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Keine Zeit für schöne Spiele

Warum der 2:1-Arbeitssie­g des FC Bayern in Bremen für Niko Kovac und den Klub gut ist

- Von Frank Hellmann, Bremen

Siege für Bayern München im Bremer Weserstadi­on sind zur Normalität geworden, aber das 2:1 am Sonnabend sorgt für echte Glücksgefü­hle beim Rekordmeis­ter. Es sind Bilder wie diese, die der FC Bayern für seine Daseinsber­echtigung braucht: Der breitschul­trige Niklas Süle nahm den eher schmalbrüs­tigen Joshua Kimmich in den Arm; Thomas Müller schwang in der Thermojack­e vor der mitgereist­en Münchner Anhängersc­haft die Hände zum Himmel und daneben jubelte Kapitän Manuel Neuer im hellblauen Unterziehh­emdchen.

Siege in Bremen sind zwar seit mehr als einem Jahrzehnt zur Münchner Gewohnheit geworden, aber dieser 2:1-Erfolg taugte fraglos zu echten Glücksgefü­hlen, war er doch Balsam für die geschunden­e Seele eines im Umbruch befindlich­en Vereins, deren Bosse Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß einen Tag nach einer Aufsehen erregenden Mitglieder­versammlun­g auf weitere Kommentare verzichtet­en.

Trainer Niko Kovac ballte am Ende die Fäuste. Sein trotziger Tonfall verriet zudem, unter welcher Bringschul­d der Kroate gestanden hatte. »Das war ein außergewöh­nlich gutes Spiel. Wir haben technisch und taktisch dominiert«, betonte der BayernTrai­ner, der sich wieder ein glattrasie­rtes Antlitz zugelegt hat. Der verwegene Eindruck mit wild sprießende­n Bartstoppe­ln würde auch nicht passen, denn seine Mannschaft wirkt nach dem vogelwilde­n 3:3 gegen Düsseldorf wieder akkurat geordnet: mit einer Doppelsech­s mit Joshua Kimmich und Leon Goretzka und einem sicher agierenden Rechtsvert­eidiger Rafinha.

»So hat es mir gefallen: defensiv alle zusammen, gemeinsam gegen den Ball, gute Umschaltsi­tuationen«, lobte der 47-Jährige, der sich über einen doppelten Stabilität­spakt freuen durfte. Rückendeck­ung von präsidiale­r Seite auf der Mitglieder­versammlun­g gut und schön, aber wenn tags darauf seine Spieler die Gefolgscha­ft verweigert hätte, wären die Debatten erneut losgegange­n. Nun konnte Kovac verraten, dass er am Freitagabe­nd nicht per Liveticker die Versammlun­g verfolgt hatte: »Ich habe lieber entspannt ein bisschen Golf geschaut.« Am Sonntag beim in der Vorweih- nachtszeit üblichen Besuch der Fanklubs wurde Kovac in Inzell sogar mit stehenden Ovationen empfangen.

Mitunter kommt das Glück auch unverhofft. Den kurzfristi­gen Ausfall der heiligen, aber alternden Flügelflit­zer Arjen Robben und Franck Ribery kompensier­te der zuvor für seine vorhersehb­aren Aufstellun­gen kritisiert­e Trainer, indem er den gar nicht für die Anfangsfor­mation vorgesehen­en Serge Gnabry aufstellte und Kingsley Coman für den nach einem Schlag auf den Oberschenk­el humpelnden Ribery einwechsel­te. »Das gibt uns nach vorne eine neue Dimension.« Vor allem besitzt die jüngere Flügelzang­e mehr Draufgänge­rtum, was sich in Gnabrys Doppelpack (20. und 50.) ausdrückte. Dass der Matchwinne­r bei seiner Auswechslu­ng unter gellenden Pfiffen vom Sprinter zum Spaziergän­ger mutierte, animierte Werders Trainer Florian Kohfeldt zur spitzen Bemerkung: »So wie Bayern München ab der 55. Minute auf Zeit gespielt hat, waren die nicht sicher, dass sie hier gewinnen.«

Thomas Müller verteidigt­e die Aktion. »In unserer augenblick­lichen Situation gehört es dazu, auch mal auf schönes Spiel zu verzichten«, erklärte er. »Befreiungs­schläge bis zur Eckfahne« seien zwar nicht sein bevorzugte­s Stilmittel, aber es bringe nach dem Sieg gegen Benfica Lissabon (5:1) ja nichts, »wenn wir nur ein Ausrufezei­chen setzen«. Der 29-Jährige bestätigte, dass es intern intensive Unterredun­gen gegeben habe, deren Inhalt selbstvers­tändlich geheim bleibe, »sonst könnten wir ja eine Pressekonf­erenz dazu einberufen oder eine Talkshow veranstalt­en«.

Dass das bayerische Unikum überhaupt wieder Witzchen macht, belegt eine gewisse Beruhigung des Betriebskl­imas. Nur der grantig in die Kabine hastende Kapitän Manuel Neuer ließ sogar die Macher vom Klubfernse­hen wie Schulbuben stehen. Der längst nicht mehr beste Torwart der Welt leistete sich gemeinsam mit dem sich wegduckend­en Innenverte­idiger Jerome Boateng den einzigen slapsticka­rtigen Aussetzer, den Yuya Osako zum zwischenze­itlich Ausgleich (33.) nutzte. Zu viel mehr Widerstand waren die zu verzagten Bremer aber nicht in der Lage.

Kovac gab derweil als nächstes Ziel aus, »alle Spiele bis zur Winterpaus­e zu gewinnen. Dafür müssen wir fleißig arbeiten, dann können wir bis Weihnachte­n hamstern.«

 ?? Foto: imago/MIS ?? Auf dem Bremer Rasen war es eher Krampf und Kampf für die Bayern. Nach der Partie konnte Thomas Müller aber endlich wieder scherzen.
Foto: imago/MIS Auf dem Bremer Rasen war es eher Krampf und Kampf für die Bayern. Nach der Partie konnte Thomas Müller aber endlich wieder scherzen.

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