Bahnhof vor Abrissbirne bewahrt
Genossenschaft kaufte DB-Gebäude in Cuxhaven
»Bloß weg hier!« So mögen viele Urlauber gedacht haben, wenn sie in vergangenen Jahren in Cuxhaven aus dem Zug stiegen und dort den maroden Bahnhof passierten. Verfallen, verwahrlost, schrottig und mit einer Möblierung ausgestattet, die Knastatmosphäre aufkommen lasse: So beschrieben Bürgerinnen und Bürger des größten deutschen Nordseeheilbades vor wenigen Jahren in einer Internetpräsenz den Zustand des 1881 errichteten und 1898 erweiterten Gebäudes. Doch die Cuxhavener gründeten eine Genossenschaft und verwandelten die frühere Immobilie der Deutschen Bahn (DB) in einen schmucken, dieser Tage eröffneten Bürgerbahnhof.
Als die Gebäude noch der Deutschen Bahn gehörten, waren sie eher ein Beispiel für die Ignoranz des Konzerns gegenüber kleinen Stationen als die Visitenkarte einer Stadt. Angesprochen auf ihren Umgang mit Kleinbahnhöfen, erklärte die DB als Reaktion auf eine Medienanfrage vor geraumer Zeit: »Priorität haben bei der Bahnhofmodernisierung die Stationen, die von vielen Kunden benutzt werden.«
Was es unter »vielen« versteht, ließ das Unternehmen offen. Cuxhaven wird jährlich von rund 3,7 Millionen Urlaubern besucht, und
Als die Gebäude noch der Deutschen Bahn gehörten, waren sie eher ein Beispiel für die Ignoranz des Konzerns.
mit dem Zug kommen dort täglich rund 2800 Menschen an. Offenbar zu wenig, hatte die Bahn doch 2008 geplant, ihre Gebäude in der Nordseestadt abzureißen.
Dagegen und gegen die Verwahrlosung des Bahnhofs hatte es schon mehrmals Protestaktionen gegeben, vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), Kommunalpolitikern sowie weiteren Bürgerinnen und Bürgern. Aus ihren Reihen schlossen sich im Sommer 2013 knapp 50 zu einer Genossenschaft zusammen mit dem Ziel, die Bauwerke zu bewahren. Zu diesem Vorhaben waren die Cuxhavener womöglich durch ähnliche Projekte in anderen Regionen Deutschlands motiviert worden. So haben beispielsweise das bayerische Landsberg am Lech, Leutkirch in Baden-Württemberg und Neuruppin in Brandenburg einen Bürgerbahnhof.
Um auch das marode Gemäuer in Cuxhaven in einen solchen zu verwandeln, traten immer mehr Interessierte der Genossenschaft bei. Sie wuchs auf rund 600 Mitglieder, die zusammen 1,2 Millionen Euro und damit das nötige Eigenkapital zur Sanierung einbrachten. Das Land Niedersachsen gab 800 000 Euro dazu, damit war ein wesentlicher Teil der Finanzierung gesichert.
Nachdem sie den Bahnhof von der DB gekauft hatte, vergab die Genossenschaft die umfangreichen Um- und Ausbauarbeiten. Gut 15 Monate nach deren Beginn zeigt sich das Empfangsgebäude nun hell und einladend. Unter anderem hat sich dort ein Presse- und Buchhandel eingemietet, ebenso die kommunale Touristikinformation, ein Café und ein Restaurant sowie eine Auto- und Fahrradvermietung.
Rund fünf Millionen Euro hat der Bürgerbahnhof gekostet. Nachdem ihr engagierte Menschen viel Arbeit und Geld erspart haben, ist auch die DB wieder in dem Gebäude präsent, über dem sie schon mit der Abrissbirne gewinkt hatte: nun als Mieterin mit einem »Reisezentrum«.