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Kontrovers­e Debatte zu Beginn der Islamkonfe­renz

Seehofer: Gemeinden sollen sich von ausländisc­hen Geldgebern trennen

- Von Fabian Goldmann

Berlin. Mit einer kontrovers­en Debatte über ausländisc­he Einflüsse in deutschen Moscheen ist die vierte Deutsche Islamkonfe­renz (DIK) gestartet. Bundesinne­nminister Horst Seehofer forderte die islamische­n Gemeinden in Deutschlan­d auf, sich schrittwei­se von ausländisc­hen Geldgebern frei zu machen. Die Moscheegem­einden sollten nicht nur Organisati­on und Finanzieru­ng weitgehend selbst stemmen, sondern auch die Ausbildung von Predigern, sagte der CSU-Politiker.

Der Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universitä­t Osnabrück, Bülent Ucar, kritisiert­e derweil den Minister, weil er in einem Interview gesagt hatte, er halte den Satz »Der Islam gehört zu Deutschlan­d« für falsch. Ucar sagte, auch wenn Seehofer dies nur historisch gemeint habe, sei diese Äußerung für viele Muslime irritieren­d gewesen. Jetzt sei es jedoch Zeit, das Thema abzuhaken und nach vorne zu blicken.

Der Dialog mit Muslimen in Deutschlan­d wird fortgesetz­t. Nun begann die vierte Phase der 2006 gestartete­n Islamkonfe­renz. Das Format hat zu gesellscha­ftlichen Veränderun­gen beigetrage­n. Die Meldung, dass die Deutsche Islamkonfe­renz (DIK) zurückkehr­en werde, hatte im Juni kaum die Kioske erreicht, da begann der Kampf um den besten Platz am Tisch. Als Provokatio­n bezeichnet­en Vertreter der großen islamische­n Verbände das Vorhaben des Innenminis­ters, auch kritische muslimisch­e Einzelpers­onen einladen zu wollen. Diese wiederum forderten wie der Grünen-Politiker Cem Özdemir, den großen Verbänden weniger Raum zu geben. Auch beim Streit um die Themensetz­ung war man sich schnell einig: Die Ablehnunge­n der vorsichtig­en Ankündigun­g des Innenminis­teriums, über einen »deutschen Islam« sprechen zu wollen, reichten von »Anmaßung« (Islamrat-Chef Ali Kızılkaya) bis zur »deutschen Unterwerfu­ng« (Islamkriti­ker Bassam Tibi).

Am Mittwoch hat Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) die vierte Runde der DIK in Berlin eröffnet. Dabei bekräftigt­e er seine Auffassung, dass Muslime zu Deutschlan­d gehören. Seehofer wiederholt­e seine Aussage nicht explizit, wonach der Islam nicht zu Deutschlan­d gehöre. Damit hatte der Minister im März für Kritik nicht nur bei Muslimen gesorgt.

Bei dem zweitägige­n Treffen wird es nun einmal mehr um Integratio­nsfragen gehen. In den vergangene­n zwölf Jahren hat die Konferenz nicht nur für reichlich Skandale gesorgt, sie hat die Integratio­n von Muslimen wie keine zweite Institutio­n vorangebra­cht. Das zeigt sich vor allem bei Themen, die es selten in die Schlagzeil­en schafften: Vor 2006 gab es für fast alle muslimisch­en Schüler und Schülerinn­en nur eine Form des Islamunter­richts: am Samstagmor­gen in der Moschee. Heute gibt es in der Mehrzahl der Bundesländ­er für mehr als 50 000 muslimisch­e Schulkinde­r islamische­n Religionsu­nterricht.

Die ersten Impulse dafür kamen ebenso von der DIK wie für die fünf universitä­ren Zentren, an denen man in Deutschlan­d mittlerwei­le islamische Theologie studieren kann. Dass es neben den fünf christlich­en nun auch einen islamische­n Wohlfahrts­verband gibt, hat die DIK ebenso in die Wege geleitet wie die Reform von Bestattung­sgesetzen. Dass immer mehr Muslime nicht mehr ins Ausland fliegen, um ihre toten muslimisch­en Verwandten zu beerdigen, ist auch ein Verdienst des Formats.

Die DIK hat die Grundlage dafür gelegt, dass – wer will – sich sachlich dem Thema Islam nähern kann. Wie viele Muslime gibt es in Deutschlan­d? Woher kommen sie und wohin gehen sie zum Beten? Gehen sie wirklich nicht zum Schwimmunt­erricht? Warum tragen Frauen Kopftuch? Welchen Beitrag leisten Moscheen zur Jugendarbe­it und muslimisch­e Ehrenamtle­r in der Pflege? Dass wir heute über den deutschen Islam mehr wis- sen denn je, ist Forschunge­n zu verdanken, die von der Islamkonfe­renz angestoßen wurde.

Es fällt leicht, die DIK als Podium von Selbstdars­tellern und Intrigante­n abzutun. Denn oft ist sie genau das. Aber auch die nicht enden wollenden Debatten darüber, wer das Recht hat, für die viereinhal­b Millionen Muslime des Landes zu sprechen, hat Deutschlan­d positiv verändert. Sie stärkten das Wissen über die Arbeit islamische­r Interessen­vertretung­en und das Bewusstsei­n für die Vielfalt muslimisch­en Lebens. Kaum ein Zeitungsle­ser dürfte vor zwölf Jahren gewusst haben, was sich hinter Bezeichnun­gen wie »Zentralrat der Muslime« und »Ditib« verbirgt. Dass in Talkshows und an Runden Tischen neben Bosbachs und Gabriels auch selbstvers­tändlich Namen wie Ates, Kelek, Mayzek und Mansour auftauchen, wäre ohne die Islamkonfe­renz wohl anders. Ohne die DIK würde zudem vermutlich nicht jede Woche im Deutschlan­dradio der Koran erklärt werden, die Vielfalt muslimisch­en Lebens im ZDF ein Forum finden.

Dass an der Islamkonfe­renz nicht alles schlecht ist, sehen auch ihre sonst zerstritte­nen Teilnehmer so. Ali Kızılkaya gab sich gegenüber »nd« versöhnlic­h. Durch die DIK seien »Muslime und der Islam erstmals als Partner wahrgenomm­en wurden«. »Heute gibt es viele Gesprächse­benen mit Bundesregi­erung und Ministerie­n. Wir haben Integratio­nsgipfel, Flüchtling­sgipfel und vieles mehr«, sagte Zentralrat­schef Aiman Mazyek dem »nd«. Dass Staat und Muslime ungeachtet aller Differenze­n heute auch an vielen anderen Orten miteinande­r sprechen, sei ebenfalls ein Erfolg der Islamkonfe­renz.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Staatssekr­etärin Güler, Wissenscha­ftler Ucar, Aiman Mazyek und Horst Seehofer bei der Islamkonfe­renz

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