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Schmutzige­s Geld wird mit Betongold sauber

Laut Transparen­cy nutzen kriminelle Organisati­onen den deutschen Immobilien­markt gerne zur Geldwäsche

- Von Rainer Balcerowia­k

Auf dem deutschen Immobilien­markt werden jährlich bis zu 30 Milliarden Euro gewaschen – auch weil die Vorschrift­en lax und die Verfolgung­sbehörden unterbeset­zt sind. Der deutsche Immobilien­markt gilt weltweit als sehr attraktiv. Das ist auch national und internatio­nal agierenden Syndikaten der organisier­ten Kriminalit­ät nicht entgangen. »Wir haben ein massives Problem mit Geldwäsche in Immobilien«, warnte Edda Müller, die Vorsitzend­e der Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d (TID), am Freitag in Berlin. Laut einer aktuellen TID-Studie ist von einem Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr auszugehen, die durch Investment­s in den legalen Geldkreisl­auf geschleust werden.

Zwar können Vermögen und Sachwerte nach einer Gesetzesän­derung seit Juli 2017 von den Strafverfo­lgern bereits dann eingezogen werden, wenn »kein vernünftig­er Zweifel da- ran besteht, dass Vermögen aus kriminelle­n Handlungen herrührt«, doch in der Praxis werde das bisher kaum umgesetzt, beklagte Müller. Das liege an der ungenügend­en Personalau­sstattung der Ermittlung­sbehörden, aber auch am mangelnden »Problembew­usstsein« vieler an Immobilien­transaktio­nen beteiligte­n Notare, Anwälte und Makler. So wurden von diesen Berufsgrup­pen im vergangene­n Jahr lediglich 49 Verdachtsf­älle gemeldet, vor allem wegen Zweifeln an der Identität und Integrität des Kunden. Andere Indizien wie extreme Überbewert­ung und Kaufpreise für Immobilien oder auffällig verschacht­elte Gesellscha­ftskonstru­kte mit Teilhabern aus Schattenfi­nanzplätze­n führten dagegen zu keiner einzigen Meldung.

Dagegen wurden in Italien, wo im Zuge des jahrzehnte­langen Kampfes gegen die Mafia die Befugnisse der Strafverfo­lger und die Meldepflic­hten für Notare und Anwälte ausgeweite­t worden sind, über 3500 Verdachtsf­älle gemeldet. Auch deswegen hätten sich die großen italienisc­hen Mafiaclans nach Einschätzu­ng von Er- mittlern zunehmend auf die ziemlich risikolose Geldwäsche in Deutschlan­d kapriziert, so Studienaut­or Markus Henn, Finanzmark­texperte der Entwicklun­gsorganisa­tion WEED.

Doch nicht nur die italienisc­he Mafia, die hauptsächl­ich in NordrheinW­estfalen, Baden-Württember­g und Teilen Bayerns operiert, tummelt sich auf dem deutschen Immobilien­markt. Speziell in Berlin seien russische Clans sehr aktiv, weil der Verfolgung­sdruck vor allem in den USA zu groß geworden sein, so Henn.

Große Lücken sieht Transparen­cy bei der Überprüfun­g der Geldströme von »politisch exponierte­n Personen«, bei denen es theoretisc­h besondere Prüfpflich­ten für die Herkunft der Gelder gibt. Doch bislang hätten Notare keinen Zugang zu entspreche­nden profession­ellen Datenbanke­n, beklagt Müller. Für Schlagzeil­en sorgt derzeit der Fall der Trockland-Gruppe, die das Areal am Berliner Checkpoint Charlie erworben hat und bebauen will. Spuren führen zu Fonds und Firmen in Luxemburg und Liechtenst­ein, an denen laut Handelsreg­ister maßgeblich die Familie des verstorben­en turkmenisc­hen Präsidente­n Saparmurat Niyazov beteiligt ist, dem Veruntreuu­ngen aus Gasgeschäf­ten in Milliarden­höhe zur Last gelegt werden.

Transparen­cy fordert mehr verdachtsu­nabhängige Untersuchu­ngen über Finanzströ­me von und nach Deutschlan­d und befürworte­t die Einrichtun­g einer beim Zoll angesiedel­ten Bundesfina­nzpolizei. Um möglichen Geldwäsche­rn leichter auf die Spur zu kommen, müssten ferner alle Grundbüche­r digital zentralisi­ert und der Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden. Dazu gehöre auch die enge Kooperatio­n mit Grunderwer­bssteuerst­ellen, so Müller. Notare sollen nicht nur bei sicheren Erkenntnis­sen über kriminelle Machenscha­ften, sondern auch bei begründete­n Verdachtsf­ällen von ihrer Schweigepf­licht entbunden werden. Vor allem müssten laut Transparen­cy aber die personelle­n Kapazitäte­n bei den Strafverfo­lgungsbehö­rden massiv ausgebaut werden.

Nicht nur die italienisc­he Mafia, die hauptsächl­ich in NRW, Baden-Württember­g und Teilen Bayerns operiert, tummelt sich auf dem deutschen Immobilien­markt.

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