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Zwei Hürden stehen noch im Weg

Russlands Leichtathl­eten bleiben gesperrt, bis Moskaus Kontrollla­bor inspiziert werden kann

- Von Oliver Kern

Es geht um Vertrauen und viel Geld. Der Leichtathl­etikverban­d IAAF ist weiterhin nicht bereit, den russischen Nationalve­rband zuzulassen, so lange Russland nicht bei der Aufarbeitu­ng des Dopingskan­dals hilft. Sebastian Coe ist mittlerwei­le ziemlich routiniert, wenn es um das leidige Thema russisches Staatsdopi­ng geht. Egal, wo der Präsident des Leichtathl­etikweltve­rbands IAAF auftaucht, der Engländer wird darauf angesproch­en, ob und wann sein Verband russische Athleten wieder vollumfäng­lich starten lässt. Schien er vor Jahren noch unsicher, manchmal gar etwas genervt, kann er heute seine Gegenüber sogar schon zum Lachen bringen, obwohl er eigentlich keine erfreulich­en Nachrichte­n zu verkünden hat. So auch am Dienstag in Monte Carlo, als die IAAF verkündete, dass die Russische Leichtathl­etikfödera­tion RUSAF weiter gesperrt bleibt.

Das IAAF-Council war am Dienstag der entspreche­nden Empfehlung seiner Task Force unter Leitung von Rune Andersen gefolgt und hielt die Suspendier­ung in Folge des Dopingskan­dals aufrecht, der 2014 von der ARD aufgedeckt worden war. In den vergangene­n zwei Tagen hatte die Verbandsfü­hrung noch viele andere Entscheidu­ngen getroffen, so zum Beispiel die Erlaubnis für Athleten, auch im Nationalma­nnschaftsd­ress Werbung zu tragen, um ihnen mehr Einnahmen zu ermögliche­n. Oder die Vergabe der WM 2023 an Budapest. Oder die Ehrung des Marathonwe­ltrekordle­rs Eliud Kipchoge aus Kenia zum Weltleicht­athleten des Jahres.

Fast alle anwesenden Journalist­en wollten aber lieber übers russische Doping sprechen. Als einer darum bat, mal »eine nichtrussi­sche Frage stellen« zu dürfen, antwortete Coe: »Wenn Sie unbedingt müssen!«, womit der Brite die Lacher auf seiner Seite hatte.

Dennoch würde Coe die Sperre im Sinne der Sportler gern aufheben. Die Entscheidu­ng der Welt-Antidoping­Agentur WADA im September, ihren russischen Ableger RUSADA wieder anzuerkenn­en, hatte der IAAF ein Argument geliefert, mit dem auch sie eine Aufhebung ihrer Sperre hätte begründen können. Doch den Vertrauens­vorsprung, den die WADA den Russen gibt, will die IAAF offenbar in Folge schlechter Erfahrunge­n nicht erteilen. Zur Erinnerung: Die WADA hatte Russlands Dopingjäge­r unter der Auflage zugelassen, dass bis zum 31. Dezember endlich Zugang zum Kontrollla­bor in Moskau, seinem Datensatz und den dort gelagerten Proben erteilt wird. Für die IAAF muss Kriterium zuerst erfüllt werden, bevor sie die RUSAF wieder aufnimmt. »Unsere Integrität­seinheit muss bestimmen können, welche russischen Athleten die Antidoping­regeln gebrochen haben«, erläuterte der TaskForce-Vorsitzend­e Rune Andersen die Entscheidu­ng.

Zweite Bedingung für eine Wiederaufn­ahme sei, dass die RUSADA für alle Kosten der Task Force und der Verhandlun­gen von Fällen vor dem Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS aufkomme. Russland hatte bereits zugesagt, die bis Juni 2017 angelaufen­en 2,7 Millionen Euro zu begleichen. »Bisher haben wir nur dieses Verspreche­n. Wir brauchen aber das Geld auf unserem Konto«, sagte Andersen in Monte Carlo. Außerdem seien mittlerwei­le weitere Kosten dazugekomm­en.

Eine weitere russische Zusage, dass die IAAF Zugang zum Moskauer Labor erhalten würde, hat Andersen noch nicht erhalten. Dabei war er der erste, der vor Jahren danach gefragt hatte. »Schon 2016 haben wir die russischen Ermittler darum gebeten, doch sie sagten, das Labor sei ein versiegelt­er Tatort«, erinnerte sich Andersen. »Knapp drei Jahre später sieht es so aus, als könnte die WADA bald Zutritt bekommen. Doch was in der Zeit dazwischen passiert ist, wissen wir nicht.« Offenbar hat Andersen so seine Theorien dazu, denn selbst wenn er über die WADA an die Daten und Proben herankomme­n sollte, müsse die IAAF-Integrität­seinheit zunächst einmal »prüfen, ob sie nicht gefälscht worden sind«.

Für Russlands Sport, der sich zuletzt auf dem Weg zurück in die große Sportfamil­ie wähnte, ist das ein Rückschlag. Überrasche­nd kommt er indes nicht, denn Russland blockiert weiterhin die Aufklärung des Skandals, der weit über die Leichtathl­etik hinausgeht. Tausende Sportler sollen zwischen 2011 und 2015 gedopt und ihre positiven Proben vertuscht worden sein. Doch auch vier Jahre nach dem ersten ARD-Bericht wird der WADA der Zutritt zum »Tatort« verwehrt. Ein Moskauer Gericht urteilte vor einer Woche zudem, dass der ehemalige Bobpilot Alexander Subkow seine aberkannte­n Goldmedail­len der Winterspie­le in Sotschi 2014 behalten dürfe, obwohl der CAS die Rückgabe ans IOC angeordnet hatte.

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Foto: imago/Steve Feeney Sergej Schubenkow darf unter neutraler Flagge bei Wettkämpfe­n antreten. Die in Russland lebenden Landsleute müssen weiter warten.

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