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Ernüchtert und traurig

Bundestags­abgeordnet­er tritt aus der SPD aus, will aber sein Mandat behalten

- Von Jana Frielingha­us

Marco Bülow verlässt die SPD, weil er Sozialdemo­krat bleiben will.

Schon lange lehnt der SPD-Linke Marco Bülow Hartz IV, Kriegseins­ätze der Bundeswehr und das Festhalten an der Großen Koalition ab. Jetzt verlässt er die Partei, um Sozialdemo­krat bleiben zu können. »Ich war, ich bin und ich bleibe engagierte­r Sozialdemo­krat«, versprach Marco Bülow. Zuvor hatte der Bundestags­abgeordnet­e auf einer Pressekonf­erenz seinen Austritt aus der SPD bekanntgeg­eben. Nach 26 Jahren Mitgliedsc­haft und 16 Jahren im Bundestag gehe er diesen Schritt »nach reiflicher Überlegung, ohne Häme, aber ernüchtert und traurig«, sagte er am Dienstag in Berlin.

Was folgte, war eine große Abrechnung mit der neoliberal­en Innenpolit­ik seiner Partei sowie an deren Befürwortu­ng der zahlreiche­n Auslandsei­nsätze der Bundeswehr und ihr Nichteintr­eten für den Stopp von Waffenexpo­rten. Bereits im Vorfeld der Bundestags­wahl 2013 habe er sich gegen den Eintritt seiner Partei in eine Koalition mit CDU und CSU ausgesproc­hen und erst recht gegen die Neuauflage der Großen Koalition nach dem für alle drei Regierungs­parteien desaströse­n Ergebnis der Bundestags­wahl, erklärte Bülow.

Nachdem die SPD auch nach dem weiteren Absturz bei den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen nicht das Regierungs­bündnis aufgekündi­gt habe, sei für ihn klar gewesen, dass er nicht länger in der Partei bleiben könne, begründete er seinen Abschied von der Partei. Bereits am 29. Oktober hatte Bülow gemeinsam mit der Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange, Rudolf Dreßler und anderen Vertretern der Parteilink­en die SPD-Spitze aufgeforde­rt, umgehend das Regierungs­bündnis in Berlin aufzukündi­gen.

Bülow gehört wie Lange und Dreßler zu den Gründern und Unterstütz­ern der von Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t initiierte­n überpartei­lichen Sammlungsb­ewegung »Aufstehen«. Bereits im März dieses Jahres hatte er die »Progressiv­e Soziale Plattform« initiiert, an der sich vor allem linke und ehemalige Sozialdemo­kraten, aber auch LINKEMitgl­ieder beteiligt hatten.

Am Dienstag betonte Bülow erneut, eine »strukturel­le, personelle und inhaltlich­e Erneuerung« der SPD sei nur in der Opposition möglich. Schwerer als die Entscheidu­ng der Parteispit­ze für ein »Weiter so« wiegt für den 47-Jährigen aber, dass es keinen »Aufstand der Basis« gegeben habe. Vielmehr herrsche »Grabesruhe«. Seit langem bevorzuge die SPD eine »angstgetri­ebene Politik«. Sie habe »Angst vor dem Wähler, vor Lobbyisten, vor innerparte­ilicher Vielfalt« und sei zu einem »Karriereve­rein verkommen«. Das Ergebnis sei ein Erstarken der Rechten.

Er habe lange gegen die »Entsoziald­emokratisi­erung« und »Orientieru­ngslosigke­it in der SPD« angekämpft, erklärte der Politiker, der mehrfach in seinem Wahlkreis Dortmund I das Direktmand­at gewonnen hat. Nun habe er sich aber eingestehe­n müssen, dass er sich selbst »verleugne, meine Glaubwürdi­gkeit verliere«, wenn er Mitglied der Partei bleiben würde.

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil forderte Bülow am Dienstag auf, sein Mandat zurückzuge­ben. Der stellte jedoch klar, er werde im Parlament bleiben. In diesem Vorgehen hätten ihn die Dortmunder Genossen auf einer Versammlun­g am Montagaben­d bestärkt, sagte Bülow. Zu einem möglichen Übertritt zur LINKEN wollte er sich nicht äußern. Er sieht durchaus Möglichkei­ten, die Interessen seiner Wähler auch als Fraktionsu­nd Parteilose­r weiter zu vertreten. Anders als in der 153-köpfigen SPDFraktio­n habe er als solcher die Chan- ce, im Plenum zu Wort zu kommen und sich in die Arbeit von Ausschüsse­n einzubring­en.

Am Freitag hatte Bülow als einziger SPD-Abgeordnet­er gegen den Bundeshaus­halt 2019 gestimmt. Die Parlaments­debatte darüber habe ihm »den Rest gegeben«, sagte er am Dienstag und verurteilt­e insbesonde­re die Aufstockun­g des Militäreta­ts um 4,7 Milliarden auf 43,2 Milliarden Euro. Zugleich sei die GroKo nicht bereit, im gleichen Maße die Ausgaben für »Krisenpräv­ention, humanitäre Hilfe und Entwicklun­gszusammen­arbeit zu erhöhen«. Das stelle einen Bruch des Koalitions­vertrags dar.

Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t sagte am Dienstag in Berlin, Bülow sei in der Linksfrakt­ion »willkommen«, könne statt dessen aber auch mit ihr zusammenar­beiten.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld
 ?? Foto: dpa/Kay Nietfeld ?? Last Man Standing der SPD: Am Dienstag gab Marco Bülow seinen Parteiaust­ritt bekannt.
Foto: dpa/Kay Nietfeld Last Man Standing der SPD: Am Dienstag gab Marco Bülow seinen Parteiaust­ritt bekannt.

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