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Kopf ab bei der Fledermaus

- Von Christian Klemm

Ich

war ständig dicht und über Jahre verrückt.« Dieses Zitat stammt von Ozzy Osbourne – und beschreibt den Zustand, in dem sich der Musiker über rund vier Jahrzehnte befand. Mehrmals ist er dem Sensenmann von der Schippe gesprungen, hat Millionen in Drogen und Alkohol investiert, ist auf seine Ehefrau losgegange­n und biss einer Fledermaus auf der Bühne den Kopf ab. Dass er nicht wie Jim Morrison (The Doors), Janis Joplin oder Bon Scott (AC/DC) im Rausch vorzeitig abgetreten ist, grenzt an ein Wunder. Ein Wunder, an das selbst er nicht so richtig glauben kann. Am Montag wird der »Madman« 70 Jahre alt.

Osbourne ist nicht weniger als eine Legende. Mit Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward hat der aus der englischen Arbeiterst­adt Birmingham stammende »Fürst der Finsternis« Ende der 1960er Jahre die Hard-Rock-Band Black Sabbath gegründet. Durch schwere Gitarrenri­ffs, einer düsteren Atmosphäre und Osbournes unheilvoll­em Organ hat sie ein eigenes Musikgenre geschaffen: den Heavy Metal. Die ersten sechs Alben der Truppe müssen bei jedem langhaarig­em Musikliebh­aber im Plattenreg­al stehen. »Hamlet«, »Die Leiden des jungen Werthers« und »Mutter Courage und ihre Kinder« gehören zum Kanon klassische­r Literatur, Black-SabbathHym­nen wie »Children of the Grave«, »Iron Man« und »Paranoid« sind ihr Metal-Äquivalent.

Nach zwei durchschni­ttlichen Platten und dem anschließe­nden, drogenbedi­ngten Rausschmis­s bei Black Sabbath fand Osbourne mit den beiden Soloalben »Blizzard of Ozz« und »Diary of a Madman« Anfang der 1980er noch einmal zur Hochform. Kurz zuvor heiratete er seine zweite Frau Sharon, die Tochter des ehemaligen SabbathMan­agers und Jet-Records-Chefs Don Arden. Dann begann der langsame Abstieg von Ozzy. Gleichzeit­ig drehten Black Sabbath mit ihrem neuen Sänger Ronny James Dio noch einmal auf: »Heaven and Hell« und »Mob Rules« stehen bei nicht wenigen Fans höher im Kurs als das eine oder andere Album mit Osbourne-Beteiligun­g.

Den absoluten Tiefpunkt in seiner Karriere erlebte Osbourne in der Dokusoap »The Osbournes« auf MTV, die ihn, seine Frau und zwei seiner Kinder zwischen 2002 und 2004 im Alltag zeigte. Darin ist der Musiker zugedröhnt beim Fernsehguc­ken zu sehen oder torkelt besoffen durch die Straßen seines Villenvier­tels. Echt grausam. Die Kinder Jack und Kelly hatten während der Dreharbeit­en mit Alkohol und Drogen zu kämpfen. Ganz der Papa eben. Kommerziel­l war die Serie ein voller Erfolg. Für gute Verträge dürfte Managerin Sharon gesorgt haben.

2013 geschah dann das Unglaublic­he: Black Sabbath veröffentl­ichten mit »13« in der Besetzung Osbourne, Iommi und Butler ihr 19. Studioalbu­m. Das Schlagzeug spielte Brad Wilk ein, früher bei Rage Against The Machine aktiv. Eine Welttourne­e folgte.

Das wäre ein schöner Schlusspun­kt für den gebürtigen Engländer gewesen. Doch Pustekuche­n! Für das kommende Jahr sind wieder Konzerte von Ozzy Osbourne quer über den Globus angekündig­t. Wer einen desillusio­nierten alten Mann über die Bühne stolpern sehen will, wird vermutlich wieder eine Stange Geld auf den Tisch legen müssen. Alle anderen setzen sich vor die heimische Anlage und hören die alten Platten.

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