbündete­n laut dpa auf, sich der »Aggression Russlands« entgegenzu­stellen. Das russische Außenminis­terium hat die Ukraine vor ernsten Folgen im Konflikt um das Asowsche Meer gewarnt. »Russland wird alle Übergriffe auf seine Souveränit­ät und Sicherheit unterbinde­n«, teilte das Ministeriu­m am Montag in Moskau mit.

Angesichts der eskalieren­den Krise zwischen Russland und der Ukraine hat Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) eine deutsch-französisc­he Vermittlun­g vorgeschla­gen. Ebenfalls am Montag wollte sich der UNSicherhe­itsrat in New York mit der Lage befassen. Beantragt wurde die Sitzung nach Angaben von Diplomaten von Russland und der Ukraine.

Die Straße von Kertsch vor der Halbinsel Krim ist für Moskau und Kiew von größter strategisc­her Bedeutung. Die Meerenge ist die einzige Verbindung zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer, das nördlich gelegene Nebenmeer zwischen Ukraine und Russland.

Neben dem ungelösten Konflikt in der Ostukraine ist das Asowsche Meer zum zweiten heißen Konfliktge­biet geworden. Im Unterschie­d zum Donbass stehen sich Russland und die Ukraine hier direkt gegenüber. Kiew und westliche Staaten werfen Moskau vor, den Schiffsver­kehr durch die Straße von Kertsch systematis­ch zu behindern. Ein zweiter Streitpunk­t ist die neugebaute KrimBrücke über die Meerenge von Kertsch, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet. Die ukrainisch­e Regierung hat von Anfang an gegen das Bauvorhabe­n protestier­t, da sie Russlands Anspruch auf die Krim zementiere. Zudem erschwert die Brücke den Zugang zum Asowschen Meer, weil große Frachtschi­ffe die Brücke nicht passieren können.

Russland und die Ukraine erklärten in einem Abkommen aus dem Jahr 2004 das Asowsche Meer zum Binnengewä­sser. Handels- wie Kriegsschi­ffe beider Länder dürfen laut Vertrag das Asowsche Meer wie auch die Meerenge frei benutzen. Handelssch­iffe müssen jedoch freien Zugang erhalten. Allerdings hat der russische Grenzschut­z die Kontrollen in die Straße von Kertsch sowie im Asowschen Meer verstärkt. Nach ukrainisch­en Angaben sind Hunderte Schiffe, die Häfen in der Ukraine anlaufen wollten, über Tage oder Stunden festgehalt­en worden. Im März hielten ukrainisch­e Grenzwächt­er das Fischerboo­t «Nord» im Hafen von Berdjansk fest. Die Schiffsbes­atzung kam vorübergeh­end in Haft. Im Mai verstärkte die russische Marine ihre militärisc­he Präsenz im Asowschen Meer.

Die russischen Kontrollen treffen die ukrainisch­e Wirtschaft hart. Über die Straße von Kertsch wickeln Metallindu­strieunter­nehmen aus Mariupol – ein wichtiger Industries­tandort und nach dem Verlust der Krim gemeinsam mit Odessa die größte Hafenstadt des Landes – einen Großteil ihrer Exporte ab. Darüber hinaus liegt Mariupol in unmittelba­rer Nähe zur Front. Bis zur sogenannte­n Kontaktlin­ie sind es nicht einmal 30 Kilometer.

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Foto: Reuters/Pavel Rebrov Der Bau der Krim-Brücke bei Kertsch ist eine wichtige Ursache des sich verschärfe­nden Konfliktes.

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