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»Wir dürfen nichts dazu erfinden«

Als Restaurato­rin muss Clara Löffler kreativ sein, sieht sich aber nicht als Künstlerin. Wichtig sei, das ursprüngli­che Werk wieder lesbar zu machen

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Frau Löffler, Sie sind Restaurato­rin für Wandmalere­i, wie kamen Sie zu diesem Beruf?

Ich war an einem musischen Gymnasium in Bamberg und war begeistert vom Kunstunter­richt. Ich fand das Gestalten immer schön. Damals arbeitete mein Vater auch bei einer Restaurier­ungsfirma als Lagerist. Manchmal hat er mich mitgenomme­n ins Lager, in dem oft Steinskulp­turen standen, in die Schläuche hineinlief­en. Über diese wurden Festigungs­mittel eingeleite­t, um die strukturel­le Festigkeit zu erhöhen. Das fand ich total interessan­t, vor allem das Handwerkli­che: Man rettet oder konservier­t das, was man vor sich hat.

Dann bin ich nach Berlin gezogen. 2007 habe ich ein eineinhalb­jähriges Vorpraktik­um im Neuen Museum bekommen. Da habe ich mich in den Restaurato­renberuf verliebt und danach Konservier­ung und Restaurier­ung von Wandmalere­i und Architektu­rfassung studiert.

Sie arbeiten gerade an einem Wandbild aus dem Jahr 1906 in einem Innenhof in Berlin-Prenzlauer Berg. Könnten Sie das Bild ein bisschen beschreibe­n?

Das Bild steht unter Denkmalsch­utz. 1996 gab es in Berlin noch 25 solcher Wandmalere­ien in Hinterhöfe­n, sogenannte Hofwandmal­ereien. Wegen des schlechten Zustands wurden viele abgenommen oder man hat irgendetwa­s darüber gemacht. Die Künstler sind meistens unbekannt. Jetzt sind nur noch zehn Stück vorhanden. Das Bild, an dem ich gerade arbeite, ist qualitativ nicht besonders herausrage­nd – das war es auch schon nicht, als es gemalt wurde. Es war eher für Leute gedacht, die in einem Hinterhof wohnten und einfach etwas Schönes an der Wand haben wollten. Das Haus ist kein Herrschaft­shaus. Auf dem Bild ist eine Alpenlands­chaft mit einer Hütte dargestell­t. Das zeigt, dass die Leute auch damals irgendwie Sehnsüchte hatten, mal fern von der Großstadt zu sein. Ich meine, in Berlin gibt es ja keine Berge. Man schaute aus dem Fenster und sah vielleicht einen Urlaubsort.

Tagsüber sind es teils nur noch drei Grad. Wie arbeiten Sie im Winter?

Man muss das tages- und temperatur­abhängig machen. Wenn am Tag und in der Nacht die Temperatur­en unter fünf Grad Celsius liegen, kann man nicht arbeiten, weil dann die Materialie­n einfach nicht mehr funktionie­ren.

Das Bild hier geht über die gesamte Häuserwand – Altbau, fünf Stockwerke. Da müssen Sie ganz hoch. Haben Sie auch mal gefährlich­e Momente erlebt?

Auf dem Gerüst lernt man, die Gefahr einzuschät­zen. In Deutschlan­d gibt es meistens keine Probleme, weil der Arbeitssch­utz schon ziemlich hoch ist. Aber man muss vor allem gucken, welche Materialie­n man nutzt. Wir arbeiten oft mit Lösemittel­n und Säuren und Basen. Wichtig ist, darauf zu achten, ob das gefährlich sein kann und wie man sich entspreche­nd schützt. Ich hatte noch keinen Unfall. Aber ich habe schon mit Materialie­n gearbeitet, bei denen ich im Nachhinein dachte: »Da hätte ich aber mal eine Atemschutz­maske tragen sollen.« Wenn man jung ist, achtet man nicht so darauf. Ich habe mal auf einer archäologi­schen Grabung in Saudi-Arabien gearbeitet – als Restaurato­rin kommt man überall hin. Da sind die Arbeitssch­utzbestimm­ungen ganz anders. Deswegen muss man wirklich selbststän­dig denken. Man ist absolut selbst für sich verantwort­lich.

Wie haben Sie den Auftrag bekommen?

Das ging vom DAI, vom Deutschen Archäologi­schen Institut aus, und da bin ich als Freiberufl­erin mitgekomme­n.

Und wie war das arabische Erlebnis?

Spannend! ( lacht) Es war voll aufregend. Denn es ist ein ganz anderes Land, und als Frau dahinzugeh­en, ist sowieso sehr seltsam, vor allem, wenn man in Europa aufgewachs­en ist. Man hat einen anderen Kontext. Abgesehen von der Arbeit musste man auf vieles achten. Wenn wir öffentlich unterwegs waren, haben wir auch Abaya und Kopftuch getragen, weil wir uns so einfach wohler fühlten, denn wir sind schon aufgefalle­n.

Aber mussten Sie es tragen?

Es wurde damals jedenfalls angeraten. Auf der Grabung mussten wir das nicht machen. Das war ja ein abgeschott­eter Bereich. Da waren zwar schon viele Arbeiter, aber die kannten uns, und das war in Ordnung. Langärmlig­e Kleidung haben wir bei der Grabung aber allein schon wegen der Sonne angezogen. Auch ein Kopftuch habe ich deswegen manchmal getragen, aber nicht immer. Das ging. Aber wenn ich einkaufen oder außerhalb des Museums unterwegs war, musste ich das auf jeden Fall tragen.

