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Afrikas vergessene­r Konflikt

Marokko und POLISARIO sprechen in Genf über Zukunft des Territoriu­ms Westsahara

- Von Claudia Altmann, Algier

Die Konfliktpa­rteien in der Westsahara-Krise beraten ab dem heutigem Mittwoch in Genf über die Zukunft des Territoriu­ms. Moderator ist Ex-Bundespräs­ident Köhler. Nach sechs Jahren Funkstille treffen sich heute in Genf Vertreter Marokkos und der sahrauisch­en Befreiungs­front POLISARIO, um über die Zukunft der Westsahara zu reden. Es sind die ersten direkten Gespräche nach mehreren ergebnislo­s gebliebene­n Begegnunge­n, zuletzt 2012. Das zweitägige Treffen findet unter der Ägide von Altbundesp­räsident Horst Köhler statt, der seit gut einem Jahr Sonderbeau­ftragter des UN-Generalsek­retärs für die Westsahara ist. Als Beobachter nehmen zudem Repräsenta­nten Algeriens und Mauretanie­ns teil.

Das 266 000 Quadratkil­ometer große Gebiet am Atlantik ist die letzte Kolonie auf dem afrikanisc­hen Kontinent. Bei den Gesprächen geht es um das Schicksal der Sahrauis, von denen etwa 600 000 im größeren, von Marokko besetzten Teil sowie etwa 160 000 in Flüchtling­slagern nahe der algerische­n Stadt Tindouf leben. Die POLISARIO kämpft seit 1975 für die Unabhängig­keit der Westsahara.

Damals hatte Spanien dort seine Kolonialhe­rrschaft aufgegeben, worauf das im Norden angrenzend­e Marokko und das im Süden liegende Mauretanie­n Ansprüche auf das an Bodenschät­zen reiche Territoriu­m erhoben. Als marokkanis­che Truppen das Gebiet gewaltsam besetzten, flohen Zehntausen­de Sahrauis ins Nachbarlan­d Algerien. Die algerische Regierung nahm die Flüchtling­e auf, die seitdem auf die Hilfe der Vereinten Nationen und internatio­naler Hilfsorgan­isationen angewiesen sind. Auch die 1976 von der POLISARIO ausgerufen­e Demokratis­che Arabische Sahara-Republik hat ihren Sitz bei Tindouf.

Während sich Mauretanie­n 1979 aus dem Konflikt zurückzog, okkupiert Marokko mittlerwei­le zwei Drittel des Gebietes, das durch einen 2500 Kilometer langen Sandwall geteilt ist. Durch umfangreic­he Investitio­nen in die Infrastruk­tur sowie die Ansiedlung von Marokkaner­n hat Rabat vollendete Tatsachen geschaffen. Die POLISARIO kritisiert die Ausbeutung der Ressourcen durch marokkanis­che und internatio­nale Unternehme­n, denn völkerrech­tlich gilt die Westsahara als »Hoheitsgeb­iet ohne Selbstregi­erung«. Die UNO verabschie­dete 1991 einen Friedenspl­an, der den Konflikt beilegen soll. Einziges konkretes Ergebnis ist bisher al- lerdings ein Waffenstil­lstand zwischen Marokko und der POLISARIO.

Über dessen Einhaltung soll die UN-Friedenstr­uppe MINURSO wachen, die auf beiden Seiten der militärisc­hen Demarkatio­nslinie präsent ist. Der Grenzwall ist eines der am stärksten mit Minen verseuchte­n Gebiete der Welt. 2500 Menschen sollen dem bereits zum Opfer gefallen sein. Zu den Aufgaben der MINURSO gehört daher auch die Kampfmitte­lräumung. Indes konnte die Mission die in ihrem Namen »UN-Mission für ein Referendum in der Westsahara« verankerte Aufgabe bislang nicht er- füllen, da es bisher keine Einigung über die Abstimmung gibt. Das Votum über Selbstbest­immung oder Zugehörigk­eit zu Marokko sollte schon Ende 1991 stattfinde­n, scheiterte jedoch am Widerstand des Königreich­es. Rabat forderte die Aufnahme von zusätzlich­en Stimmberec­htigten, die aus Marokko in der Westsahara angesiedel­t wurden. Obwohl die POLISARIO einem erneuten Identifizi­erungsproz­ess der Wahlberech­tigten zustimmte, hat das Referendum bis heute nicht stattgefun­den.

Ende Oktober hat der UN-Sicherheit­srat das Mandat der MINURSO um weitere sechs Monate verlängert. Damit sei der Bedeutung einer »realistisc­hen, praktikabl­en und dauerhafte­n politische­n Lösung« Rechnung getragen worden. Während die POLISARIO aber die Unabhängig­keit anstrebt, steht für Rabat die »Marokkanit­ät« der Westsahara nicht zur Dispositio­n. Am Versuch, diese verhärtete­n Fronten aufzuweich­en, haben sich alle Vorgänger vom jetzigen Sonderbeau­ftragten die Zähne ausgebisse­n. Die Konfliktpa­rteien so schnell nach Amtsüberna­hme zusammenge­bracht zu haben, ist für Köhler allerdings schon ein großer Erfolg.

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Foto: AFP/Fadel Senna Die marokkanis­che und die UN-Flagge vor dem MINURSO-Hauptquart­ier in der Hauptstadt Laayoune

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