Teurer als ein Yogakurs
BKK-Gesundheitsreport: Mit besserer Arbeitsgestaltung lassen sich auch ältere Mitarbeiter länger halten
Beschäftigte ab 50 Jahren sind durchaus nicht häufiger krank als Jüngere, dafür zum Teil aber länger. Der neue Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen analysiert die Hintergründe. Mehr angehende Rentner, weniger Berufseinsteiger – welche Konsequenzen hat das für Unternehmen und deren Gesundheitsvorsorge? Mit dieser Frage beschäftigt sich der neue Gesundheitsreport »Arbeit und Gesundheit Generation 50+«, des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK), der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Der Bericht analysiert die Daten von 8,4 Millionen Versicherten, darunter von 4,13 Millionen beschäftigen Mitgliedern.
Der vielzitierte demografische Wandel drückt sich in Unternehmen auch darin aus, dass die Gruppe der über 50-Jährigen am schnellsten wächst. Das variiert zum Teil danach, wie hoch die Belastungen an den Arbeitsplätzen verschiedener Branchen sind. Bei Energie- und Wasserversorgern sowie in öffentlicher Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung macht diese Altersgruppe schon über 40 Prozent der Beschäftigten aus. Relativ hohe Gehälter und über Jahre sichere Aufstiegsmöglichkeiten dürften dazu beigetragen haben, während in der Gastronomie nur ein Viertel des Personals älter als 50 Jahre ist. Den Einfluss der Arbeitsbedingungen zeigt auch die Tatsache, dass in der Gruppe der 60bis 64-Jährigen die Beschäftigten in der Pflege fast dreimal so viel Fehltage haben wie die Gleichaltrigen in IT-Berufen.
Die Fehlzeiten der Gruppe über alle Branchen resultieren vorwiegend aus Muskel- und Skeletterkrankungen, weniger stark aus den sonst hier wesentlichen psychischen Störungen und Atemwegserkrankungen, zu denen auch Erkältungen und Infekte zählen. Eine weitere Besonderheit der über 50-Jährigen ist der wachsende Anteil von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen bei den Ursachen von deren Arbeitsunfähigkeitstagen.
Stark zurück gehen die Fehlzeiten ab dem 65. Lebensjahr, da dann nur noch relativ Gesunde weiterarbeiten, die anderen hingegen bereits ausge- schieden sind, wie Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbandes und Mitherausgeber des Reports, erklärt. Da die Unternehmen aber immer schwerer junge, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter finden, ist schon aus diesem Grund das Potenzial für Gesundheitsmaßnahmen innerhalb der Betriebe groß. »Die Klassiker dabei sind die Themen Ernährung, Bewegung und Stressabbau.« Entsprechende Kurse würden zum Beispiel mehr von Frauen nachgefragt, ergänzt der Arbeitspsychologe Jürgen Wegge von der TU Dresden.
Immer wichtiger jedoch wird es, im Bereich Arbeitsorganisation einzugreifen, da sind sich Wegge und Knieps relativ einig. Wertschätzung und Feedback lauten dabei wichtige Stichworte. Laut Knieps sind Großunternehmen bei entsprechenden Programmen schon recht weit, aber flächendeckend sei diese Form der Gesundheitsvorsorge noch nicht gesichert. Das liegt auch daran, dass eine andere Gestaltung von Arbeit natürlich teurer ist als ein Yogakurs einmal in der Woche. Wegge fordert in diesem Zusammenhang, die Probleme an der Wurzel zu packen: »Es kann ja nicht sein, dass wir die Menschen für schlechte Arbeitsbedingungen fit machen.«
Nicht nur Unternehmen, auch die Politik müsste nachsteuern, um Menschen jenseits der 50 gute Arbeitsbedingungen möglich zu machen, ihnen aber genauso – etwa bei langjähriger körperlicher Belastung – einen früheren, fairen Ausstieg zu ermöglichen. Für Knieps ist es zu einfach, mit einer allgemeinen weiteren Anhebung der Regelarbeitszeiten Druck zu machen. Auch Holger Pfaff, Soziologe an der Universität Köln, spricht sich für mehr Differenzierung durch eine »ermöglichende Gesetzgebung« aus. Damit sollten branchenspezifische und auch individuelle Lösungen zugelassen werden. Das Problem reicht bis weit in die Spaltung der Arbeitswelt in Niedrigund Hochlohnbereiche hinein. Zu den inzwischen schon 250 000 Menschen, die über den Renteneintritt hinaus tätig sind, zählen sowohl jene, die das nur an einem Tag in der Woche tun und dabei genauso viel verdienen wie eine Reinigungskraft an fünf Tagen, die wegen zu geringer Rente einfach weiter arbeiten muss.