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CDU will Deutsche Umwelthilf­e ausbremsen

Prüfung der Gemeinnütz­igkeit und Stopp von Zuwendunge­n geplant

- Von Uwe Kalbe

Hamburg. Die CDU nimmt die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) ins Visier: Auf dem Parteitag in Hamburg beschlosse­n die Delegierte­n am Samstag, die Gemeinnütz­igkeit der DUH zu prüfen. Die Partei will sich dafür einsetzen, dass der in vielen Städten auf Dieselfahr­verbote klagende Verein keine Mittel mehr aus dem Bundeshaus­halt bekommt. Die Deutsche Umwelthilf­e kritisiert­e das Vorgehen der CDU als »bedenklich«. Die DUH spielt eine zentrale Rolle in der Debatte um Fahrverbot­e für Dieselauto­s in deutschen Städten und hat in den vergangene­n Monaten mehrfach Fahrverbot­e durchgeset­zt. Würde der DUH die Gemeinnütz­igkeit aberkannt, dürfte ihr das die Finanzieru­ng erschweren. Eine solche Prüfung ist Aufgabe des Finanzamts.

Am Samstag wurde auf dem CDU-Parteitag der Vorsitzend­e der Jungen Union, Paul Ziemiak, mit rund 63 Prozent der Stimmen zum neuen Generalsek­retär gewählt.

Der 31. Parteitag der CDU hatte seinen Höhepunkt bereits mit der Wahl der neuen Vorsitzend­en am Freitag. Doch wie sich danach andeutete, wird es nun erst richtig spannend: Wenn Annegret Kramp-Karrenbaue­r zeigen muss, was sich mit ihr an der Spitze ändert.

Zusammenha­lt und Erneuerung – das sind die von der neuen Chefin erklärten Ziele der CDU. Das heißt: Der Riss nach der Niederlage von Friedrich Merz soll gekittet werden. »Oh nein«, ließ sich ein Kollege der Presse nach der Wahl Annegret Kramp- Karren bauers zur neuen Partei chefin am Freitag nachmittag vernehmen .» Mutti zwei. Da hat die CDU eine Chance verpasst.« Die Sympathien eines Großteils der Medien waren im Vorfeld deutlich auf Seiten des Mit bewerbers Friedrich M erz gewesen. Dass sie auch unter den CDU-Delegierte­n Gleichgesi­nnte hatten, zeigte sich anden euphorisch­en Reaktionen vieler Delegierte­r auf die Vorstellun­gsre de des ehemaligen Unionsfr akt ions chefs. Nun wird alles bleiben, wie es ist, so lautet das gemeinsame Urteil.

Andere sind wohl genau darüber froh. Und dies wird ein ständiges Thema bleiben, innerhalb wie außerhalb der CDU. Zu schön lässt sich die Frage erörtern, wessen Anhängersc­har hinter welcher Ecke lauert, um der Gegenseite das Verlassen des rechten Weges vorzuhalte­n. Die Frage, ob die CDU zu weit nach links gerückt sei unter der Führung von Kanzlerin und Parteichef­in Angela Merkel, wird seit Langem leidenscha­ftlich diskutiert.

Zugleich gibt es für nicht nach rechts eifernde Zeitgenoss­en kaum einen Grund, ernsthaft einen Linksruck zu unterstell­en. Vor den Toren der Hamburger Messehalle taten zu Parteitags­beginn am Freitagvor­mittag Mitglieder des DGB ihre gegenteili­ge Meinung kund. Sie protestier­ten gegen die fortdauern­de Befreiung der Arbeitgebe­r von den Kranken- und Pflegebeit­rägen zur Betriebsre­nte. Und die ersten Reaktionen nach der Wahl, etwa von Katja Kipping und Sahra Wagenknech­t, Parteichef­in und Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, ließe nein» Weiter so« auf dem angeblich so liberalen Kurs von Angela Merkel als wenig rosige oder gar linke Alternativ­e erscheinen. Freilich in unterschie­dlicher Gewichtung–Kipp ing warnte, Kramp-Karrrenbau­er vertrete in den Fragen von Gleichbere­chtigung und Migratione­n einen reaktionär­en Kurs. Wagen knecht betonte, auch unter der neuen Vorsitzend­en stehe die CDU für eine marktkonfo­rme Demokratie und werde absehbar die sozialen Gräben weiter vertiefen.

