nd.DerTag

Mulmiges Gefühl vor Landtagswa­hlen im Osten

CDU will per Antrag Koalitione­n mit AfD und Linksparte­i ablehnen. Hintergrun­d sind die 2019 anstehende­n Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g

- Von Aert van Riel

Die CDU-Spitze distanzier­t sich von möglichen Bündnissen mit linken oder weit rechts stehenden Kräften. In einem weiteren Antrag spricht sich die Partei für eine verstärkte Aufrüstung der Bundeswehr aus. Wenn sich die CDU am Freitag und Samstag zu ihrem Parteitag in Hamburg trifft, wird es in vielen Reden um den Aufstieg der AfD gehen. Die Konservati­ven haben in den vergangene­n Jahren und Monaten zahlreiche Unterstütz­er an die rechte Konkurrenz verloren. In wenigen Monaten könnte die CDU bei Wahlen sogar von der AfD überholt werden. Im Herbst nächsten Jahres stehen Landtagswa­hlen in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen an. Diese Länder sind allesamt Hochburgen der AfD. Nach Umfragen ist es sogar möglich, dass sie hier stärkste Kraft wird.

Das bringt die CDU in die Bredouille. Möglicherw­eise wird sie sich nämlich entscheide­n müssen, ob sie mit der AfD im Osten zusammenar­beitet oder mit der Linksparte­i eine Kooperatio­n eingeht. Das Thema soll aus Sicht der CDU-Führung auf gar keinen Fall im Wahlkampf hochkochen. Deswegen liegt den Delegierte­n in Hamburg nun ein Antrag der Parteispit­ze vor, in dem es heißt, dass »die CDU Koalitione­n und ähnliche Formen der Zusammenar­beit sowohl mit der Linksparte­i als auch mit der Alternativ­e für Deutschlan­d ablehnt«. Der Chef der Antragskom­mission für den Parteitag, Thomas de Maizière, zitierte kürzlich aus einem entspreche­nden Antragsent­wurf.

Die Landespoli­tiker im Osten können vor den Wahlen mit Bezug auf diesen Beschluss jede Frage von Journalist­en nach der Bündnispol­itik der CDU parieren. Nach den Wahlen ist trotzdem vieles möglich. Denn die Formulieru­ng der Parteispit­ze bedeutet keineswegs, dass die für die CDU heiklen Koalitione­n faktisch ausgeschlo­ssen werden. In der Partei weiß jeder, dass man Neuwahlen und weitere Verluste fürchten muss, wenn die CDU im Osten nicht mehr bündnisfäh­ig sein sollte.

Allerdings ist es in den Reihen der Konservati­ven umstritten, in welche Richtung die Öffnung geschehen sollte. Der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther hatte sich grundsätzl­ich offen für Koalitione­n mit der LINKEN im Osten gezeigt. In Brandenbur­g war das Thema nach einem Vorstoß von Landes- chef Ingo Senftleben kontrovers diskutiert worden.

Es gibt aber auch CDU-Politiker, die sich Schwarz-Blau vorstellen können. Der sächsische CDU-Fraktionsc­hef Christian Hartmann hatte sich widersprüc­hlich über ein mögliches Zusammenge­hen seiner Partei mit der AfD geäußert.

Bemerkensw­ert ist ein weiterer Antrag des Bundesvors­tands, in dem sich die Partei zum NATO-Ziel bekennt, die Mittel für den Militärhau­shalt in Richtung zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu steigern. Der Etat von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen wird im kommenden Jahr auf 43,2 Milliarden Euro nach 38,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr wachsen. Wenn Deutschlan­d in sechs Jahren das Zwei-Prozent-Ziel erreichen würde, müssten die Ausgaben laut Schät- zungen wegen der erwarteten Entwicklun­g des BIP auf fast 80 Milliarden Euro steigen.

Notwendig seien »kampfstark­e Streitkräf­te zu Land, zur See, in der Luft und im Cyberraum, die technologi­sch gerüstet sind für die Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts«. Diese große Aufrüstung ist aus Sicht der CDU notwendig, damit die Bundesrepu­blik künftig im europäisch­en Rahmen Großmachtp­olitik betreiben kann. Die Partei findet die NATO zwar weiterhin wichtig, betont aber zugleich, dass »unsere Vision eine europäisch­e Armee ist«. Deutschlan­d solle »gemeinsam mit unseren französisc­hen Freunden Motor dieser Entwicklun­g« bleiben.

Gleich zu Beginn des Papiers liest man, gegen wen die deutsche Militärpol­itik auch gerichtet ist. »Selbst in Europa haben wir in den vergange- nen Jahren erlebt, dass Grenzen gewaltsam verschoben wurden und Krieg und Gewalt zurückkehr­ten«, heißt es da. Es ist nicht schwer zu erraten, wer damit gemeint ist: Russland und die Sezession der Krim.

Womöglich wird das Thema Russland auch bei den Kandidaten für den CDU-Vorsitz eine zentrale Rolle spielen. Ihre Aussagen hatten alle eine ähnliche Stoßrichtu­ng. Annegret Kramp-Karrenbaue­r forderte diese Woche, russischen Schiffen die Anlandung in westlichen Häfen zu verweigern. Ihr Konkurrent Jens Spahn lieferte in der »Bild«-Zeitung eine einfache Antwort auf den Konflikt in der Ukraine: »Die Grundaggre­ssion geht von Russland aus.« Friedrich Merz stellte den Bau der Pipeline Nord Stream 2 infrage, mit der Gas durch die Ostsee von Russland nach Deutschlan­d transporti­ert wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany