Khashoggis Mörder unerwünscht
Protest in Tunis gegen Mohamed bin Salman
Mehrere Hundert Menschen protestierten am Montag und Dienstag in der tunesischen Hauptstadt gegen den Besuch des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Die Journalistengewerkschaft hängte an der Fassade ihrer Zentrale ein riesiges Poster des Prinzen und einer Kettensäge auf, während Studenten auf der Avenue Habib Bourguiba mit selbstgemalten Plakaten an den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi erinnerten. Andere skandierten »Wir wollen kein Geld von einem Kriegsverbrecher« und forderten die Beendigung des Kriegs in Jemen.
Anzeige von Menschenrechtlern Saudi-Arabiens Kronprinz reist diese Woche durch arabische Staaten, bevor er am Freitag am G20-Gipfel in Buenos Aires erwartet wird. Während dort die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Anzeige gegen Mohammed bin Salman erstattete, setzte sich mit den Protesten in Tunis eine Serie von öffentlicher Ablehnung des Kronprinzen fort. Sie wurde am Dienstag mit der Veröffentlichung weiterer Audiomitschnitte von dem Mord an Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul verstärkt. »Er wurde innerhalb von sieben Minuten getötet. Es war vorsätzlicher Mord«, so der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
In spanischen Zeitungen hatte am Wochenende ein Foto des früheren Königs Juan Carlos mit Mohammed für Empörung gesorgt. Beide waren sich am Rande des Formel-1-Rennens in den Vereinigten Arabischen Emiraten begegnet. So werde das Ansehen Spaniens beschädigt, klagte Regierungschef Pedro Sánchez und forderte eine »Erklärung zu dem Sachverhalt« von Juan Carlos. Die gab es nicht. Auch aus dem tunesischen Präsidentenpalast gab es am Dienstag keine Erklärung zu den Protesten. Weder Präsident Beji Caid Essebsi noch sein saudiarabischer Gast wollte sich öffentlich zeigen. Auch verlautete nichts über die Gespräche. Süffisant nutzte der Radiosender Mosaique FM das Informationsvakuum. Mit dem Versprechen eines Kredits in Höhe von 400 Millionen Euro wäre die saudische Delegation in das wirtschaftlich schwächelnde Vorzeigelands des arabischen Frühlings gekommen.
Gegenmodell zu Saudi-Arabien Tunesiens demokratischer Übergangsprozess hat zwar mit der geplanten Gleichberechtigung von Frauen in Erbschaftsfragen, einer säkularen Verfassung und einem mittlerweile selbstbewussten Parlaments viele Hürden genommen. Doch auf der Straße sind die Reformen kaum spürbar. Während die Arbeitslosenquote ansteigt, ist der Wert des Tunesischen Dinars in zwei Jahren um zwei Drittel gesunken. Wie in anderen arabischen Ländern steigt die Jugendarbeitslosigkeit. Während aber Proteste der Jugend in Ägypten von der Polizei und in Libyen von Milizen mit Waffengewalt unterdrückt werden, gehören in Tunis Demonstrationen mittlerweile zum Alltag. »Wir sind das Gegenmodell von Saudi Arabien«, so der Anwalt Hichem Driss. Der 34-jährige Jurist stand schon 2011 gegen die Herrschaft von Ben Ali auf der Avenue Bourguiba: »Mohammed bin Salman und die saudischen Wahhabiten unterstützen radikale Kreise im Maghreb, daher müssen wir gegen seine Ideologie aufstehen wie gegen Ben Ali.« Letzterer hat nach seinem Sturz Zuflucht in Riad gefunden. Auch der Universitätsprofessor Mohamed Ennaifer warnt, dass katarische und saudische Investitionen oder Kredite immer auch mit Loyalitätszusagen verknüpft seien.