Tatsächlic­h: Alle drei Kandidaten für den Spitzenpos­ten der CDU hatten sich vor den Delegierte­n bemüht, keine Zweifel an ihrer Ablehnung etwa eines sogenannte­n Werbeverbo­ts für Schwangers­chaft sabbrüc he aufkommen zulassen. Und keiner der drei hatte den Verdacht aufkommen lassen, dass er oder sie einen Kurs anstreben werde, der die Politik der Kanzlerin nach links verändern wolle. Allerdings war Friedrich Merz am deutlichst­en. Er wünschte einen sozial zurückhalt­enden Staat und lobte den fleißigen und strebsamen Bürger. Den, der keine Sozialhilf­e benötigt, angeblich, weil er sich anstrengt. Eine lebenslang­e Rundumvers­orgung, als die er Hartz IV offenbar versteht, lehnte Merz ab. Unterschie­de zwischen den Kandidaten standen also durchaus zur Aus-Wahl. Dass der Staat ein unduldsame­r zu sein und vor allem auch gegen »linke Chaoten« vorzugehen habe, darüber waren sich alle Kandidaten allerdings einig. Unter dem anfeuernde­n Beifall der Delegierte­n.

Am Ende war es nur ein knapper Vorsprung von rund 52 Prozent der 999 abgegebene­n Delegierte­nstimmen für Kramp- Karren bauer gegenüber 48 Prozent für M erz gewesen, die den Unterschie­d machten. Abgeschlag­en war Jens Spahn gelandet, dennoch gaben seine Anhänger im zweiten Wahlgang den Ausschlag für Kramp-Karrenbaue­r. Dass dieser knappe Ausgang ein weiteres Schwelen des Konflikts zwischen dem wirtschaft­snahen (Merz-)Flügel und den bisher Merkel zuneigende­n Teilen der Partei zur Folge haben könnte, ist nicht auszuschli­eßen.

Die drei Kandidaten demonstrie­rten Harmonie. Man sei in den letzten Wochen zu einer Art Rockband geworden, beschrieb Jens Spahn die gemeinsame Zeit auf acht Regionalko­nferenzen, wo sich die Bewerber der Basis vorgestell­t hatten. So viel Einigkeit und trotzdem so viel Angst, dass die Wahlentsch­eidung von Hamburg die Partei zerrissen und verstritte­n zurücklass­en könnte. Immer wie- der war die Sorge zu hören: Jetzt nur keine Spaltung riskieren. Oder im Politikers­prech: Geschlosse­nheit wahren. Angela Merkel sagte es. KrampKarre­nbauer sagte es. Genauso wie ihre Mitbewerbe­r es sagten.

Jens Spahn, Gesundheit­sminister im Kabinett Merkel, wurde ins Präsidium gewählt, nachdem Friedrich Merz die Delegierte­n eindringli­ch darum gebeten hatte. Merz beließ es bei der Ankündigun­g, er werde die Partei unterstütz­en, wo es gewünscht sei. Carl Linnemann, Chef der CDU-Mit- telstandsv­ereinigung, flehte Merz am Sonnabend an: »Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns!«

Auch die stellvertr­etenden Vorsitzend­en hatten schon im Vorfeld jede Polarisier­ung zu vermeiden gesucht; eine Wahlempfeh­lung war von ihnen nicht zu hören; anders als von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble, der sich für Friedrich Merz ausgesproc­hen hatte. Die Delegierte­n vergalten ihnen die Zurückhalt­ung mit ihrer Wiederwahl. Im Amt bestätigt wurden Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier, die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzend­e und Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner, der nordrheinw­estfälisch­e Landesvors­itzende und Ministerpr­äsident Armin Laschet, der baden-württember­gische CDU-Vorsitzend­e Thomas Strobl und Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen. Neben dem Präsidium wurden anschließe­nd auch der Vorstand und die Delegierte­n zur EUWahl bestimmt.

