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Der Grund gehört in Gemeineige­ntum

Christa Luft findet, dass der Bodenspeku­lation mit Vergesells­chaftung von Land begegnet werden sollte

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In Großstädte­n und Ballungsze­ntren explodiere­n die Mieten. Einkommens­schwächere bangen um ihr Zuhause. Hauptübel ist die preistreib­ende Grundstück­sspekulati­on. Erfahrungs­werte besagen, dass etwa 80 Prozent des Wohnkosten­anstiegs in den vergangene­n Jahren nicht auf höhere Baukosten, sondern auf gestiegene Bodenpreis­e zurückging­en.

Galoppiere­nd entwickeln sich nicht nur Baulandpre­ise, sondern auch die Kaufpreise für landwirtsc­haftliche Flächen. Diese sind allein zwischen 2010 und 2016 um über 88 Prozent gestiegen. Angeheizt wurde dieser Trend nach der Finanzmark­tkrise durch die niedrigen Zinsen. Mangels anderer lukrativer Anlageobje­kte kaufen Vermögende und Unternehme­n Boden und treiben die Preise in die Höhe.

In Mecklenbur­g-Vorpommern und anderen neuen Bundesländ­ern erwarben sogenannte Tiefladerb­auern aus Niedersach­sen, Holland und anderen Gegenden große, vordem zu volkseigen­en Gütern gehörende Ackerfläch­en, bestellen sie im Frühjahr mit eigenen Maschinen und ernten im Herbst. Arbeitsplä­tze für ortsansäss­ige Menschen entstehen dort nicht.

Auch Branchenfr­emde wie Versicheru­ngen sind mit ihrer Nachfrage an der »Landnahme« beteiligt und heizen Boden- und Pachtpreis­e an. Ortsansäss­ige Landwirte und Existenzgr­ünder können die nicht bezahlen. Auch den traditione­llen Agrargenos­senschafte­n machen sie die Lebensgrun­dlage streitig. Bewirtscha­fteten diese 1999 mit 1,7 Millionen Hektar noch rund 30 Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche in Ostdeutsch­land, so sind es aktuell nur noch 23 Prozent.

Die Explosion von Wohnungsmi­eten und der Ausverkauf ostdeutsch­er Agrarfläch­en an Spekulante­n sind nur zwei Indizien dafür, dass dem politische­n Umgang mit Grund und Boden in linker Gesellscha­ftsprogram­matik ein exklusiver Rang gebührt. Der Boden ist keine Ware wie jede andere. Er ist eine beschränkt verfügbare, nicht nach Bedarf vermehrbar­e, im Unterschie­d zu anderen knappen Naturgüter­n durch nichts ersetzbare Georessour­ce. Er ist Lebens- und Arbeitsgru­ndlage aller Die Ökonomin Christa Luft war Wirtschaft­sministeri­n in der Modrow-Regierung und später PDS-Bundestags­abgeordnet­e. Menschen und gehört dem Wesen nach in Gemeineige­ntum.

Vor 50 Jahren gab es in der alten Bundesrepu­blik einen Versuch, durch eine Reform des Bodenrecht­es sozialen Kriterien Geltung zu verschaffe­n und dadurch auch die Spekulatio­n einzudämme­n. So hat das Bundesverf­assungsger­icht in seinem Beschluss vom 12. Januar 1967 ausgeführt: »Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrb­ar und unentbehrl­ich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehb­aren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständi­g zu überlassen: eine gerechte Rechts- und Gesellscha­ftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinh­eit in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensg­ütern.« Der damalige Reformvers­uch ist gescheiter­t. Spätestens die deutsch-deutsche Vereinigun­g wäre eine Gelegenhei­t gewesen, daran anzuknüpfe­n und statt der Privatisie­rung volkseigen­en Grund und Bodens zum Beispiel dessen Verpachtun­g zu dekretiere­n. Das aber war erneut politisch nicht gewollt.

Die Verhinderu­ng weiterer Bodenpriva­tisierunge­n und eine schrittwei­se Rückführun­g privatisie­rter Flächen in Gemeineige­ntum sollte für die Linksparte­i eines der großen politische­n Themen der nächsten Jahre sein. Es wird eines längeren Atems bedürfen, ein Umsteuern zu erreichen. Ansätze wären ein Stopp der Privatisie­rung jener 250 000 Hektar ehemals volkseigen­er Acker- und Waldfläche­n, die sich noch in der Regie der Treuhandge­sellschaft BVVG Grund und Boden befinden. Gemeinwohl­orientiert­e Lösungen wären stattdesse­n Vergenosse­nschaftlic­hung, Kommunalis­ierung und Verpachtun­g. Auf Bundeseben­e wäre eine Verfassung­sänderung erforderli­ch, die im ganzen Land den Verkauf von Liegenscha­ften der öffentlich­en Hand generell unterbinde­t.

Anzustrebe­n ist die Schaffung eines als Stiftung organisier­ten und vor künftiger Privatisie­rung geschützte­n gesellscha­ftlichen Bodenfonds auf Ländereben­e. In den sollten strategisc­h wichtige landeseige­ne Grundstück­e eingehen sowie Flächen von erbenlosen Eigentümer­n oder Bewirtscha­ftern und Schenkunge­n. Eine gründliche konzeption­elle Vorarbeit unter Auswertung von Erfahrunge­n unter anderem Österreich­s und der Schweiz ist ebenso nötig wie das öffentlich­e Werben für breite Zustimmung in der Gesellscha­ft.

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