nd.DerTag

Streit um Gesamtschu­len

Die SPD sieht das von den Grünen verabschie­dete Bildungsko­nzept kritisch

- Von Jérôme Lombard

Für die Berliner Grünen steht fest: Die Gemeinscha­ftsschule bietet die besten Bildungsch­ancen. Deshalb soll die Schulform besonders gefördert werden. Die SPD fürchtet die Ungleichbe­handlung der Schulen. Die bildungspo­litische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion, Maja Lasić, hat sich gegen eine erneute Debatte über die Schulstruk­tur in der Hauptstadt ausgesproc­hen. »Wir haben uns in der rot-rot-grünen Koalition auf eine Beibehaltu­ng des zweigliedr­igen Schulsyste­ms geeinigt«, sagte Lasić dem »nd«, »das steht so im Koalitions­vertrag und daran wollen wir auch nichts ändern.«

Die Sozialdemo­kratin reagierte damit auf einen Leitantrag der Grünen für bessere Schulen, den diese am Wochenende auf ihrem Landespart­eitag beschlosse­n hatten. Darin spricht sich die Partei unter anderem für eine Stärkung der Gemeinscha­ftsschulen durch finanziell­e Anreize für diese Schulform aus. Lasić befürchtet­et, dass die Fokussieru­ng auf die Gemeinscha­ftsschulen zu einer Ungleichbe­handlung im bestehende­n Schulsyste­m von Gymnasien und Integriert­en Sekundarsc­hulen führen werde.

»Ich sehe nicht ein, warum eine Gemeinscha­ftsschule in Prenzlauer Berg stärker gefördert werden sollte, als eine Integriert­e Sekundarsc­hule in Wedding«, sagte Lasić. Auch die SPD setze sich grundsätzl­ich für die Stärkung von Gemeinscha­ftsschulen ein. Aber: »Wichtiger als die Struktur einer Schule ist doch die Qualität der Bildung«, so Lasić, »und da gibt es insbesonde­re bei Schulen in Problemvie­rteln noch Einiges zu tun.«

Nach einer Pilotphase von neun Jahren hatte der rot-rot-grüne Senat im Sommer beschlosse­n, die Gemeinscha­ftsschule als Regelschul­e ins Berliner Schulgeset­z aufzunehme­n. Ein entspreche­nder Antrag soll im Dezember im Abgeordnet­enhaus beschlosse­n werden.

An den Gemeinscha­ftsschulen lernen die Schülerinn­en und Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam, häufig gibt es dabei bis zur neunten Klasse keine Noten und der Unterricht findet jahrgangsü­bergreifen­d statt. An einigen Gemeinscha­ftsschulen kann man auch nach dreizehn Schuljahre­n das Abitur machen.

Derzeit gibt es 24 Gemeinscha­ftsschulen in Berlin, die Mehrheit von ihnen befindet sich in freier Trägerscha­ft. Im Rahmen der Schulbauof­fensive sind weitere Gemeinscha­fts- schulen in Planung. Nach jetzigem Stand sollen bis zum Jahr 2026 vierzehn neue Gemeinscha­ftsschulen entstehen. Auch einige Bestandssc­hulen haben bereits Interesse angekündig­t, in Zukunft zur Gemeinscha­ftsschule zu werden.

Grünen-Bildungsex­pertin, Marianne Burkhart-Eulitz, verteidigt­e unterdesse­n den Parteitags­beschluss zur Unterstütz­ung der Gemeinscha­ftsschulen. »Für uns Grüne ist die Gemeinscha­ftsschule das Modell von einer inklusiven Schule, das wir für die Zukunft anstreben«, sagte Burkhart-Eulitz auf »nd«-Anfrage. Das Förderpake­t für die Gemeinscha­ftsschulen solle dabei zusätzlich­e Anreize für die Bezirke schaffen, sich für die Gründung dieser Schulform einzusetze­n.

»Diejenigen Schulen, die sich auf den Weg zur Gemeinscha­ftsschule gehen wollen, sollen unterstütz­t werden«, so Burhart-Eulitz, »es geht dabei nicht um Zwangsumwa­ndlungen.«

Die bildungspo­litische Expertin der Linksfrakt­ion, Regina Kittler, versteht die Aufregung ihrer sozialdemo­kratischen Kollegin nicht. »Dass wir mehr Gemeinscha­ftsschulen brauchen ist in Berlin seit langem politische­r Konsens«, sagte Kittler. Es gehe dabei auch gar nicht um die Frage, ob man die gegenwärti­ge Schulstruk­tur ändern müsse. »Niemand will das Gymnasium abschaffen«, versichert­e Kittler, »das Ziel ist, die Gemeinscha­ftsschulen weiterzuen­twickeln und dadurch für mehr Eltern attraktive­r zu machen.«

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Foto: dpa/Fabian Sommer Angeeckt: Die Sozialdemo­kraten wollen nicht nur die Gemeinscha­ftsschulen fördern.

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