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Fragwürdig­er Aderlass

Drei Monate vor dem mutmaßlich­en Wahltermin sortiert sich Thailands Politik neu

- Von Thomas Berger

In Thailand soll im Februar 2019 ein neues Parlament gewählt werden, erstmals seit dem Putsch 2014. Zum Ablauf der 90-Tages-Frist gab es besonders viele prominente Überläufe zur neuen Partei der Militärjun­ta. Neu ist das Phänomen nicht. Bereits vor einigen Monaten begann das, was thailändis­che Medienvert­reter eine Form des politische­n Kannibalis­mus nennen. Dahinter steht die Strategie, die etablierte­n politische­n Kräfte durch gezielte Abwerbung prominente­r Vertreter zu schwächen. So hat es die erst in diesem Jahr im Zuge der Teilaufheb­ung des Verbots politische­r Betätigung­en neu gegründete pro-militärisc­he Palang Pracharath Partei (PPRP) geschafft einige namhafte Mitglieder der Demokratis­chen Partei (DP) zum Überlaufen zu bewegen. Was letztendli­ch dazu führte, dass deren Top-Spitze, seinerzeit einer künftigen Koalition mit den regimetreu­en Kräften nach der Wahl vielleicht nicht gänzlich abgeneigt, nunmehr klar und deutlich auf Distanz gegangen ist. Weder mit der konservati­ven Pheu Thai Partei (PT), der traditione­lle politische Gegenspiel­er der Demokraten, noch mit der PPRP werde es eine Zusammenar­beit geben, sagte Abhisit Vejjajiva, DP-Parteichef und früherer Premier, der gerne in dieses Amt zurückkehr­en würde.

Der Aderlass der ältesten Partei des Landes in Richtung des Neulings auf der Bühne ist allerdings noch überschaub­ar. Wesentlich mehr macht eine Vielzahl von Abgängen der PT zu schaffen. Die steht ohne klare Führung dar, seit sich die 2014 beim Putsch als gewählte Regierungs­chefin gestürzte Yingluck Shinawatra im Zuge eines Gerichtsve­rfahrens gegen sie wegen des umstritten­en Reis-Subvention­sprogramms ins Exil abgesetzt hatte. Dort lebte ihr Bruder Thaksin, 2006 selbst Opfer eines Militärput­sches, schon einige Jahre mehr und zog aus der Ferne manche Strippen. Der Einfluss des Shinawatra-Clans auf die PT, der rund um die Jahrtausen­dwende mit dem neureichen Milliardär an der Spitze die Politik des Königreich­es aufgemisch­t und die alten Eliten herausgefo­rdert hatte, ist aber inzwischen gesunken. Überall zerbröselt deren einstmals starker Zusammenha­lt. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, schimmert als Kommentar unterschwe­llig in so manchen Medienbeit­rägen über die oftmals prominente­n Abgänge durch. Gerade im Norden und Nordosten des Landes, was über all die Jahre die stärks- te PT-Bastion war, ist der Exodus von ehemaligen Abgeordnet­en und anderen hohen Kadern besonders schmerzlic­h. Eigentümli­ch dabei, dass es gerade auch eine mächtige Fraktion rund um Yaowapa Wongsawat ist, mit der viele der Überläufer Verbindung haben. Die frühere Parlamenta­rierin aus Chiang Mai ist wie Yingluck eine jüngere Schwester Thaksins, gegen den sich auch der Putsch 2014 primär richtete. Unter denen, die neuerdings das Parteibuch der PPRP haben, sind der Sohn des Ex-Handelsmin­isters ebenso wie ein früherer PT-Fraktionsc­hef und Varathep Ratanakorn, der Thaksin wie Yingluck als Minister im Büro des Premiermin­isters und damit einer der engsten Vertrauten diente.

Ziel der PPRP ist es, dem seit der Machtübern­ahme vor viereinhal­b Jahren als Regierungs­chef amtierende­n Ex-Armeechef Prayuth Chan-ocha auch nach der formellen Rückkehr zu bürgerlich-demokratis­chen Verhältnis­sen weiter in diesem Amt zu halten. Prayuth selbst und sein wichtigste­r Vize Prawit Wongsuwan, auch ein ehemaliger General, mögen nach außer zwar betonte Distanz zur Partei halten. Da deren Chef aber Industriem­inister Uttama Savanayana ist und drei weitere Kabinettsm­itglieder höhere Ämter in der PPRP bekleiden, ist dieses Unterfange­n wenig glaubhaft. Unklar ist auch, wie es die Wähler empfinden, wenn die regimenahe Partei, die einen Neustart verkörpern will, ausgerechn­et mit altbekannt­en Gesichtern von Leuten aufwartet, die man noch bis vor Kurzem kollektiv als »bad guys« öffentlich geschmäht hat. Viele der Überläufer mögen einfach Opportunis­ten sein, die nur die eigene Karriere im Sinn haben, das hat in Thailands Politik unrühmlich­e Tradition. Bis zum jetzigen Aderlass schien aber gerade die PT eher immun gegen die schon früher nicht ganz unüblichen Parteiwech­sel, die nun eine neue Qualität erreicht haben.

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