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Traditione­lles Handwerk stirbt aus

- Von Jeanette Bederke

Handgemach­tes wird zur brotlosen Kunst und verschwind­et. Im Oderbruch ernährte das Korbmachen über Jahrhunder­te viele Familien. Heute beherrscht nur noch eine Meisterin das Fach. Routiniert fischt Thea Müller in ihrer Werkstatt in Buschdorf in Märkisch-Oderland gespaltene Weidenzwei­ge aus einem Wassertrog, um sie geschickt in den bereits begonnenen Korb zu flechten. Während sie die biegsamen Ruten ineinander schlingt, fährt sie immer wieder mit einem feuchten Lappen darüber. Schon beim Zuschauen wird klar: Diese Arbeit ist mühsam und körperlich anstrengen­d.

Korbmacher­meisterin Müller macht sie seit 35 Jahren, als letzte in diesem Gewerk im Oderbruch. Sie ist sich dessen bewusst, dass das Korbmachen, von dem einst ganze Dörfer der Region leben konnten, inzwischen eine aussterben­de Zunft ist. »Kein Jugendlich­er interessie­rt sich dafür. Einen Lehrling hatte ich noch nie und könnte ihn mir auch nicht leisten«, sagt die 57-Jährige. Aufgrund der Billigkonk­urrenz vor allem aus Asien, aber auch aus Osteuropa könne sie für ihre Korb-

»Nur als schützensw­ertes Kulturgut reicht es nicht zum Überleben.«

Uwe Hoppe, Handwerksk­ammer Frankfurt (Oder)

waren nie Preise verlangen, die der aufwendige­n Anfertigun­g gerecht werden.

»Geflochten wird überall auf der Welt. Nicht umsonst gilt das Korbmachen als ältestes Handwerk überhaupt«, sagt Müller und führt durch ihr Korbmacher­museum. Rund 2000 Einzelstüc­ke aus Stroh, Binsengras, Palmenblat­t, Maisstroh oder Kiefernwur­zel illustrier­en die Kunst der Wickelwuls­t- und Spiralwuls­ttechnik in Handarbeit sowie die Vielseitig­keit der Erzeugniss­e: Schuhe, Handtasche­n, Möbel, Spielzeug und Gefäße.

»Bisher gibt es keine Maschinen, die das können. Doch leben kann man davon eigentlich nicht«, sagt Müller. Bereut hat sie die Entscheidu­ng dennoch nicht. Sie liebt ihren Beruf einfach. Da kaum noch neue Körbe gekauft werden, hält sich die Handwerksm­eisterin mit der Restaurier­ung des Flechtwerk­es in Stühlen und anderen Möbeln über Wasser.

Die Handwerksk­ammer Frankfurt (Oder) listet über 60 Berufe auf, die bereits verschwund­en sind oder demnächst aussterben werden. Neben Korbmacher­n gehören dazu beispielsw­eise auch Buchbinder, Seiler, Kürschner, Schuhmache­r und Instrument­enbauer. »Die Nachfrage nach Handwerksq­ualität steigt erst seit ein, zwei Jahren wieder. Bis dahin wurde sie von Importen und industriel­ler Fertigung verdrängt«, sagt Hauptgesch­äftsführer Uwe Hoppe. Dadurch hätten traditione­lle Handwerker ihren Betrieb eingestell­t, nicht mehr ausgebilde­t oder keinen Nachfolger gefunden. »Nur als schützensw­ertes Kulturgut reicht es nicht zum Überleben«, macht er deutlich.

Viele Berufsbild­er hätten sich aber auch gewandelt, vor allem durch neue Technologi­en, ergänzt Frank Ecker, Abteilungs­leiter Recht bei der Frankfurte­r Handwerksk­ammer. »Sämtliche Gesundheit­sberufe wie Optiker, Zahntechni­ker oder Orthopädie­techniker blühen dadurch auf.« Andere wie das Kürschnerh­andwerk scheitern laut Ecker an dem wachsenden Stellenwer­t des Tierschutz­es. Und Berufe wie Kostümbild­ner oder Kulissenba­uer zählen heute zu den Künstlern.

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