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Bauernopfe­r Frauenrech­te

In Norwegen ist das liberale Abtreibung­srecht bedroht

- Von Birthe Berghöfer, Malmö

Derzeit diskutiert man in Norwegen, das vielen als eine Hochburg der Frauenrech­te gilt, über die Verschärfu­ng des Abtreibung­sgesetzes. Im Rahmen von Verhandlun­gen mit der Christlich­en Volksparte­i (KrF) erklärte sich Ministerpr­äsidentin Erna Solberg (Høyre-Partei) offen für Verhandlun­gen. Daraufhin demonstrie­rten Tausende Menschen im ganzen Land gegen die Pläne, Selbstbest­immungsrec­hte einzuschrä­nken.

Zwar regiert bereits seit 2017 eine Koalition aus der konservati­ven Høyre, der rechtspopu­listischen Fortschrit­tspartei (FrP) und der liberalen Partei Venstre. Für eine Mehrheit im Parlament ist die Regierung aber auf Unterstütz­ung der kleinen KrF angewiesen. Die Partei hat sich Anfang November entschiede­n, mit Solberg zu verhandeln. Ihr sind Teile des seit 1978 geltenden liberalen Gesetzes zum Schwangers­chaftsabbr­uch bereits lange zuwider. Die Regierung präsentier­te den Gesetzentw­urf zur Verschärfu­ng somit weniger aus Überzeugun­g als viel mehr, um ihre Macht zu erhalten.

Das »Abortlov« (Abtreibung­sgesetz) erlaubt es einer Frau, auch ohne vorherige Beratung oder Bedenkzeit bis zur zwölften Woche eine Schwangers­chaft zu beenden. Paragraf 2c regelt außerdem die Möglichkei­t eines Abbruches auch nach der zwölften Woche, wenn das Kind mit hoher Wahr-

Mit 76 Prozent ist die Mehrheit in Norwegen gegen die Einschränk­ung des Abtreibung­srechts.

scheinlich­keit ernsthafte Krankheite­n bekommen könnte, beispielsw­eise durch erbliche Anlagen. Äußerst liberal ist das Gesetz zudem, da Frauen bei Zwillingen einen Fötus entfernen lassen können. Die Abschaffun­g dieser Möglichkei­t und des Paragrafen 2c sind wichtige Punkte in der Agenda der KrF und werden derzeit in Oslo verhandelt.

Mit 76 Prozent ist jedoch die Mehrheit der Norweger*innen gegen eine Einschränk­ung; elf Prozent sind sogar für eine Erweiterun­g, wie eine Umfrage der Tageszeitu­ng »Dagbladet« ergab. Seit das Thema Gegenstand der Verhandlun­gen geworden ist, gehen daher immer wieder Tausende Menschen auf die Straßen: »Mein Körper, meine Entscheidu­ng«, »Nie wieder Stricknade­ln« und »Unser Leben, unser Körper – selbstbest­immte Abtreibung!« war am 17. November auf Plakaten vor dem Storting, dem norwegisch­en Parlament, zu lesen und zu hören.

Über 8000 Menschen versammelt­en sich an diesem Tag in Oslo, um gegen die Änderungen zu protestier­en, »die uns 40 Jahre zurückwerf­en würden«, so die Ärztin und Medienkolu­mnistin Mina Adampour. Weitere Demonstrat­ionen gab es in Bergen, Trondheim sowie in kleineren Städten und sogar im schwedisch­en Göteborg. »Erna (Solberg) hat die Hälfte der norwegisch­en Bevölkerun­g provoziert. Sie hat die Sprengkraf­t dieser Sache unterschät­zt, und ich denke, sie wird es bereuen«, sagte Inga Marte Thorkildse­n von der Sozialisti­schen Linksparte­i.

Und selbst Teile der Regierung stehen Solbergs Plänen ablehnend gegenüber. »Das Einzige, das ich unterstütz­en kann, ist eine Erweiterun­g des Abtreibung­sgesetzes«, kündigte Sivert Bjørnstad von der rechten FrP an. Dass eine Gesetzesän­derung eine Mehrheit erhalten wird, ist nach aktuellem Stand eher unwahrsche­inlich. Aber bis zum Abschluss der Verhandlun­gen wird das Thema die Gemüter weiter erhitzen.

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