Nie ganz von dieser Welt
Melancholische Außerirdische: Falk Richter inszeniert David Bowies Musical »Lazarus«
In Hamburg hat der Blitz eingeschlagen. Er ragt eingefroren und selbstleuchtend in Form eines Laufstegs über die ersten Reihen des Zuschauerraumes. Ein Musical von David Bowie also. Sein einziges sogar. »Lazarus« ist aber auch ein Musical über den so wandelbaren Sänger, der im Januar 2016 mit 69 Jahren an Leberkrebs starb.
Schauspieler Alexander Scheer, der gerade als Gundermann auf der Kinoleinwand Furore macht, unternimmt nichts, um die gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Bowie zu verleugnen. Ganz im Gegenteil: Er spielt sie voll aus. Dabei gelingt ihm das Kunststück, ohne jede Imitatorenpeinlichkeit auszukommen. Der Vergleich mit Bowie ist halt unausweichlich, weil der 1976 selbst auf der Leinwand diesen melancholisch vom Wege abkommenden Außerirdischen verkörpert hat. Die Pop-Ikone kam selbst auch immer ein wenig wie der Außerirdische mit dem ziemlich irdischen Namen Thomas Jerome Newton daher.
Hingefläzt auf einen Plastikliegestuhl betrachtet Newton/Scheer/Bowie, ganz wie man will, das Treiben auf der Bühne des Deutschen Schau- spielhauses Hamburg. Die ist vollgestellt mit einer rotierenden Pappfelseninsel und mit kitschig blühenden Kirschbäumen. Immer wieder rafft er sich auf, geht zur Bar rechts daneben, drischt auf den Eisblock ein und macht sich einen Drink – ziemlich oft. Der iri- sche Dramatiker Enda Walsh hat den Text nach dem Roman »The Man Who Fell to Earth« (»Der Mann, der vom Himmel fiel«) geschrieben, die Musik ist von Bowie selbst, darunter »Absolute Beginners«, »This is not America«, »Changes« und »Love is Lost«.
Gin gehört zu den irdischen Abwechslungen, die den Außerirdischen Newton immer wieder von seiner Mission abhalten, Wasser für seinen verdorrten Planeten zu finden. Genauso wie die in buntes Flimmern von TV-Nachrichtenbildern übersetzte Welt: Die Welt flittert als Nachricht, also ist sie. Mächtige, die unaufhörlich reden, Reagan, Bush, Merkel etc., oder wie US-Präsident J. F. Kennedy erschossen werden. Das Attentat erscheint als Installation auf der Drehbühne – mit Einstellungen vor, während und nach dem Schuss. Auch die Proteste gegen den G20Gipfel 2017 und die Auseinandersetzungen im Hamburger Schanzenviertel fehlen nicht.
Oberfläche, Ablenkung und Verzweifeln. Die Erinnerung an seine große Liebe Mary Lou wird da zur Flucht für Newton. Zurück nach Hause, in den Himmel, ist die Devise, man könnte das auch für Todessehnsucht halten. Aber die Rakete will nicht abheben – der (Bühnen-)Held kann nicht sterben. Das ist der Grundton der 17 Bowie-Songs, ihrer lockeren Verknüpfung durch gesprochene Banalitäten und der poppig bunten szenischen Verpackung.
»Lazarus« ist in Deutschland aber nicht der Musicalindustrie und ihren ganz eigenen Mechanismen in die Hände gefallen. Stattdessen haben sich erste Schauspielbühnen des Landes ganz seriös seiner angenommen. Nach dem Start in New York 2015 und der ersten europäischen Version in London hat Ex-Burgtheaterdirektor
Zurück nach Hause, in den Himmel, ist die Devise, man könnte das auch für Todessehnsucht halten. Aber die Rakete will nicht abheben – der Held kann nicht sterben.
Matthias Hartmann die deutsche Erstaufführung in Düsseldorf inszeniert. Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg bietet jetzt Falk Richter auf, und in Leipzig wird Hubert Wild am Ende der laufenden Spielzeit folgen.
Zuletzt prangt ein Stern am Bühnenhorizont. »Blackstar« hieß das Album, das David Bowie zwei Tage vor seinem Tod der Welt hinterließ.
Nächste Aufführungen: 1., 2. und 28. Dezember.