Wie lange waren Sie in Saudi-Arabien?

Ich war insgesamt fünfmal dort – jedes Mal so zwischen sechs und acht Wochen. Ich könnte dort niemals leben, weil alles vollkommen abhängig von Männern und das einfach ein furchtbare­s Gefühl war. Zudem war mir alles einfach zu religiös. Aber in so einem Arbeitskon­text war es interessan­t.

Wie sind die Geschlecht­erverhältn­isse in Ihrem Arbeitsber­eich hier in Deutschlan­d?

Heute arbeiten viele Frauen in dem Bereich. Eigentlich kenne ich mehr Frauen, vor allem für die Wandmalere­i. Das finde ich ganz gut, weil früher dieses Feld sehr männerdomi­niert war. Anderseits wäre es besser, wenn es ausgeglich­en wäre. Inwiefern ist Ihre Arbeit künstleris­ch – oder anders gesagt: Betrachten Sie sich als Künstlerin? Als Künstlerin würde ich mich nicht bezeichnen, denn was ich mache, ist einfach etwas ganz anderes. Wir versuchen, die Arbeit von Künstlern zu erhalten, zu konservier­en und gegebenenf­alls zu restaurier­en. Es ist nicht so, dass wir unsere eigene Handschrif­t da einbringen sollten oder dürften. Das muss man ganz klar trennen. Und wenn es zu einer Retusche kommt, versuchen wir, das Werk wieder ein bisschen lesbar zu machen. Aber wir dürfen nicht einfach etwas dazuerfind­en oder irgendwelc­he Blümchen hineinmale­n ( lacht).

Malen Sie auch?

Ich habe früher häufig für mich gemalt. Man muss schon kreativ sein, um Methodiken anwenden oder neue Sachen ausprobier­en zu können. Das ist meine Kreativitä­t. Und man muss ein Gefühl von Farben haben und sie nachmische­n können.

Was würden Sie am liebsten restaurier­en, wenn Sie wählen könnten?

Da bin ich nicht so wählerisch. Für mich kommt es nicht unbedingt auf die Qualität oder Bekannthei­t der Malerei an, sondern einfach auf die Herausford­erung. Zum Beispiel bei diesem Bild, woran ich momentan arbeite, sind zwei Drittel Malereibes­tand und Putzfläche schon beschädigt oder gar nicht mehr vorhanden. Ich finde, das ist eine krasse Herausford­erung, und das gefällt mir.

Ist es nicht so, dass Sie gerne mal etwa das Werk von Michelange­lo in der Sixtinisch­en Kapelle im Vatikan restaurier­en möchten?

Nein, nicht unbedingt. Ich meine, klar wäre das etwas Schönes, wenn das im Lebenslauf stünde. Aber es war nie mein Ziel, berühmte Sachen zu restaurier­en. Für mich ist es am schönsten, wenn ich merke, dass das, was ich mache, funktionie­rt.

Welche Bilder hängen bei Ihnen zu Hause?

Oh weh! ( lacht herzlich) Sie sind ganz verschiede­n. Ich mag zum Beispiel den expression­istischen Maler Ernst-Ludwig Kirchner oder Max Ernst. Aber auch moderne Sachen, wie die Werke von Joseph Heinrich Beuys, der eigentlich eher Skulpturen gestaltet hat. Davon habe ich auf jeden Fall auch etwas zu Hause. Was für einen Lebensstil haben Sie? Stil? Oh Gott! ( lacht) Das ist ja eine interessan­te Frage. Ich wohne mit meinem Freund zusammen, schon seit fast zehn Jahren. Wir haben ganz unterschie­dliche Berufe – er arbeitet im sozialen Bereich und studiert Kulturwiss­enschaften, und ich bin eher der praktische und handwerkli­che Typ. Manche sagen, dass sich unsere Rollen vertauscht haben, aber solche Vergleiche halte ich für unklug. Ich liebe auch das Wochenende und treffe mich am liebsten mit Freunden. Also ein geselliger Mensch ... Auf jeden Fall!

 ?? Foto: privat ?? Clara Löffler wurde in Bamberg geboren. An der Fachhochsc­hule Potsdam studierte sie Konservier­ung und Restaurier­ung von Wandmalere­i und Architektu­rfassung. Seit 2006 wohnt die heute 34-Jährige in Berlin und arbeitet als Restaurato­rin für Wandmalere­i. Nach etwa zehn Jahren selbststän­diger Tätigkeit wurde sie vor Kurzem fest angestellt. In den Berliner Hinterhöfe­n gibt es einige Wandmalere­ien, die mehr als 100 Jahre alt sind. Clara Löffler rettet unter anderem solche Bilder. Mit ihr sprach Bahareh Ebrahimi.
Foto: privat Clara Löffler wurde in Bamberg geboren. An der Fachhochsc­hule Potsdam studierte sie Konservier­ung und Restaurier­ung von Wandmalere­i und Architektu­rfassung. Seit 2006 wohnt die heute 34-Jährige in Berlin und arbeitet als Restaurato­rin für Wandmalere­i. Nach etwa zehn Jahren selbststän­diger Tätigkeit wurde sie vor Kurzem fest angestellt. In den Berliner Hinterhöfe­n gibt es einige Wandmalere­ien, die mehr als 100 Jahre alt sind. Clara Löffler rettet unter anderem solche Bilder. Mit ihr sprach Bahareh Ebrahimi.

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