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Länder wollen nicht kooperiere­n

Der Digitalpak­t Schule droht am Veto des Bundesrate­s zu scheitern

- Von Jürgen Amendt

Das milliarden­schwere Investitio­nspaket für eine bessere digitale Infrastruk­tur an Schulen droht zu scheitern. Mehrere Bundesländ­er kündigten an, im Bundesrat nicht zuzustimme­n. Am Montag meldete sich die Bildungsge­werkschaft GEW zu Wort. »Bildung kann sich die Blockadeha­ltung einiger Bundesländ­er nicht leisten. Es ist jetzt endlich an der Zeit, eine historisch­e Fehlentsch­eidung zu korrigiere­n«, sagte die GEW-Vorsitzend­e Marlis Tepe in Frankfurt am Main. Es könne nicht sein, dass fünf Ministerpr­äsidenten die bereits ausgehande­lte Bund-Länder-Vereinbaru­ng zur Digitalisi­erung von Schulen kippen.

Die Angelegenh­eit ist politisch brisant und komplizier­t zugleich – wie immer, wenn es um das Thema Föderalism­us geht. Und beim Widerstand gegen den Digitalpak­t handelt es sich nur vordergrün­dig um egoistisch­e Interessen einzelner Länder. Der Teufel steckt im Detail. Vergangene Woche hatte der Bundestag mit großer Mehrheit eine Grundgeset­zänderung beschlosse­n, damit der Bund künftig selbst Geld in die Schulbildu­ng stecken kann. Konkret geht es um das Aufweichen des Kooperatio­nsverbotes, das Berlin seit 2006 untersagt, in die Schulpolit­ik der Länder hineinzure­gieren.

Im Forschungs­bereich wurde dieses damals von Union und SPD mit Zweidritte­l-Mehrheit im Bundestag durchgedrü­ckte Kooperatio­nsverbot bereits vor einigen Jahren aufgeweich­t; im Schulberei­ch konnte sich der Bund bislang aber lediglich im Rahmen von Sonderprog­rammen finanziell engagieren. Mit der Änderung des Grundgeset­zartikels 104c sollte künftig der Bund in die Lage versetzt werden, Geld in den Schulberei­ch zu stecken. Artikel 104c sollte dahingehen­d geändert werden, dass der Bund berechtigt ist, Ländern und Kommunen im Bereich der regionalen Bildungsin­frastruktu­r Finanzhilf­en zu gewähren.

Dagegen haben die Länder prinzipiel­l nichts; sie stoßen sich aber an den Änderungen von Artikel 104b, womit den Ländern vorgeschri­eben werden soll, dass Finanzhilf­en des Bundes in »jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmitt­el für den entspreche­nden Investitio­nsbereich zu ergänzen« sind. Im Klartext: Für jeden Euro, den der Bund künf- tig für Infrastruk­turprojekt­e ausgibt, müssten die Länder einen Euro drauflegen.

Am vergangene­n Wochenende machten die Ministerpr­äsidenten von Bayern, Baden-Württember­g, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen ihre Ablehnung deutlich. Die Änderung des Artikels 104b greife, so die fünf Politiker in einem Gastbeitra­g für die »Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung«, zu sehr in die Länderhohe­it ein. Sie werfen dem Bundestag vor, die Änderung des Artikel 104b an ihnen vorbei beschlosse­n zu haben. Diese Änderung, so Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU), die die Bildungspo­litik der unionsgefü­hrten Ländermini­sterien koordinier­t, »hat uns alle überrascht«.

Auch Thüringens Kultusmini­ster Helmut Holter (Linksparte­i), derzeit Präsident der Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK), ist irritiert. »Das ist ein Kompromiss innerhalb des Bundestage­s, aber kein Kompromiss mit den Ländern«, sagte Holter am Dienstag. Die Regelung habe die Länder »kalt erwischt« und sei mit ihnen auch nicht besprochen worden. Der LINKE-Politiker warb allerdings bei seinen Amtskolleg­en dafür, der Ver- einbarung zum Digitalpak­t auf der KMK-Sitzung am Donnerstag zuzustimme­n.

Dazu wird es aber wohl nicht kommen, denn der KMK-Beschluss muss einstimmig fallen. BadenWürtt­embergs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat jedoch bereits angekündig­t, sein Land werde ein Veto einlegen. Die 5,5 Milliarden Euro (90 Prozent davon vom Bund, 10 Prozent von den Ländern – der Digitalpak­t ist von der vom Bundestag beschlosse­nen 50/50-Regelung noch nicht betroffen), die den Schulen bis 2023 für flächendec­kendes WLAN, TabletComp­uter oder Fortbildun­gen für Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden sollten, würden dann zunächst auf Eis liegen. Die Abstimmung im Bundesrat ist für den 14. Dezember vorgesehen.

GEW-Chefin Marlies Tepe quittiert das Verhalten der Länder mit Kopfschütt­eln. Der enorme Investitio­nsstau und der dramatisch­e Fachkräfte­mangel an Schulen und in Kitas bezeugten, dass sich die Länder nicht ausreichen­d um die Bildungsfi­nanzierung selbst kümmerten. Nachvollzi­ehbar sei allerdings, dass arme Bundesländ­er zum Teil ein Problem hätten, 50 Prozent auf die Bundesmitt­el draufzuleg­en. Hierfür müsse schnell nach Lösungen gesucht werden, forderte Tepe.

Für jeden Euro, den der Bund künftig für Infrastruk­turprojekt­e ausgibt, müssten die Bundesländ­er einen Euro drauflegen.

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Foto: dpa/Friso Gentsch »Das Internet ist für uns alle Neuland.« (Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor fünf Jahren)

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