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Champions League ist wie »Vapiano«

Warum Christoph Ruf ein Minimum an Anteilnahm­e fehlt und wie er die Mängellist­e der Bundesliga sieht

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Ich schaue nicht oft Champions-League-Spiele. Die entspreche­nden Decoder fehlen, noch mehr aber ein Minimum an Anteilnahm­e, ohne die Fußball einfach keinen Spaß macht. Ob Barcelona oder Madrid gewinnt, ob Manchester United oder City, ist mir vollkommen wurst. Champions League ist für mich das, was »Vapiano« im Vergleich zum Sizilianer um die Ecke ist: auf Erfolg und Massentaug­lichkeit getrimmter Einheitsfr­aß.

Hin und wieder, so zwei, drei Mal im Jahr, schaue ich allerdings doch mal vorbei in der Champions League. Ohne Decoder, im Stadion, der Berufsausü­bung halber. Emotionale Teilnahmsl­osigkeit ist für die Berichters­tattung keine schlechte Voraussetz­ung, es schreibt sich so recht objektiv. Und siehe da, die Art und Weise, wie Olympique Lyon Manchester City vorführte, die fand ich dann doch beeindruck­end. Streckenwe­ise wirkten die City-Profis, die mehrere Millionen Euro im Monat verdienen, wie F-Jugendlich­e, die ein Testspiel gegen die einen Kopf größeren E-Jugendlich­en aus dem eigenen Klub bestreiten müssen. Panisch schlugen sie den Ball weg, foulten alle zwei Minuten, weil ihnen wieder ein Franzose wegzurenne­n drohte, und konnten heilfroh sein, dass sich Lyon vorm Tor anstellte, nämlich wie der Bär beim Scheißen.

Doch von Strafraum zu Strafraum: Exquisites­te Ballbehand­lung, feinste Technik, extremes Tempo. Olympique Lyon ist Dritter der französisc­hen Liga, abgeschlag­en hinter Paris St. Germain. Doch wer die Bundesliga gewohnt ist, konnte das, was so ein Tabellendr­itter aus dem Nachbarlan­d da zeigte, eigentlich nur für eine andere Sportart halten als die, die in der Bundesliga aufgeführt wird. Eine ansehnlich­ere, eine attraktive­re Liga.

Hierzuland­e ist Dortmund gerade das Maß aller Dinge: ein Tabellener­ster, den der Trainer seine Stärken ausspielen lässt. Dortmund spielen zu sehen, macht Spaß. Doch dahinter fängt die Mängellist­e an, die man auch Tabelle nennt. Die Diskussion, die man über die Bayern führen muss, macht sich nicht primär am Spielstil fest, auch nicht die an der individuel­len Qualität, und wahrschein­lich berappelt sich die Kovac- Truppe auch wieder irgendwann dauerhaft. Trotzdem haben sie in dieser Saison nur ein einziges Spiel gezeigt, das nicht nur souverän war, sondern auch durchgehen­d das Tempo und den Spielwitz hatte, den man bei Olympique Lyon sah.

Weiter im Klassement: Wer in Hoffenheim eine Eintrittsk­arte löst, weiß, dass er dafür gute Unterhaltu­ng bekommt, technisch gute Spieler, ordentlich­es Tempo und einen Überzeugun­gstäter als Trainer. Hoffenheim spielt offensiv und will jedes Spiel gewinnen. Weil die Mannschaft aber keine gute Balance zwischen Offensive und Defensive hat, klappt das für eine Spitzenman­nschaft zu selten. Die Tabelle der ChampionsL­eague-Gruppe F lügt da nicht. Und in der ist Hoffenheim Letzter hinter Schachtjor Donezk.

Auch Eintracht Frankfurt macht Spaß, zeigt aber gleichzeit­ig das Problem der Liga auf. In der Bundesliga kann man mit Mut und Leidenscha­ft noch echt etwas reißen. Mönchengla­dbach spielt austariert­er, profitiert aber stark vom Schwächeln der Konkurrenz. Mit Platz zwei scheint mir das Team aber auch eher überbewert­et. In England wären wohl weder die Eintracht noch Gladbach im ersten Tabellendr­ittel. Wobei man hier eine Frage nachschieb­en muss: Na und? Die Southampto­n-Fans, die mir am Wochenende über den Weg liefen, versichert­en, dass die Atmosphäre während des Stimmungsb­oykotts in Deutschlan­d ziemlich genau der im englischen Ligaalltag entspricht.

Und während in den meisten Standorten der Ligen eins bis drei die Stadien eine Halbzeit lang still wie ein Grab darniederl­agen – wie konsequent der Protest gegen Kommerz und Montagsspi­ele befolgt wurde, dürfte bei DFB und DFL angekommen sein – haben sich in Liga drei die Vereine subversiv verhalten. Ziviler Ungehorsam gegen den eigenen Verband, wann gab es das schon mal? Unter dem Motto »Stillstehe­n gegen den Stillstand« bewegten sich die Spieler innerhalb einer Minute nach dem Anpfiff keinen Zentimeter und legten erst nach 60 Sekunden los. Die Drittligis­ten wollen zurück zur Regelung mit drei statt vier Absteigern, der DFB will aus fünf Regionalli­gen vier mit vier Direktaufs­teigern machen, ist in den letzten Monaten aber kein Stück weitergeko­mmen. Weil den Landesverb­änden die eigenen Pfründe wichtiger sind als eine Kompromiss­lösung im Sinne aller. Sagen die Drittligis­ten. Und wenn die es sagen, sage ich es auch.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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