Kindergeld für alle
Kreistag Oder-Spree wendet sich gegen Pläne zur Absenkung der Sozialleistungen
Landkreis Oder-Spree lehnt Kürzungen, etwa bei Erntehelfern, ab.
Landrat Rolf Lindemann (SPD) soll dem Deutschen Landkreistag zum Thema Kindergeld für Ausländer die Meinung sagen. Er hat dem Antrag von Linksfraktionschef Artur Pech selbst zugestimmt. Wer in Deutschland arbeitet, Steuern zahlt, Sozialabgaben leistet, hat auch als Ausländer Anspruch auf gleichen Lohn und gleiche Sozialleistungen – also auch auf das Kindergeld in voller Höhe, selbst wenn die Kinder nicht in der Bundesrepublik leben. Diese Sichtweise des Kreises Oder-Spree soll Landrat Rolf Lindemann (SPD) dem Präsidium des Deutschen Landkreistags übermitteln.
Das beschloss der Kreistag bereits am Donnerstagabend vergangener Woche mit großer Mehrheit, wie Linksfraktionschef Artur Pech dem »nd« mitteilte. Es habe nur neun Gegenstimmen gegeben, die hauptsächlich aus den Reihen der CDU gekommen seien. Landrat Lindemann wird den Auftrag sicher gern erledigen. Der Sozialdemokrat hat im 56köpfigen Kreistag selbst dafür gestimmt, hat sich den Auftrag damit ein Stück weit auch selbst erteilt.
Artur Pech hatte den Antrag gestellt. Dass sein Vorstoß von August nach der zwischengeschalteten Behandlung in den Ausschüssen nun so eine große Mehrheit fand, hat ihn positiv überrascht. Ursprünglich hatte der Linksfraktionschef eingeschätzt, dass sein Antrag »nicht chancenlos« sei, aber auch »kein Selbstläufer«.
Ihn ärgerte, dass der Landkreistag die Bundesregierung aufgefordert hatte, Pläne zur Absenkung des Kindergeldes für Kinder im Ausland voranzutreiben. Diskutiert wurde eine Anpassung an die niedrigeren Le- benshaltungskosten beispielsweise in Polen und Rumänien, nur in Ausnahmefällen hätte es mehr Geld gegeben, weil zum Beispiel die Lebenshaltungskosten in der Schweiz oder in Norwegen höher liegen.
Doch das wäre ungerecht. Im Landkreis Oder-Spree, der eine Grenze zu Polen hat, kann Linksfraktionschef Pech auf den Feldern die vielen osteuropäischen Erntehelfer sehen, die für einen geringen Lohn sehr hart arbeiten und sehr bescheiden in spartanischen Unterkünften leben, um möglichst viel Geld für ihre Fa- milien übrig zu behalten. Die Trennung von den kleinen Kinder, die solange in der Heimat bei den Großeltern beaufsichtigt werden, oder auch von den größeren Kindern, die manchmal wochenlang allein bleiben, ist schwer zu ertragen. Da erscheint eine willkürliche Kürzung des Kindergeldes extrem unfair. Immerhin stopfen die Polen in Deutschland Lücken auf dem Arbeitsmarkt, nicht zuletzt auch im Handwerk und in der Altenpflege.
Für 211 000 im Ausland lebende Kinder wird in der Bundesrepublik Kindergeld ausgezahlt. Den Anspruch darauf hatten in Deutschland tätige polnische Saisonarbeiter 2012 in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten. Fast 103 000 polnische Kinder kamen im Jahr 2017 in den Genuss des Kindergeldes, außerdem beispielsweise 17 400 kroatische, 17 000 rumänische, 16 000 tschechische und 15 800 französische Kinder. In jenem Jahr sind auf diese Weise 318 Millionen Euro ins Ausland geflossen. Insgesamt wurden 35,9 Milliarden Euro Kindergeld ausgezahlt.