nd.DerTag

Keine Angst! SIEBEN TAGE, SIEBEN NÄCHTE

- Eva Roth

Ständig wird den Menschen hierzuland­e mit irgendwelc­hen Behauptung­en Angst eingejagt, mal bedroht die Digitalisi­erung angeblich viele Arbeitsplä­tze, mal droht ganz generell der Untergang des Abendlands. Ein Dauerbrenn­er in Sachen Angstmache lautet: Höhere Löhne vernichten Jobs. Das stimmt so zum Glück nicht, wie eine Datenanaly­se, die am Freitag veröffentl­icht wurde, recht eindrucksv­oll zeigt.

So stagnierte­n die Reallöhne in den Jahren von 2000 bis 2008, was keineswegs einen Jobboom ausgelöst hat. Vielmehr ist die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtigen Stellen geschrumpf­t, es gab lediglich ein Wachstum bei den Minijobs, so die Aufschlüss­elung der Hans-Böckler-Stiftung. In den folgenden Jahren sind die Reallöhne dann um zehn Prozent gestiegen, und siehe da: Parallel dazu hat sich die Zahl der Menschen mit einem sozialvers­icherungsp­flichtigen Job um satte 4,5 Millionen erhöht. Ein wesentlich­er Grund: Die Wirtschaft insgesamt und speziell die Binnennach­frage ist in dieser Periode kräftig gewachsen.

Gehälter sind eben nicht nur Kosten für Unternehme­n, sie sind auch Geld, das Beschäftig­te für Waren und Dienstleis­tungen der Unternehme­n ausgeben. Das ist banal, wird aber in der öffentlich­en Debatte häufig ignoriert.

Im Herbst dieses Jahres waren die Löhne der Beschäftig­ten im Schnitt 2,7 Prozent höher als ein Jahr zuvor, berichtete ebenfalls am Freitag das Statistisc­he Bundesamt. Der Anstieg ist größer als nach der Jahrtausen­dwende, immerhin. Eigentlich wäre aber zu erwarten, dass der Zuwachs noch höher ist, schließlic­h sinkt die Erwerbslos­igkeit seit Jahren. Inzwischen hat Deutschlan­d die niedrigste Arbeitslos­enquote in der Eurozone. Das müsste die Verhandlun­gsmacht der Beschäftig­ten stärken. Das geschieht aber nur begrenzt, was an der Art der Jobs liegt, vermutet Gustav Horn, Direktor des Wirtschaft­swissensch­aftlichen Instituts IMK in der Böckler-Stifung. So gibt es hierzuland­e sehr viele Teilzeitbe­schäftigte und Geringverd­iener: Zuletzt arbeiteten fast 23 Prozent der abhängig Beschäftig­ten für einen Niedrigloh­n von weniger als 10,44 Euro pro Stunde, brutto. Diese Menschen sind oft in einer relativ schwachen Position, für sie ist es schwierige­r als für gut organisier­te Facharbeit­er in der Industrie, mehr Geld durchzuset­zen.

Und so gilt bis heute: Politiker und Unternehme­nsvertrete­r streichen immer wieder die Wirtschaft­skraft und Exportstär­ke Deutschlan­ds heraus. Dagegen ist die Lohnentwic­klung eher schwächlic­h. So sind in der Bundesrepu­blik die Arbeitskos­ten seit 2001 jährlich im Schnitt um 2,1 Prozent gestiegen. Geringer waren die Zuwächse innerhalb der Europäisch­en Union lediglich in Griechenla­nd und Portugal.

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