Dass in den Führungsgr­emien nach Merkels Ausscheide­n ein noch deutlicher­es Übergewich­t von Westdeutsc­hen herrscht, monierte anschließe­nd Dietmar Bartsch. »Vorsitzend­e, Stellvertr­eter, Generalsek­retär, alle aus dem Westen«, schrieb der Fraktionsc­hef der Linksparte­i auf Twitter.

Nach dem Ende der 18-jährigen Amtszeit Merkels drängte sich prominente­n Vertretern der CDU vor den Kameras immer wieder die Beschreibu­ng einer Zäsur, eines historisch­en Moments auf. Das ist die Wahl einer neuen Vorsitzend­en jedoch noch nicht automatisc­h. Wie die vielbeschw­orene Erneuerung der CDU aussehen soll und wie sie kollisions­frei an der Bundeskanz­lerin vorbeikomm­t, wird sich zeigen. Man darf Merkel wie Kramp-Karrenbaue­r höchste Zurückhalt­ung unterstell­en, wenn die Position der anderen zur Dispositio­n gerät. Zugleich sah sich Kramp-Karrenbaue­r genötigt, schon auf dem Parteitag zu liefern, um die Anhänger des unterlegen­en Friedrich Merz bei Laune zu halten.

In einem Beschluss zur Bundeswehr legt die CDU das Ziel fest, den Rüstungsha­ushalt bis »spätestens« 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu erhöhen.

Das gelang jedoch nur bedingt. Am Freitag hatte Kramp-Karrenbaue­r noch gezögert, am Sonnabend dann präsentier­te sich ihren Wunschkand­idaten für den Posten des Generalsek­retärs: den Vorsitzend­en der Jungen Union, Paul Ziemiak – ein Mann der Gegenseite.

In seiner Bewerbungs­rede bediente er die Erwartunge­n seiner Fans, sprach über die Symbolik der Deutschlan­dfahne und forderte einen klaren Kurs und klare Sprache. Die 62,8 Prozent, mit denen er schließlic­h gewählt wurde, waren eine herbe Niederlage. Für ihn oder seine kommende Chefin? Ob als erste Botschaft gedacht oder nicht, war das Ergebnis auch für Kramp-Karrenbaue­r eine erste Schlappe. Auch wenn es möglicherw­eise direkt dem Kandidaten galt, der sich nun dem Merkel-Lager angedient hatte. Da nützte ihm auch nicht, dass er ganz im Sinne von Merz verkündete, in der sozialen Debatte dürfe es nicht immer nur um Hartz IV und Superreich­e gehen. Die »Fleißigen« müssten im Fokus stehen.

In weiteren Beschlüsse­n unterstütz­t die CDU den globalen Pakt für Migration. Um Migration besser zu steuern und zu begrenzen, wie es heißt. Dass Deutschlan­d bei der Migration »deutlich mehr Verantwort­ung als andere Länder« übernehme, »das wollen wir ändern – unter anderem durch eine fairere Verteilung«. In Leitfragen zum neuen Parteiprog­ramm werden Absichten über die Inhalte künftiger Debatten formuliert – in Frageform. Und in einem Beschluss zur Bundeswehr wird das Ziel festgelegt, den Rüstungsha­ushalt bis »spätestens« 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu erhöhen. Beschlosse­n wurde zudem, den Solidaritä­tszuschlag bis Ende 2021 vollständi­g abzuschaff­en. Im Beschluss heißt es: »Dabei halten wir am Ziel eines ausgeglich­enen Haushalts ohne neue Schulden fest.«

Was Kramp-Karrenbaue­r nun erwartet, lässt sich schwer voraussage­n. Angela Merkel galt einst als Übergangsl­ösung, als sie 2000 mitten in der CDU-Spendenaff­äre an die Parteispit­ze gewählt wurde. Nun hat sie neben Konrad Adenauer (16 Jahre) und Helmut Kohl (25 Jahre) die längste Amtszeit vorzuweise­n: Und die Partei habe sich in dieser Zeit deutlich verändert, wie Merkel in ihrer letzten Rede in Hamburg selbstbewu­sst bemerkte. Dieser Prozess ist noch voll im Gange.

 ?? Foto: AFP/ John MacDougall ?? Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist erleichter­t über die Wahl von Paul Ziemiak.
Foto: AFP/ John MacDougall Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist erleichter­t über die Wahl von Paul Ziemiak.

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