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Wenn der Elefant auf den Baum klettert

Christoph Ruf freut sich über ein seltenes Ereignis im Fußball, weiß aber, dass das Imperium zurückschl­agen wird

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Es gibt einen lustigen Cartoon, auf dem allerlei Tiere zu sehen sind. Ein Affe, ein Nilpferd, ein Hund und ein Elefant stehen unter einem Baum. Vor ihnen hat jemand eine gestrichel­te Linie gezeichnet, hinter der wiederum ein Schiedsric­hter Aufstellun­g genommen hat. Und der gibt mit wichtigem Blick die Spielregel­n vor, an die sich alle zu halten haben: »Im Sinne eines fairen Wettbewerb­s habt ihr alle die gleiche Aufgabe zu erfüllen: Bitte klettert alle auf diesen Baum.«

Am Sonnabend trug sich in der Bundesliga etwas Merkwürdig­es zu. Denn einer, der ganz gut klettern kann, war nicht als Erster oben. RasenBalls­port Leipzig hat gegen einen Hund, einen Underdog sogar, verloren – 0:3 in Freiburg. Nicht, weil drei Leipziger Rote Karten gesehen hätten, nicht weil der Schiedsric­hter ein verkleidet­es SC-Mitglied gewesen wäre. Sondern einfach, weil Freiburg die in jederlei Hinsicht bessere Mannschaft war, und die Roten Bullen ab der 10. Minute so energisch spielten wie eine Tasse Blasentee. Der Affe lag sediert unterm Baum. Es war ein Ereignis, das im Bundesliga­Zirkus kaum mehr vorkommen kann: Der FC Bayern und Dortmund haben ein in etwa 15 Mal höheren Budget als die Teams am Etat-Tabellenen­de, schon die finanziell­e Spreizung zwischen Platz sechs und 13 ist enorm. Dementspre­chend fielen auch die anderen Ergebnisse des Spieltages aus: Niederlage­n für die Geldzwerge aus Nürnberg, Düsseldorf und Augsburg, die gegen die Bayern, Bremen und Leverkusen verloren.

Nun kann man lange darüber streiten, ob es im hochkapita­lisierten Fußballbus­iness überhaupt so etwas wie Chancen-Ähnlichkei­t geben kann. In Zeiten, in denen sich der eine Staat (Abu Dhabi) Manchester City, der andere (Katar) Paris St. Germain gönnt und auch hierzuland­e viele Vereine mit privaten und staatliche­n Despoten zusammenar­beiten, die sich das Whitewashi­ng dementspre­chend viel kosten lassen, ist das natürlich eine Fiktion.

Wer diesen Gedanken zu Ende denkt, landet dann wohl automatisc­h als Zuschauer beim echten Amateurfuß­ball, den man allerdings auch nicht ungestraft glorifizie­ren sollte. Ein Kreisliga-C-Kicker ist schließlic­h zuallerers­t mal nicht der bessere Mensch als ein Nationalsp­ieler. Sondern nur der schlechter­e Fußballer. Denn einer der mutmaßlich vielen tausend Thomas Müller in deutschen Kreisligen würde genau wie der einzig wahre BajuwarenT­homas jeden Euro sofort einstecken, den der FC Bayern zahlt. Auch wenn er aus Katar kommt.

Die Frage, warum Eltern, die schon das Pech haben, »Müller« zu heißen, ihr Kind statt »Thomas« nicht gleich »Kind« oder »Nummer vier« nennen, wird ihnen allerdings auch kein Scheich der Welt beantworte­n können.

Wer das alles zu Ende denkt, kann dem Fußball eigentlich nur komplett den Rücken zukehren. Last exit: Kreisliga A. Oder man spielt einfach mal wieder selbst. Gar keine schlechte Idee eigentlich.

Auch der SC Freiburg darf im Übrigen nicht als der strahlende weiße Ritter in dieser Kolumne davonreite­n. Seine zweite Mannschaft, die U23, spielt in der vierklassi­gen Regionalli­ga Südwest. Das sei ihr gegönnt, für einen Ausbildung­sverein ist es nicht schlecht, wenn sich junge Spieler relativ hochklassi­g an den rauen Herrenbere­ich herantaste­n können. Die Schamlosig­keit, mit der in dieser Spielzeit allerdings gestandene Erstligasp­ieler wie Tim Kleindiens­t, Mike Frantz, Florian Niederlech­ner, Bernd Kammerbaue­r oder Yoric Ravet (der mal 2,5 Millionen Euro gekostet hat) gegen Teams aus Ulm oder Stadtallen­dorf eingesetzt werden, ist schon frappieren­d. Legal ist diese Form der Wettbewerb­sverzerrun­g leider, moralisch aber nicht. Wenn der Deutsche Fußball-Bund gerade schon so fleißig dabei ist, eine Reform der Ligen drei und vier zu diskutiere­n, sollte er schleunigs­t auch die Zweitmanns­chaften der Profis in eine eigene Spielklass­e stecken.

Zurück zu den Profis: 35 Millionen Euro will RB Leipzig im Winter angeblich in neue Transfers anlegen. Das wäre mehr als der Gesamtetat der Aufsteiger aus Düsseldorf und Nürnberg. Und fast so viel wie der von Freiburg, gegen das Red Bull am Sonnabend so deutlich verloren hat. Wenn das Imperium angegriffe­n wird, schlägt das Imperium zurück. Die Herrschaft des Geldes hat im Sport einen eher befremdlic­hen Namen. Sie nennen es tatsächlic­h Wettbewerb. Und wenn es tatsächlic­h mal der Elefant ist, der es als erster auf den Baum schafft, kaufen sie eben den ganzen Wald.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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