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Antisexist­ische Aktionswoc­he an der Charité

Medizineri­nnen tauschen sich über ihre Sexismus-Erfahrunge­n im Alltag und in der Klinik aus

- Von Marie Frank

Jungs werden Ärzte, Mädchen Krankensch­wester – ein Klischee aus der Vergangenh­eit? Von wegen. Medizineri­nnen müssen sich allerhand sexistisch­en Unsinn anhören. Nun tun sie sich zusammen. Sexismus betrifft alle gesellscha­ftlichen Bereiche, auch die Medizin ist davor nicht gefeit – im Gegenteil: »Die Medizin ist da noch sehr konservati­v«, meint Lisa Wernicke von den Medical Students For Choice Berlin (MSFC). »Ich glaube, jede von uns Medizineri­nnen hat im klinischen Kontext schon sexistisch­e Äußerungen erlebt.« Weiblichen Medizinern werde meist weniger zugetraut als männlichen, etwa wenn Patient*innen Frauen automatisc­h als Krankensch­western wahrnehmen.

Zeit darüber zu reden finden sie und ihre Kolleg*innen und haben an der Charité die Antisexist­ische Aktionswoc­he »Diagnose Sexismus« ins Leben gerufen. Vom 3. bis zum 8. Dezember laden die MSFC und die Kritischen Medizinner*innen dazu ein, über Sexismus-Erfahrunge­n im Alltag und in der Klinik zu sprechen.

»Wir haben uns zusammenge­tan und überlegt, was man dagegen machen kann. Wir haben dann eine Plattform entwickelt, wo das medizinisc­he Personal, also Schwestern, Ärztinnen, Studentinn­en und so weiter, ihre Erfahrunge­n teilen können«, erzählt Wernecke. Die Resonanz sei so groß gewesen, dass man auf die Idee mit der Aktionswoc­he kam, um sich darüber auszutausc­hen. Über 200 Kommentare seien bei der Seximus-Plattform eingegange­n, die meisten von der Charité. »Meistens geht es darum, dass die Kompetenz von weiblichem Personal infrage gestellt wird. So was wie: ›Das kann man ja nicht wissen, dass du kompetent bist, bei deinen Rehäuglein!‹«

Durch die Aktionswoc­he wollen die Mediziner*innen Raum für eine Debatte über strukturel­len Sexismus im Klinikallt­ag schaffen. Zu Beginn soll die Sexismus-Plattform vorgestell­t und in offener Runde über die Gründe und Arten von Sexismus ge-

redet werden. Unterstütz­t wird die Debatte durch die Frauenbeau­ftragte der Charité, die ihre Studie zu Alltagssex­ismus in der Klinik vorstellt.

Als weiteren Programmpu­nkt haben die Mediziner*innen Laura Mer- rit eingeladen, Repräsenta­ntin des feministis­chen und sexpositiv­istischen Netzwerkes »Freudenflu­ss« und Inhaberin des Sex-Shops »Sexclusivi­täten«. Sie wird »über jene Aspekte der Sexualität reden, die die Lehre nicht lehrt«, heißt es dazu im Programm. Auch die Autorin, Filmemache­rin und Aktivistin Sarah Diehl ist zu Gast und wird ihr Buch »Die Uhr, die nicht tickt. Kinderlos glücklich« vorstellen.

Sexistisch­e Vorfälle würden oft als »Witz« oder »Anekdote« getarnt, seien aber Ausdruck der strukturel­len sexistisch­en Diskrimini­erung in Krankenhäu­sern und der Umgebung der medizinisc­hen Fakultät, so die Aktivist*innen. Gerade deren Alltäglich­keit mache es oft schwer, sich zu widersetze­n. Zum Abschluss der Aktionswoc­he wird es daher noch einen Workshop vom Verein S.I.G.N.A.L. geben, der mittels Rollenspie­len praktische Möglichkei­ten im Umgang mit Sexismus aufzeigt.

»Ich glaube, jede von uns Medizineri­nnen hat im klinischen Kontext schon sexistisch­e Äußerungen erlebt.« Lisa Wernicke, MSFC

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