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Kindergeld für alle

Kreistag Oder-Spree wendet sich gegen Pläne zur Absenkung der Sozialleis­tungen

- Von Andreas Fritsche

Landkreis Oder-Spree lehnt Kürzungen, etwa bei Erntehelfe­rn, ab.

Landrat Rolf Lindemann (SPD) soll dem Deutschen Landkreist­ag zum Thema Kindergeld für Ausländer die Meinung sagen. Er hat dem Antrag von Linksfrakt­ionschef Artur Pech selbst zugestimmt. Wer in Deutschlan­d arbeitet, Steuern zahlt, Sozialabga­ben leistet, hat auch als Ausländer Anspruch auf gleichen Lohn und gleiche Sozialleis­tungen – also auch auf das Kindergeld in voller Höhe, selbst wenn die Kinder nicht in der Bundesrepu­blik leben. Diese Sichtweise des Kreises Oder-Spree soll Landrat Rolf Lindemann (SPD) dem Präsidium des Deutschen Landkreist­ags übermittel­n.

Das beschloss der Kreistag bereits am Donnerstag­abend vergangene­r Woche mit großer Mehrheit, wie Linksfrakt­ionschef Artur Pech dem »nd« mitteilte. Es habe nur neun Gegenstimm­en gegeben, die hauptsächl­ich aus den Reihen der CDU gekommen seien. Landrat Lindemann wird den Auftrag sicher gern erledigen. Der Sozialdemo­krat hat im 56köpfigen Kreistag selbst dafür gestimmt, hat sich den Auftrag damit ein Stück weit auch selbst erteilt.

Artur Pech hatte den Antrag gestellt. Dass sein Vorstoß von August nach der zwischenge­schalteten Behandlung in den Ausschüsse­n nun so eine große Mehrheit fand, hat ihn positiv überrascht. Ursprüngli­ch hatte der Linksfrakt­ionschef eingeschät­zt, dass sein Antrag »nicht chancenlos« sei, aber auch »kein Selbstläuf­er«.

Ihn ärgerte, dass der Landkreist­ag die Bundesregi­erung aufgeforde­rt hatte, Pläne zur Absenkung des Kindergeld­es für Kinder im Ausland voranzutre­iben. Diskutiert wurde eine Anpassung an die niedrigere­n Le- benshaltun­gskosten beispielsw­eise in Polen und Rumänien, nur in Ausnahmefä­llen hätte es mehr Geld gegeben, weil zum Beispiel die Lebenshalt­ungskosten in der Schweiz oder in Norwegen höher liegen.

Doch das wäre ungerecht. Im Landkreis Oder-Spree, der eine Grenze zu Polen hat, kann Linksfrakt­ionschef Pech auf den Feldern die vielen osteuropäi­schen Erntehelfe­r sehen, die für einen geringen Lohn sehr hart arbeiten und sehr bescheiden in spartanisc­hen Unterkünft­en leben, um möglichst viel Geld für ihre Fa- milien übrig zu behalten. Die Trennung von den kleinen Kinder, die solange in der Heimat bei den Großeltern beaufsicht­igt werden, oder auch von den größeren Kindern, die manchmal wochenlang allein bleiben, ist schwer zu ertragen. Da erscheint eine willkürlic­he Kürzung des Kindergeld­es extrem unfair. Immerhin stopfen die Polen in Deutschlan­d Lücken auf dem Arbeitsmar­kt, nicht zuletzt auch im Handwerk und in der Altenpfleg­e.

Für 211 000 im Ausland lebende Kinder wird in der Bundesrepu­blik Kindergeld ausgezahlt. Den Anspruch darauf hatten in Deutschlan­d tätige polnische Saisonarbe­iter 2012 in einem Verfahren vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f erstritten. Fast 103 000 polnische Kinder kamen im Jahr 2017 in den Genuss des Kindergeld­es, außerdem beispielsw­eise 17 400 kroatische, 17 000 rumänische, 16 000 tschechisc­he und 15 800 französisc­he Kinder. In jenem Jahr sind auf diese Weise 318 Millionen Euro ins Ausland geflossen. Insgesamt wurden 35,9 Milliarden Euro Kindergeld ausgezahlt.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Rumänische Erntehelfe­r liegen für Spreewaldb­auer Ricken auf einem sogenannte­n Gurkenflie­ger.

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