DEUTSCHLAND
Es hat nicht viele deutsche Gelehrte und Intellektuelle gegeben, die wirklich politische Urteilskraft bewiesen haben. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg, während der Revolution und in den ersten Jahren der Weimarer Republik, hat der Philosoph und Theologe Ernst Troeltsch unter dem Pseudonym »Spectator« in der Kulturzeitschrift »Der Kunstwart« veröffentlicht. Seine Texte edierte Johann Hinrich Claussen neu: »Die Fehlgeburt einer Republik. Spectator in Berlin 1918 – 1922« (Die Andere Bibliothek, 320 S., geb., 24 €).
Das Scheitern der Weimarer Republik gehört zu den großen Katastrophen der deutschen, ja der Weltgeschichte. Hätte sich die Machtübertragung an Hitler abwenden lassen, oder war sie ein notwendiges Ergebnis der ersten deutschen Demokratie? Eine Antwort auf diese Frage gibt Heinrich August Winklers »Weimar 1918 – 1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie« (C.H. Beck,
711 S., geb., 24,95 €).
Die Weimarer Reichsverfassung hat einen schlechten Ruf. Sie gilt vor allem durch den berüchtigten Notstandsartikel 48 als Fehlkonstruktion, die dazu beigetragen habe, dass aus einer Demokratie am Ende eine Diktatur wurde. Doch dieses bis heute durch die Geschichtsbücher geisternde Urteil sei falsch, so die Autoren des von Horst Dreier und Christian Waldhoff herausgebenen Bandes »Das Wagnis der Demokratie. Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung« (C.H.Beck, 424 S., geb., 29,95 €).
Die Weimarer Kultur kann nicht von ihrem Ende her erklärt, sondern ist nur aus ihrem Anfang im Ersten Weltkrieg her zu verstehen. Sabina Becker offenbart das künstlerisch Innovative und kulturell Bleibende eines republikanischen Jahrzehnts und zeigt, dass es vielfach unser heutiges Kunstverständnis prägt: »Experiment Weimar. Eine Kulturgeschichte Deutschlands 1918 – 1933« (WBG, 416 S., geb., 69,95 €).
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren in zahlreichen westeuropäischen Ländern NSKriegsverbrecher inhaftiert, viele mit der Westbindung der Bundesrepublik jedoch bald auf freiem Fuß. Die anderen konnten sich der Hilfe hochrangiger westdeutscher Politiker erfreuen. Felix Bohr über »Die Kriegsverbrecherlobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter« (Suhrkamp, 558 S., geb., 28 €).