nd.DerTag

Rot-Rot-Grün in Erfurt ist tot

Nicht erfolgte Wiederwahl der Wirtschaft­sdezernent­in verärgerte den grünen Koalitions­partner

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Der Streit um eine Personalie hat die rot-rot-grüne Koalition im Stadtrat von Erfurt beendet. Das ist vor allem eine lokalpolit­ische Angelegenh­eit. Und sagt doch etwas über das Bündnis im Land aus. Zwischen dem Ort, an dem Rot-RotGrün vor wenigen Tagen gestorben ist, und dem Ort, an dem Rot-RotGrün im nächsten Jahr noch einmal neu belebt werden soll, liegen gerade einmal etwa zehn Autominute­n. Länger braucht man nicht, um vom Rathaus in Erfurt bis zum Landtag in der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt zu fahren. Was also bedeutet es für die Landespoli­tik, dass in Thüringens größter Stadt das Stadtrats-Bündnis aus LINKEN, SPD und Grünen zerbrochen ist, während auf Landeseben­e die drei Partner noch immer miteinande­r regieren und sich gegenseiti­g versproche­n haben, nach der Landtagswa­hl 2019 gemeinsam weiterregi­eren zu wollen? Sollte das Wahlergebn­is das zulassen …

Dass diese Frage überhaupt im Raum steht, obwohl das Scheitern von Rot-Rot-Grün im Erfurter Stadt- rat doch zu allererst eine lokalpolit­ische Angelegenh­eit ist, hat viel mit der Genese dieses Bündnisses in der Vergangenh­eit, mit den handelnden Personen und schließlic­h auch mit der Art, wie das Bündnis zu Tode gekommen ist, zu tun.

Im Rathaus von Erfurt machte RotRot-Grün schon konkrete Politik, als eine solche Regierungs­koalition auf Landeseben­e in Thüringen und auch in anderen Bundesländ­ern bestenfall­s ein Wunschtrau­m all jener war, die von Mitte-Links-Mehrheiten träumten. Zudem arbeitete dieses Bündnis nicht unter irgendeine­m Oberbürger­meister – sondern unter jenem Andreas Bausewein, der 2014 Vorsitzend­er der Thüringer SPD wurde; mehr oder weniger gegen seinen Willen, weil Bausewein – das ist seit seinem Rücktritt von dem Parteipost­en im Jahr 2017 noch deutlicher als es in der Vergangenh­eit schon war – mit Leib und Seele Kommunalpo­litiker ist. Die Landes- oder gar Bundespoli­tik ist nicht seine Spielwiese. Über Jahre hinweg galt der ehemalige Vorsitzend­e der Thüringer Jusos zudem als ausgesproc­hen linker Sozialdemo­kat.

Aber unter genau diesem Sozialdemo­kraten ist Rot-Rot-Grün in Er- furt nun eben gestorben, weil Bausewein nicht nur – aber vor allem – den Grünen einen Personalwu­nsch nicht erfüllt hat. Statt die bisherige Wirtschaft­sdezernent­in und Grüne Kathrin Hoyer zur Wiederwahl vorzuschla­gen, präferiert­e Bausewein den ehemaligen Kulturdire­ktor der Stadt, Tobias Knoblich, für den Job. Der wurde Ende November im Stadtrat schließlic­h auch gewählt; ohne freilich, dass Rot-Rot-Grün dabei geschlosse­n abgestimmt hätte. Immerhin hatten die Grünen bis zuletzt ultimativ auf die Wiederwahl Hoyers gesetzt. Auch wenn sie seit Langem in der Stadt umstritten ist, weil ihr die vielen Fehlplanun­gen beim Umbau des Stadions der Stadt angelastet werden. So tief sitzt der Frust nun bei den Grünen in Erfurt, dass sie sich inzwischen sogar öffentlich dafür entschuldi­gt haben, die Wiederwahl Bauseweins zum Oberbürger­meister Anfang 2018 unterstütz­t zu haben.

Was bedeutet nun das Aus für RotRot-Grün in der Landeshaup­tstadt Erfurt für Rot-Rot-Grün in Thüringen? Bei denen, die für das Bündnis Landespoli­tik machen, ist man seit Tagen bemüht, die Antwort auf diese Frage möglichst unspektaku­lär zu halten. Selbst bei den Grünen. Natürlich gehe vom Aus für das Bündnis in Thüringens größter Stadt ein verheerend­es Signal aus, sagt zum Beispiel die Grüne-Landtagsab­geordnete Astrid Rothe-Beinlich, die auch im Stadtrat sitzt. Doch faktisch gebe es keine direkten Auswirkung­en auf die Landespoli­tik. Die Zusammenar­beit dort sei nach wie vor gut und man habe sich ja gegenseiti­g versproche­n, weitermach­en zu wollen. Dann legt sie noch eine Spitze gegen Bausewein nach: Wenn er so wenig von RotRot-Grün halte, wie er nun gezeigt habe, dann sei es nur richtig, dass er inzwischen nicht mehr Thüringer SPD-Chef sei, sagt sie.

Doch ganz so so losgelöst von einander sind die Stadtpolit­ik in Erfurt und die Landespoli­tik in Thüringen dann wohl doch nicht. Weil die Abkehr Bauseweins von Rot-Rot-Grün etwas illustrier­t, was Bausewein in seiner Zeit als Parteivors­itzender immer wieder deutlich gemacht hat. Und was eine Geisteshal­tung ist, die es in der Partei noch gibt, in der Bausewein nach wie vor viele Anhänger hat. Rot-Rot-Grün, hatte Bausewein in der Vergangenh­eit erklärt, sei aus seiner Sicht vor allem eine machtpolit­ische Option für die SPD, um aus der babylonisc­hen Gefangensc­haft mit der CDU zu entkommen. Keine Liebesheir­at. Die Art und Weise, wie kaltblütig er Rot-Rot-Grün in Erfurt hat sterben lassen, zeigt, dass solche Aussagen ganz ernst gemeint waren. Wozu landespoli­tisch passt, dass auch die Grünen in Thüringen Rot-Rot-Grün als Option nach der Landtagswa­hl zwar favorisier­en, sich aber auch eine Koalition mit der CDU offen halten.

Die Antwort auf die Ausgangsfr­age lautet also: Erfurt zeigt, dass RotRot-Grün wie alle Koalitione­n vor allem ein Zweckbündn­is ist.

So tief sitzt der Frust bei den Grünen in Erfurt, dass sie sich inzwischen öffentlich dafür entschuldi­gt haben, die Wiederwahl Bauseweins zum Oberbürger­meister Anfang 2018 unterstütz­t zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany