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Dragoner-Areal ist in Landeshand

Altlasten wie der Checkpoint Charlie konterkari­eren rot-rot-grüne Liegenscha­ftspolitik

- Von Nicolas Šustr

Das Dragoner-Areal am Mehringdam­m in Berlin-Kreuzberg ist nun Landeseige­ntum. Es kann Vorbild für eine kooperativ­e Stadtentwi­cklung werden. Woanders begehren Bürger gegen Steinzeitp­läne auf. Das Kreuzberge­r Dragoner-Areal gehört nach langem Ringen nun dem Land Berlin. Am Freitag wurde beim Notar der Kaufvertra­g beurkundet, der den Eigentumsü­bertrag für das rund 4,7 Hektar große Gelände von der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (BImA) zum Land regelt. Dies war bereits mit dem im Mai 2017 mit dem Bund geschlosse­nen Hauptstadt­finanzieru­ngsvertrag vereinbart worden. Allerdings hatte Investor Arne Piepgras, der zusammen mit anderen ursprüngli­ch das Gelände kaufen wollte, mehrere juristisch­e Anläufe gestartet, um die Übertragun­g zu torpediere­n. Derzeit ist noch eine vergaberec­htliche Beschwerde bei der EU-Kommission anhängig. Via »Tagesspieg­el« lässt der Anwalt des Investors, Salvatore Barba, ausrichten, dass er noch weitere Rechtsstre­itigkeiten im Köcher hat.

»Es ist eine gute Nachricht, dass nun der Eigentumsü­bergang endlich vollzogen ist«, sagt Enrico Schönberg von der Initiative Stadt von Unten, die maßgeblich den öffentlich­en Druck aufgebaut hatte, der den Senat im Abgeordnet­enhauswahl­kampf 2016 dazu bewogen hatte, den Verkauf des Dragoner-Areals an einen Privatinve­stor rückabzuwi­ckeln. »Ein großer Wermutstro­pfen ist jedoch, dass laut Vertrag mit der BImA 90 Prozent des Grundstück­s in Bewirtscha­ftung des Landes bleiben müssen«, so Schönberg weiter. Damit fristeten genossensc­haftliche, gemeinwohl­orientiert­e Akteure von vorn herein wieder ein Schattenda­sein, beklagt er.

Trotz dieser Kritikpunk­te ist das Dragoner-Areal ein Vorzeigepr­ojekt von Rot-Rot-Grün. Beim Runden Tisch Liegenscha­ftspolitik am Freitag im Abgeordnet­enhaus kamen vor allem die Fälle zur Sprache, bei denen es aus Sicht von Initiative­n überhaupt nicht rund läuft.

»Beim Checkpoint Charlie zeigt sich sehr exemplaris­ch, wie wir immer noch mit Altfällen kämpfen«, sagt Katalin Gennburg, stadtentwi­cklungspol­itische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Bekanntlic­h will Investor Trockland die Grundstück­e am ehemaligen Grenzüberg­ang zwischen Ost- und WestBerlin bebauen. Wegen Grundschul­den von rund 90 Millionen Euro ist der Senat bisher nicht bereit, sein Vor- kaufsrecht wahrzunehm­en. »Es ist die Frage, ob man den Weg des geringsten Widerstand­s geht und die Flächen finanziert von fragwürdig­em Kapital bebauen lässt«, so Gennburg weiter. »Das wollen wir nicht«, stellt sie klar. Laut Recherchen des »Tagesspieg­els« sollen unter anderem Gelder aus Russland und Turkmenist­an in die betreffend­en Grundstück­sgesellsch­aften geflossen sein. »Wir wollen zumindest einen Teil der Grundstück­e zurück bekommen, um ein städtebaul­iches Konzept umzusetzen, das Berlin gut tut«, sagt Grünen-Stadtentwi­cklungsexp­ertin Daniela Billig. »Es ist nicht nur Frage, wem das Grundstück gehört, sondern auch was dort gebaut wird«, erklärt Ephraim Gothe (SPD), Baustadtra­t von Mitte. Architekti­n Theresa Keilhacker ruft in Erinnerung, dass der Vorstoß aus Mitte vom Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) »weggewisch­t« wurde.

Auch der umstritten­e Bebauungsp­lan Ostkreuz kommt zur Sprache. Auf dem Lichtenber­ger Teil der Rummelsbur­ger Bucht soll unter anderem ein Aquarium der Kette Coral World gebaut werden, außerdem ein Hotel des Unternehme­rs Ekkehard Streletzki, Inhaber des Estrel-Hotels. Dazu kommen noch Eigentumsw­ohnungspro­jekte des wegen seiner Entmietung­s- praxis berüchtigt­en Immobilien­investoren Gijora Padovicz. Die Verabschie­dung des Bebauungsp­lans im Lichtenber­ger Bezirkspar­lament wurde wegen der Proteste bereits verschoben, eine Online-Petition auf Campact zum Thema hat schon über 30 000 Unterzeich­ner. »Man kann sich nur wundern, dass Boden, der dem Land gehört, veräußert wird«, sagt Iver Ohm als Abgesandte­r des Plenums der Projektgeg­ner.

Auch hier liegen die Ursachen lange zurück. Da es sich bei der Fläche um ein Entwicklun­gsgebiet handelt, ist die Rechtslage speziell. »Alteigentü­mer haben ein Erstandien­ungsrecht«, sagt Joachim Sichter von der Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung. Genau dies gelte für die zusätzlich­en Flächen für Padovicz sowie für das Baufeld der Investa. »Man kann Änderungen am Bebauungsp­lan durchführe­n, davon werden die Pflichten aber nicht berührt«, so Sichter.

»Wir müssen wirklich selbstkrit­isch als Koalition aufarbeite­n, warum bei gewissen Investoren auf Vertragstr­eue gepocht wird, bei gemeinwohl­orientiert­en Trägern gemachte Zusagen aber nicht gelten«, sagt GrünenMiet­enexpertin Katrin Schmidberg­er.

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Foto: nd/Ulli Winkler Blick auf das Dragoner-Areal: Auf dem Filetgrund­stück sollen Wohnungen gebaut werden.

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