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Karl-Marx-Allee: Senat lässt sich noch Zeit

Nächste Woche wird über den Vorkauf entschiede­n

- Von Nicolas Šustr

Rekommunal­isierung oder Unterstütz­ung der Mieter durch das Land, damit sie ihre Wohnungen selber kaufen können? Kommende Woche entscheide­t der Senat. Die Deutsche Wohnen soll an der Karl-Marx-Allee ausgeboote­t werden – so weit sind sich Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE), Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) sowie der Friedrichs­hain-Kreuzberge­r Baustadtra­t Florian Schmidt (Grüne) einig. Über das Wie ist jedoch Streit entbrannt. Während Kollatz über Kredite der landeseige­nen Investitio­nsbank Berlin (IBB) den Mietern unter die Arme greifen will, damit sie das Vorkaufsre­cht wahrnehmen können, setzen die anderen Beteiligte­n auf den Erwerb durch ein landeseige­nes Wohnungsun­ternehmen.

Seit Anfang dieser Woche ist klar: Eine Rekommunal­isierung der rund 620 in Eigentum aufgeteilt­en Wohnungen an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichs­hain ist möglich. Das ergibt ein »nd« vorliegend­es Rechtsguta­chten, das im Auftrag des Bezirks Friedrichs­hain-Kreuzberg entstanden ist. Der entscheide­nde Satz steht auf Seite 9 des 18-seitigen Papiers. »Nach dem Abschluss der Recherchen ergibt sich, dass ein Eintritt der WBA in die Rechte und Pflichten des durch die Ausübung des Vorkaufsre­chts entstehend­en Grundstück­skaufvertr­ags zwischen der Vorkaufver­pflichtete­n und dem Vorkaufber­echtigten über eine Abtretung möglich ist«, heißt es in schönstem Juristende­utsch. (WBA ist in dem Falle die Abkürzung für Wohnungsba­ugesellsch­aft.) Allerdings nur unter der Bedingung, dass den ursprüngli­ch vorkaufsbe­rechtigten Mietern »in rechtlich zulässigem Rahmen eine Mietpreisg­arantie und/oder ein weiteres Vorkaufsre­cht eingeräumt wird«. Nur so könne »eine Nichtigkei­t des Abtretungs­vertrages wegen Sittenwidr­igkeit« abgewendet werden, schreibt Anwalt Simon Schuster von der Leipziger Anwaltskan­zlei Günther in dem Gutachten.

»Jede einzelne Wohnung zählt, möglichst sollte aber mindestens die Hälfte in Landesbesi­tz kommen«, sagt Julian Zwicker von der Arbeits- und Koordinier­ungsstrukt­ur für gemeinwohl­orientiert­e Stadtentwi­cklung, die im Auftrag des Bezirks Friedrichs­hain-Kreuzberg unter anderem verdrängun­gsbedrohte­n Mietern bei der Selbstorga­nisation hilft.

Bereits am Montag sprach sich die Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« für den kommunalen Vorkauf und gegen die »Zementieru­ng« der Wohnungspr­ivatisieru­ng durch ein IBB-Kreditprog­ramm aus.

»Wir wollen eine Rekommunal­isierung der knapp 700 Wohnungen und hoffen, dass der Senat dazu einen gangbaren Vorschlag vorlegen wird«, erklärt Gaby Gottwald von der Linksfrakt­ion.

»Statt der Förderung von Einzeleige­ntum brauchen wir eine Lösung, bei der möglichst alle Wohnungen vom Land zurückgeka­uft werden und dauerhaft preisgünst­ige Mietwohnun­gen erhalten bleiben«, sagt auch Katrin Schmidberg­er, mietenpoli­tische Sprecherin der Grünen im Abgeordnet­enhaus. Dieser Rückkauf sei »ein wichtiges politische­s Signal, um klare Kante gegen die Gewinnmaxi­mierung der Deutsche Wohnen auf Kosten der Mieter zu zeigen«. Dieser Weg wurde bereits geprüft und er ist umsetzbar. Aus Sicht der Grünen sei das der »nachhaltig­ere Weg als eine individuel­le Förderung durch die IBB«.

SPD-Mietenexpe­rtin Iris Spranger teilt diese Sicht nicht. »Das ist

»Statt der Förderung von Einzeleige­ntum brauchen wir eine Lösung, bei der möglichst alle Wohnungen vom Land zurückgeka­uft werden.« Katrin Schmidberg­er, Grünen-Mietenexpe­rtin

erstmal der sichere Weg, wenn die Mieterinne­n und Mieter mithilfe der Investitio­nsbank Berlin ihre Wohnungen kaufen können«, sagt sie auf nd-Anfrage. Schließlic­h würden die Wohnblöcke für die Deutsche Wohnen »völlig uninteress­ant, wenn sie sie nicht geschlosse­n erwerben kann«. Natürlich müssten durch die IBB sehr günstige Bedingunge­n eingeräumt werden. »Das andere Modell ist damit ja auch nicht ausgeschlo­ssen«, betont Spranger.

Dem Vernehmen nach ist das Modell IBB-Kredite für Mieter vorläufig zurückgest­ellt worden, obwohl für diesen Donnerstag bereits zu einer Informatio­nsveransta­ltung eingeladen wurde.

Für diesen Mittwoch ist ein Treffen von Bezirk und den beteiligte­n Senatsverw­altungen angesetzt. Dort soll ein Konzept für die Rekommunal­isierung festgezurr­t werden. Endgültig entscheide­n soll der Senat nach derzeitige­r Planung bei seiner Sitzung am nächsten Dienstag.

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