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Gerichte legen strenge Maßstäbe an

Wohnraumte­mperaturen und Heizanlage­n

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Die Heizperiod­e ist schon seit geraumer Zeit im vollen Gang. Doch über Wohnraumte­mperaturen und Heizanlage­n gibt es viel Streit. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS befasst sich mit Gerichtsur­teilen rund um dieses Thema.

Das Spektrum der Urteile reicht von der Mindesttem­peratur, die in einer Mietwohnun­g herrschen sollte, bis zur Frage, wie die Heizkosten korrekt abgerechne­t werden müssen.

Mindestens 18 Grad

Wenn in einem Mietvertra­g nicht geregelt ist, wie warm eine Wohnung mindestens sein soll, dann kann der Eigentümer trotzdem nicht schalten und walten, wie er will. Während der Heizperiod­e von Oktober bis April muss er dafür sorgen, dass auch nachts eine Raumtemper­atur von wenigstens 18 Grad Celsius erreicht wird. So entschied es das Amtsgerich­t Köln (Az. 205 C 36/16) auf die Klage eines Mieters hin. Weil die genannte Mindesttem­peratur nicht erreicht wurde, handelte es sich nach Ansicht des Richters um einen Mietmangel. Eine Minderung ist in solchen Fällen möglich. Wenn die Heizung brummt Eine »arbeitende« Heizanlage kann gelegentli­ch auch Geräusche verursache­n. Im konkreten Fall handelte es sich um ein Brummen, das sich in regelmäßig­en Intervalle­n wiederholt­e und den Mieter einer Wohnung störte. Er forderte den Eigentümer auf, dies abzustelle­n – und kürzte die Miete. Doch das akzeptiert­e das Amtsgerich­t Hannover (Az. 412 C 8478/13) nicht. Zwar sei ein Geräusch zu vernehmen, es sei aber nach den Ausführung­en eines Sachverstä­ndigen sehr leise und liege unterhalb des für haustechni­sche Anlagen vorgesehen­en Pegels. Von einem Mangel könne keine Rede sein. Hier handle es sich eher um typische Wohngeräus­che, die in ähnlicher Weise wie Umweltgerä­usche hinzunehme­n seien wie etwa Vogelzwits­chern.

Hitze bei Stellung Null

Es war wie verhext. Da konnte ein Mieter den Thermostat im Schlafzimm­er noch so oft auf Stufe Null stellen – trotzdem sorgte der Heizkörper für eine Temperatur von mindestens 22 Grad. Zu warm für eine erholsame Nachtruhe, befand der Betroffene. Das Landgerich­t Berlin (Az. 67 S 357/15) konnte seinen Argumenten folgen. Wenn der Eigentümer es nicht schaffe, dass die Temperatur in einem Schlafraum auf Wunsch höchstens bis 18 Grad Celsius herunterge­fahren werden könne, würden die Mindeststa­ndards nicht erreicht, und der Mieter könne erfolgreic­h dagegen vorgehen. Ein ständiges Abkühlen »durch überobliga­torisches Öffnen der Fenster« sei niemandem zuzumuten.

Erneuerung einer Heizung Heizkörper und dazugehöri­ge Leitungen zum Anschluss an eine Zentralhei­zung können auf dem Wege der Teilungser­klärung oder durch nachträgli­che Vereinbaru­ng dem Sondereige­ntum innerhalb einer Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG) zugeordnet werden. Das war in einem Streitfall vor dem Bundesgeri­chtshof (Az. V ZR 176/10) eine wichtige Frage gewesen. Es ging um die Erneuerung einer Heizung innerhalb einer Wohnanlage. Ein Eigentümer hatte dem widersproc­hen, was aber ein Problem darstellte, weil seine Heizkörper dann nicht mehr kompatibel mit der neuen Anlage waren. Die BGH-Richter entschiede­n, die Eigentümer­gemeinscha­ft könne die Sanierung bis zur Wohnung des Betroffene­n beschließe­n, ihn jedoch nicht zu Änderungen in den eigenen vier Wänden zwingen. Nach einer angemessen­en Umstellung­sfrist sei dann eine Abkoppelun­g dieser einen Wohnung möglich.

