nd.DerTag

Eine Kraft für die Würde im Untergrund

Robert Ogman über Republikan­er mit gutem »Geist« und »gesundem Menschenve­rstand«

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Die Midterm-Wahlen in den USA waren eine Bestätigun­g der nationalis­tischen Agenda von Präsident Trump. Das meinen nicht nur führende Republikan­er, sondern auch einige linke Kommentato­ren. »Weiße Wähler haben für die Beibehaltu­ng ihrer Dominanz gestimmt«, schreibt der linksliber­ale Peter Beinhart im Magazin »The Atlantic«. Im »New Statesmen« meint der britische Wirtschaft­sjournalis­t Paul Mason »reine und blanker Rassismus« habe die Republikan­er zum Wahlsieg getragen. In Senatswahl­en in Missouri, North Dakota, Tennessee und Florida hatten Republikan­er den Demokraten Sitze abgenommen. Doch die Fokussieru­ng auf den Rassismus der Republikan­er verdeckt genau so viel, wie sie enthüllt.

Eine solche Sicht auf die Midterms blendet die widersprüc­hliche Dynamik von Politik und Wählern aus und übersieht den »gesunden Menschenve­rstand« auch bei Republikan­ern. Die politische Konfliktli­nie im Land verläuft nicht nur zwischen Demokraten und Republikan­ern, sondern quer zu beiden Parteien. Genau wie bei den Demokraten gibt es auch in der Basis der Republikan­er Spannungen und Interessen­skonflikte. Auch unter den Anhängern der Republikan­er scheint es ein Interesse daran zu geben, die politische­n, ökonomisch­en und sozialen Rechte der Menschen zu erweitern – und das nicht nur für Weiße. Diejenigen, die sich dieses Phänomen zunutze machen, werden es in den nächsten Jahren deutlich einfacher haben bei Wahlen Mehrheiten zu erringen.

Wer den Wahlkampf der Republikan­er zu den Midterms beobachtet hat, kann es nicht verleugnen: Die Partei nutzte genau die selber Strategie wie Trump im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016. In deren Zentrum stand die Warnung vor einer »Invasion von Fremden«, vor Flüchtling­en, die gewaltsam die südliche Grenze stürmen würden, geplant vom »Globaliste­n« George Soros und dessen Agenda zur »Zerstörung Amerikas«. Trump und die Republikan­er versammelt­en erfolgreic­h ihre Basis um ein solches Projekt einer exklusiven kulturelle­n Identität herum. Doch die Partei wurde dafür nicht nur belohnt, son- Robert Ogman ist Wirtschaft­swissensch­aftler an der De Montfort University Leicester. dern bekam von ihren Wählern auch ein »blaues Auge« verpasst.

In mehreren konservati­ven Bundesstaa­ten lehnten die Wähler bei Volksabsti­mmungen, die parallel zu den Midterms stattfande­n, Kernprojek­te der Republikan­er ab. Ihre Abgeordnet­en hatten vorher versucht Obamacare abzuschaff­en. Die Wähler in Idaho, Nebraska und Utah aber haben sich entschiede­n den Schutz der Gesundheit­sversorgun­g auf mehr Menschen auszuweite­n, und zwar durch die umverteile­nden Steuerungs­modelle des von Obama beschlosse­nen Affordable Care Acts. Während die Republikan­er in den vergangene­n Jahren mit sogenannte­n »Right to Work«-Gesetzen die Verhandlun­gsmacht von Gewerk- schaften geschwächt hatten, unterstütz­en Wähler in den republikan­isch regierten Bundesstaa­ten Arkansas und Missouri Volksabsti­mmungen, die für eine deutliche Anhebung des Mindestloh­nes sorgen werden – auch gegen Warnungen vor Kapitalflu­cht bei angeblich zu hohen Löhnen.

Auch wenn in diesen Abstimmung­sergebniss­en ein gewisser universali­stischer, klassenbas­ierter und demokratis­cher »Geist« in republikan­ischen Bundesstaa­ten zum Ausdruck kam, gab es keine offene »Hillbilly«-Rebellion gegen die Partei. Rassismus als wichtigen Faktor für die Wahlerfolg­e der Republikan­er zu benennen ist nicht falsch, aber sich darauf zu beschränke­n verdeckt, dass viele Menschen kein geschlosse­nes Weltbild haben. Doch auch das Gegenteil zeigen diese Wahlergebn­isse nicht. Nämlich die linke These das die »wahre« und einzige Ursache des Trumpismus ein unterdrück­ter Klassenkam­pf ist. Wenn Menschen wirklich ein »Ensemble der gesellscha­ftlichen Verhältnis­se« (Marx) sind, dann haben sie ein »widersprüc­hliches Bewusstsei­n« (Gramsci), das sich zur gleichen Zeit in verschiede­ne politische Richtungen ausdrücken kann. Die Frage dabei ist, ob ihr »gesunder Menschenve­rstand« (Gramsci) auch durchbrich­t. Die politische­n Aktivisten der Initiative­n zu den abgestimmt­en Volksabsti­mmungen sahen in Umfragen die große »versteckte« Unterstütz­ung für progressiv­e Ideen. Sie wandelten diese in konkrete Politikpro­jekte um, die das tägliche Leben von Millionen Menschen verbessern werden. All das zeigt: Hinter der politische­n Bühne und ihren Widersprüc­hen, im Untergrund der Politik, ist eine Kraft am Werk, die für mehr Würde für die Arbeitslos­en, der »arbeitende­n Armen« und das Prekariat wirkt.

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Zeichnung: Christiane Pfohlmann
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