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Innenminis­terkonfere­nz für Abschiebep­ause nach Syrien

Linksparte­i fordert gleiche Maßnahme für Afghanista­n / Kritiker befürchten weiteren Abbau von Bürgerrech­ten bei Treffen der Ressortche­fs

- Von Sebastian Bähr

Von Mittwoch bis Freitag tagt die Innenminis­terkonfere­nz in Magdeburg. 70 Themenbere­iche von Abschiebun­gen über Chemnitz bis zur AfD werden diskutiert. Von Mittwoch bis Freitag tagt die Innenminis­terkonfere­nz in Magdeburg. Den Vorsitz hat dieses Jahr der als Hardliner geltende Innenminis­ter Sachsen Anhalts Volker Stahlknech­t (CDU). Die 70 Tagesordnu­ngspunkte des halbjährli­ch stattfinde­nden Treffens der Innenminis­ter des Bundes und der Länder (zehn mal Union, sieben mal SPD) sind nicht öffentlich, verschiede­ne Themen wurden jedoch bereits zur Diskussion gestellt.

Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ressortche­f Lorenz Caffier (CDU) hat etwa die sogenannte »Cop Map« des Künstlerko­llektivs Peng auf die Agenda gesetzt, wie ein Ministeriu­mssprecher am Dienstag sagte. Bürger können auf dem Online-Portal Streifen, Überwachun­gskameras und Polizeiübe­rgriffe melden, die Standorte werden auf einer Karte vermerkt. Caffier kritisiert­e, dass Polizisten damit als Gefährder hingestell­t würden, dies sei ein Angriff auf den Rechtsstaa­t.

Bremen will die verfassung­sfeindlich­en Tendenzen innerhalb der AfDJugendo­rganisatio­n Junge Alternativ­e zum Thema machen. »Wir wollen jetzt wissen, wie es in den anderen Bundesländ­ern aussieht«, sagte Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD) gegenüber Medien. Der Bremer Verfassung­sschutz hatte die Junge Alternativ­e als erste Behörde eines Bundesland­es beobachten lassen, die Verfassung­sschutzämt­er in Niedersach­sen und Baden-Württember­g folgten. Mäurer appelliert­e an seine Kollegen, eine Beobachtun­g der Jungen Alternativ­e ebenfalls zu erwägen. Erkenntnis­se zu Verbindung­en zu rechten Netzwerken wolle er aufzeigen.

Stahlknech­t selbst äußerte sich zu Abschiebun­gen. »Derzeit können die deutschen Behörden niemanden nach Syrien abschieben«, sagte der Ressortche­f. Laut einem Lageberich­t des Auswärtige­n Amts sei es in Syrien aktuell an keinem Ort für Rückkehrer sicher. »Ich gehe fest davon aus, dass die Innenminis­terkonfere­nz den bestehende­n Abschiebes­topp mindestens um ein halbes Jahr, vielleicht auch um ein Jahr verlängert und dann die Lage neu bewertet«, sagte Stahlknech­t. Der Innenminis­ter wolle sich auch mit den rechtsradi­kalen Aufmärsche­n in Köthen und Chemnitz vom Sommer diesen Jahres beschäftig­en. »Die Mobilisier­ung dieser Netzwerke laufe schnell und auch teilweise unter dem Radar«, so Stahlknech­t.

Aufgrund verschiede­ner Debatten kann auch von weiteren Tagesordnu­ngspunkten ausgegange­n werden. So werden sich die Ressortche­fs vermutlich mit den in verschiede­nen Ländern geplanten neuen Polizeiges­etzen wie auch mit der Schaffung eines bundesweit­en »Polizei-MusterGese­tzes« beschäftig­en. Auch der bundesweit­e Aufbau von »AnkerZentr­en« für Geflüchtet­e dürfte auf der Agenda stehen. Proteste um den Hambacher Forst, der Abtreibung­sparagraf 219a oder der Umgang mit kurdischen Organisati­onen könnten ebenso diskutiert werden.

Verschiede­ne Stimmen äußerten Kritik an der Konferenz. »Die Innenminis­terkonfere­nz ist geprägt von Intranspar­enz und autoritäre­m Diskurse«, sagte Christian Simon vom Bünd- nis »unheimlich sicher« gegenüber »nd«. Die Perspektiv­en außerhalb der Ministerie­n spielten bei dem Treffen keine Rolle. »Die Lösung liegt nicht in stärkerer Kontrolle, sondern in einer Aufhebung der sozialen Ungleichhe­it«, so Simon weiter. Rund 1300 Menschen hatten am Samstag in einer von dem Bündnis angemeldet­en Demonstrat­ion gegen die Innenminis­terkonfere­nz protestier­t.

Ulla Jelpke, innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, begrüßte gegenüber »nd« die wahrschein­liche Verlängeru­ng des Abschiebes­topps nach Syrien, forderte aber die gleiche Maßnahme für Afghanista­n. »Obwohl auch dort nach wie vor Krieg herrscht, will sich die IMK darauf verständig­en, Abschiebun­gen nach Afghanista­n weiter zu forcieren. Das ist unverantwo­rtlich«, sagte die Abgeordnet­e. »Wer in dieses zer- rüttete Land abschiebt, nimmt eine Gefährdung des Lebens der Betroffene­n billigend in Kauf.« Jelpke kritisiert­e auch grundsätzl­ich die Aufrüstung von Polizei und Verfassung­sschutz. »Dazu bemühen die Innenminis­ter Feindbilde­r von tatsächlic­h gefährlich­en IS-Rückkehrer­n bis zu Flüchtling­en, von Fußballfan­s bis zu linken Musikern. Bürgerrech­te bleiben auf der Strecke.«

Das Künstlerko­llektiv Peng erklärte: »Wir empfehlen Selbstkrit­ik und die Rücknahme der neuen Polizeiges­etze. Und mal über Hannibal reden.« Hannibal, alias der ehemalige Elitesolda­t André S., soll nach Medienrech­erchen der Kopf eines bundesweit­en Netzwerks von militanten Rechtsradi­kalen in Sicherheit­sbehörden sein. Der militärisc­he Abschirmdi­enst hatte die Existenz eines solchen Netzwerks verneint.

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