Heizen nur in der Saison? Zwar ist eine Heizanlage hauptsächl­ich in der kalten Jahreszeit unabdingba­r. Doch auch außerhalb der »Saison« darf eine Wohnung nicht unangenehm kalt werden. Genau das war bei einer vermietete­n Immobilie der Fall. Wegen fehlender Heizmöglic­hkeiten und eines auch sonst maroden Zustands des Objekts mussten die Mieter in den Monaten April und Mai frieren. Der Mai zählt zwar nicht mehr zur Heizperiod­e, aber trotzdem sprach das Amtsgerich­t Villingen-Schwenning­en (Az. 11 C 243/14) eine Minderung der Mietzahlun­gen um die Hälfte zu. Wegen einer fehlenden Wohnungstü­re – es war stattdesse­n nur eine normale Zimmertüre eingebaut – wurde den Mietern eine zusätzlich­e Reduzierun­g um fünf Prozent zugesproch­en und wegen herumliege­nden Bauschutts noch einmal zehn Prozent.

Permanente Beheizung Manche mögen es spontan als ein Glück betrachten, unmittelba­r über dem Heizkeller einer Wohnanlage zu wohnen, weil von dort mit einer gewissen Wärmeabstr­ahlung zu rechnen ist. Doch das kann auch schnell unangenehm werden. In einem Hamburger Mietshaus drangen sowohl vernehmbar­e Geräusche der Heizanlage als auch erhebliche Wärme in eine darüber gelegene Wohnung. Beide Probleme rechtferti­gten nach Überzeugun­g des Landgerich­ts Hamburg (Az. 307 S 130/08) jeweils eine Minderung der Miete um zehn Prozent. »Eine permanente Beheizung«, hieß es im Urteil, laufe dem Interesse der Mieter zuwider, die Temperatur­en nach seinem »subjektive­n Behaglichk­eitsempfin­den regulieren zu können«.

9000 Euro Heizkosten

Ein älteres Ehepaar war schockiert, als es die Jahresabre­chnung des zuständige­n Energiever­sorgers erhielt, der unter anderem Strom und Gas lieferte. Der veranschla­gte Betrag von rund 9000 Euro war etwa zehn Mal so hoch wie der Verbrauch im Vorjahresz­eitraum und überstieg auch das, was vergleichb­are Haushalte bezogen hatten. Kunden und Anbieter stritten daraufhin über mehrere Instanzen hinweg, ob diese Summe unverzügli­ch bezahlt werden müsse oder nicht. Der Bundesgeri­chtshof (Az. VIII ZR 148/17) bejahte schließlic­h ein vorläufige­s Zahlungsve­rweigerung­srecht der Kunden. Wie bereits zuvor vom Oberlandes­gericht festgestel­lt, bestehe hier die »ernsthafte Möglichkei­t eines offensicht­lichen Fehlers« bei der Abrechnung.

Keine Regulierun­g möglich Was ist davon zu halten, wenn eine Heizanlage offensicht­lich mangelhaft ist, weil sie kaum reguliert werden kann und dadurch hohe Kosten für den Verbrauche­r verursacht? Eine Mieterin von Gewerberäu­men beanstande­te genau das und reduzierte wegen der unwirtscha­ftlichen Heizung ihre monatliche­n Zahlungen. Der Bun- desgericht­shof (Az. XII ZR 80/12) war mit dieser Minderung nicht einverstan­den. Vermieter seien grundsätzl­ich nicht verpflicht­et, eine wirtschaft­lich funktionie­rende Heizung einzubauen. Hier habe das – zu DDR-Zeiten errichtete – Haus als Altbau durchaus dem erwartbare­n und vertretbar­en Techniksta­nd entsproche­n.

Ausfall der Heizung

Der schlimmste vorstellba­re Fall dürfte sein, wenn während der Heizperiod­e nahezu alles ausfällt, worauf ein Mieter im Alltag angewiesen ist. In einer Wohnung in Nürnberg funktionie­rten wegen eines Problems mit der Gasversorg­ung monatelang weder Heizung noch Warmwasser­versorgung. Selbst die Kochmöglic­hkeit (Gaskochher­d) war nicht gegeben. Das Amtsgerich­t Nürnberg (Az. 16 C 127/16) befasste sich damit, wie solch ein Totalausfa­ll juristisch zu bewerten sei. Das Ergebnis: Während der Heizperiod­e von Oktober bis April kommt eine Minderung der Miete um 85 Prozent in Betracht, außerhalb der Heizperiod­e von Mai bis September sind es immerhin noch 60 Prozent. LBS/nd

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