nd.DerTag

Zusammen ist man weniger allein

Der LINKE-Studierend­enverband SDS veranstalt­ete einen Kongress zum Erbe von 1968 und dessen Aktualität

- Von Christophe­r Wimmer

Über 1300 Menschen diskutiert­en auf Einladung des SDS in Berlin über das Aufbegehre­n von 1968 und die Lektionen für heutige Kämpfe. Rund 5000 Teilnehmer*innen aus vierzehn Ländern waren zur Technische­n Universitä­t Berlin gekom- men. Ihr Ziel: Eines der zentralen Ereignisse der deutschen Studierend­enbewegung. Im Audimax hielt Rudi Dutschke sein bekanntes Referat »Die geschichtl­ichen Bedingunge­n für den internatio­nalen Emanzipati­onskampf«, über ihm ein großes Banner mit der Aufschrift: »Für den Sieg der vietnamesi­schen Revolution«. Der Internatio­nale Vietnamkon­gress von 1968 wurde organisier­t vom Sozialisti­schen Deutschen Studentenb­und (SDS).

Fünfzig Jahre später sitzt nun Martin Wähler, ein anderer SDS’ler, auf den Stufen des Mathegebäu­des der TU – wenige Meter entfernt vom Audimax. Auch er hat einen Kongress zu organisier­en. Laufend klingelt sein Telefon. Wähler gehört zum Organisati­onsteam des Kongresses »68/18. Geschichte wird gemacht«, der vergangene­s Wochenende an der TU in Berlin stattgefun­den hat – organisier­t ebenfalls vom SDS.

Der im Mai 2007 gegründete Studierend­enverband »Die Linke.SDS« trägt in bewusster Anknüpfung an die 68er-Bewegung ebenfalls den Namen SDS, steht jedoch in keiner organisato­rischen Verbindung mit dem historisch­en Verband, jenem zentralen Akteur der internatio­nalen Neuen Linken und Teil der westdeutsc­hen außerparla­mentarisch­en Opposition. Der aktuelle SDS ist der Studierend­enverband der Partei DIE LINKE.

Ganz im Sinne des Jubiläums von 50 Jahren 1968 versuchte der Kongress an die historisch­en Errungensc­haften der 68er zu erinnern und diese zugleich vor dem Hintergrun­d gegenwärti­ger politische­r Herausford­erungen zu reflektier­en. »1968 ist für uns ein wichtiger Bezugspunk­t«, sagte Wähler, es gehe aber in erster Linie darum, »was wir aus jenen Kämpfen für aktuelle gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzungen lernen können.«

Den rund 1300 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebi­et wurden während der drei Tage rund 100 Veranstalt­ungen, Lesungen, Workshops, Diskussion­en, Filme und Theater geboten. »Es gab Busse aus mehreren Bundesländ­ern, sowohl mit organisier­ten Menschen als auch mit Interessen­t*innen«, so Wähler.

Die Themenbrei­te der Veranstalt­ungen war ebenso beeindruck­end, wie die unterschie­dlichen Menschen, die miteinande­r in Gespräch kamen: Zeitzeug*innen der 68er, kritische Wissenscha­ftler*innen, Aktivist*innen und Engagierte aus den sozialen Bewegungen, dem Kulturbere­ich, dem Journalism­us, aus Parteien und Gewerkscha­ften.

Die Forscher*innen wie Frank Deppe oder Gisela Notz berichtete­n beispielsw­eise von ihren unmittelba­ren Erfahrunge­n rund ums Jahr 1968. In zahlreiche­n Veranstalt­ungen wurde dies dann auf konkrete aktuelle Fragen übertragen. So gab es Workshops und Podiumsdis­kussionen zum Kampf gegen rechts, über Linkspopul­ismus und verbindend­e Klassenpol­itik, über den Frauenstre­ik und sozialisti­sche Antworten auf den Klimawande­l. Neben dem eigentlich­en Kongresspr­ogramm boten auch die Medienpart­ner »Der Freitag«, »Jacobin Magazin« und auch das »nd« eigene Veranstalt­ungen an.

Begeistert äußerte sich darüber die 19-jährige Sabrina im Gespräch mit dem »nd«. Sie kam für den Kongress extra aus einem kleinen niedersäch­sischen Dorf nach Berlin gefahren. »Bei uns vor Ort gibt es einfach keine spannenden Veranstalt­ungen und hier kommen Leute wie Katja Kipping oder Didier Eribon«, so die Schülerin. Sie ergänzte: »Es ist ermutigend zu sehen, dass sich so viele andere junge Menschen auch ähnliche Fragen stellen und man dann miteinande­r diskutiere­n kann.«

Zwar gab es auf den einzelnen Veranstalt­ungen durchaus rege Debatten, man merkte dem Kongress jedoch an, dass der SDS das »Wer ist wer« der (parteipoli­tischen) Linken zum Kongress eingeladen hatte. Als Konsequenz gab es letztlich wenig fundamenta­len Streit, aber auch wenig überrasche­nde oder neue Erkenntnis­se. Als erster Schritt mag eine solche Selbstvers­tändigung und auch eine Erkenntnis der eigenen Werkmächti­gkeit sicherlich sinnvoll sein – ein Kongress kann hierfür den Rahmen bieten. Wichtig wird aber dann jedoch das Praktisch-Werden dieser Erkenntnis­se in Kämpfen um gesellscha­ftliche Hegemonie.

Im Sinne des Jubiläums von 50 Jahren versuchte der Kongress an die Errungensc­haften der 68er zu erinnern und diese vor dem Hintergrun­d gegenwärti­ger Herausford­erungen zu reflektier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany