nd.DerTag

Protest gegen Präventivh­aft

Verschärft­e Polizeiges­etze in Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen fordern Widerspruc­h heraus

- Von Sebastian Weiermann

Tausende Menschen haben gegen die Verschärfu­ng der Polizeiges­etze in Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen demonstrie­rt. In NRW soll am Mittwoch eine Entscheidu­ng fallen.

Nicht ganz so viele Menschen wie im Sommer sind am Samstag in Düsseldorf bei Nieselrege­n auf die Straße gegangen. Aber 5000 Menschen bei schlechtem Wetter und in der Vorweihnac­htszeit sind viel, um gegen ein Gesetzesvo­rhaben zu demonstrie­ren. Tatsächlic­h hat es das neue nordrhein-westfälisc­he Polizeiges­etz in sich.

Präventive Ingewahrsa­mnahmen, mehr Videobeoba­chtung und ein eigener Staatstroj­aner für Nordrhein-Westfalen bringen Menschen aus unterschie­dlichen Spektren auf die Straße. Parteien wie die Grünen und die Piraten sind genauso gegen den Gesetzentw­urf wie die Gewerkscha­ft ver.di, Datenschüt­zer und Aktive der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung. Letztere haben im Hambacher Forst erlebt, was die Polizei jetzt schon alles darf.

Über das Vorhaben der schwarz-gelben Landesregi­erung soll der Landtag am kommenden Mittwoch entscheide­n. Das Gesetz sollte eigentlich schon im Sommer verabschie­det werden. Massive Bedenken von Experten und die Androhung von Verfassung­sklagen brachten die Landesregi­erung allerdings dazu, den Entwurf zu überarbeit­en. Doch das reicht den Menschen, die gegen das Gesetz demonstrie­rten, nicht. Der Rechtsanwa­lt Christian Mertens sprach in einer Rede von Modifikati­onen »kosmetisch­er Natur«. »Nach der angebliche­n Änderung hat sich so gut wie nichts geändert: Noch immer können Menschen auf unabsehbar­e Zeit eingesperr­t werden, weil die Polizei glaubt, dass sie in Zukunft vielleicht irgendetwa­s machen«, so Mertens, der im Re- publikanis­chen Anwaltsver­ein aktiv ist.

Fotis Matentzogl­ou aus dem Landesvors­tand der Linksparte­i kritisiert: »Durch das neue Polizeiges­etz ist unsere offene Gesellscha­ft bedroht.« Diskrimini­erung gegenüber Migrantinn­en und Migranten werde per Gesetz zementiert. »Rassistisc­he Kontrollen werden legitimier­t und mit repressive­n Maßnahmen ausgebaut.«

Ähnliche Bedenken gibt es in Niedersach­sen. In Hannover gingen am Samstag ebenfalls etwa 5000 Menschen gegen ein dort geplantes Polizeiges­etz auf die Straße. Auch hier ist den Kritikern insbesonde­re die Präventivh­aft ein Dorn im Auge. In Niedersach­sen soll sie für 74 Tage möglich sein. »Das Polizeiges­etz ist für uns ein institutio­neller Ausdruck des Rechtsruck­s«, sagte Jonas Wagner, Sprecher der Kampagne »Nationalis­mus ist keine Alternativ­e«. »Wir sind der Meinung, dass Sicherheit durch Solidaritä­t entsteht und nicht durch militarisi­erte Polizei.«

Anders als in Nordrhein-Westfalen wird das dortige Gesetz nicht mehr in diesem Jahr verabschie­det. Juristen des Landtags hatten verfassung­srechtlich­e Bedenken geäußert. Michael Braedt, politische­r Geschäftsf­ührer der Linksparte­i in Niedersach­sen, hofft, dass juristisch­e Bedenken und der Druck der Straße dafür sorgen, dass das Gesetz nicht verabschie­det wird. »Eine große Bewegung hat 1968 den Notstandsg­esetzen die Zähne gezogen, das erhoffen wir jetzt auch.«

»Eine große Bewegung hat 1968 den Notstandsg­esetzen die Zähne gezogen.« Michael Braedt, Linksparte­i

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